TTC 1946 Weinheim erstmals Deutscher Meister

Von Stephan Roscher|Juni 29, 2025|bundesliga

Heftige Diskussionen um die Hallentemperaturen

Die Weinheimerinnen gewannen am Sonntagnachmittag auch das Finalrückspiel gegen den ttc berlin eastside und sicherten sich damit erstmals den nationalen Meistertitel. Doch das Event an der badischen Bergstraße verlief anders, als man es sich vorgestellt hatte. Sehr zum Leidwesen der Fans in der gut gefüllten Sporthalle des Werner-Heisenberg-Gymnasiums – mit 415 Besuchern wurde ein Saisonrekord verbucht –, die lediglich 36 Minuten Toptischtennis erlebten und danach viele Diskussionen.

Nach den beiden Doppeln, die an den Gastgeber gingen, intervenierte der Präsident des Titelverteidigers, Alexander Teichmann, und erklärte, dass sein Team, das nur unter Protest angetreten war, wegen der hohen Temperaturen in der Halle von circa 38 Grad nicht weiterspielen werde. Man sehe die Gesundheit der Spielerinnen in Gefahr. Die Einzel wurden somit alle kampflos mit 3:0 für Weinheim gewertet, das nach dem 6:3-Hinspielerfolg am Freitag damit erstmals Deutscher Mannschaftsmeister wurde. Im dritten Anlauf, 2023 und 2024 hatte man in den Endspielen gegen den ttc eastside jeweils den Kürzeren gezogen. Der Hauptstadtklub gab bekannt, dass er gegen die Spielwertung Protest eingelegt habe.

Eine Bemerkung in eigener Sache zu den strittigen Begebenheiten: Wir wollen hier für keine Seite Partei ergreifen, sondern einfach nur sachlich und nüchtern die Fakten schildern. Wie die heutigen Vorgänge zu bewerten sind, werden die entsprechenden Instanzen des Deutschen Tischtennis-Bundes, also der Spielleiter und gegebenenfalls das Schiedsgericht, sachkundig entscheiden.

Wir konnten lediglich in Erfahrung bringen, dass laut Wettspielordnung des DTTB die Temperatur in den Spielhallen beziehungsweise in der Spielbox mindestens +15 Grad Celsius betragen muss. Eine spezifische maximale Temperatur ist in der Wettspielordnung nicht explizit genannt. In den Regularien der ETTU, etwa für Champions-League-Spiele, wird dagegen eine Maximaltemperatur von 35 Grad angeführt.

Zurück zum Spiel selbst beziehungsweise zu seinem allzu kurzen sportlichen Teil. Die Ausgangsposition war klar: Der Rekordmeister brauchte einen Sieg, um ein Golden Match zu erzwingen, während den Weinheimerinnen ein Remis zum größten Erfolg der Klubgeschichte genügen würde. Anfänglich schien alles einen ganz normalen sportlichen Verlauf zu nehmen. Dass die Doppel das einzige sein würden, was die Zuschauer zu sehen bekamen, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner.

Diesmal hatten sich andere Duelle als am Freitag ergeben, die Formationen selbst waren die alten geblieben: Chien Tung-Chuan/Yuan Wan und Ece Harac/Mateja Jeger-Majstorovic für Weinheim, Sabina Surjan/Josi Neumann sowie Mia Griesel/Kathrin Mühlbach für Berlin. Hatten Surjan/Neumann, seit Monaten das Topdoppel des Hauptstadtklubs, am Freitag bereits ihr Match gegen Chien/Wan hauchdünn im Entscheidungssatz verloren, gingen sie auch diesmal leer aus. In einem heiß umkämpften Spiel über die volle Distanz hatten Harac/Jeger-Mastorovic das bessere Ende auf ihrer Seite. Zu diesem Zeitpunkt hatten Chien/Wan am anderen Tisch bereits vorgelegt, die sich in sehr guter Form beim 9:11, 11:3, 11:8, 11:7 über Griesel/Mühlbach zeigten, die am Freitagabend noch Harac/Jeger-Majstorovic geschlagen hatten. Bei Weinheim coachte neben Trainer Rainer Schmidt übrigens auch der Weltranglisten-15. Anton Källberg, der Lebensgefährte von Yuan Wan. Bei Berlin neben Andreas Hain auch Cornelia Neumann-Reckziegel, frühere Bundesligaspielerin und Mutter von Josi Neumann.

Die Fans waren – ungeachtet der tatsächlich immensen Hitze in der Halle – bester Laune und freuten sich auf die Einzel. Doch kurz darauf erfolgte die ernüchternde Durchsage des Hallensprechers, dass es keine Einzel geben werde.

Das Weinheimer Publikum war natürlich enttäuscht, und das jähe Ende der Partie wurde heftig diskutiert. Man reagierte insgesamt aber sehr diszipliniert und verzichtete auf hitzige Unmutsbekundungen. Die Fans feierten ihr Team, das über die gesamte Saison sehr gutes Tischtennis gezeigt und schon die Punktrunde auf dem Spitzenplatz beendet hatte, für ein tolles Jahr und den erfolgreichen Saisonabschluss.

Die Siegesfreude im Weinheimer Lager – besonders bei den Spielerinnen, dem Trainer und dem Management -, war angesichts der besonderen Umstände natürlich etwas gedämpft. Man feierte, aber eben nicht so ausgelassen, wie es ansonsten wohl der Fall gewesen wäre. Macher und Manager Christian Säger, der im Jahr 2009 mit einer Damen-Mannschaft in der untersten Spielklasse begonnen hatte, hielt eine kleine Rede und zeigte sich sehr bewegt, besonders als er sich bei seiner Frau für die Rückendeckung über all die Jahre bedankte. Für die Spielerinnen ergriff Yuan Wan das Mikro und bedankte sich bei den Fans für den tollen Support während der gesamten Saison, der den Erfolg erst möglich gemacht habe. Richard Prause, Vorstand Sport des DTTB, überreichte den Weinheimerinnen die Medaillen und den Meisterpokal.

Nachfolgend das Statement von Andreas Hain, Manager des ttc berlin eastside, das sich mit den Gründen für die Entscheidung seines Klubs befasst: „Wir haben schon vor dem Spiel ordnungsgemäß unseren Protest schriftlich vorgebracht und haben die Partie unter Protest begonnen. Zudem haben wir dem Oberschiedsrichter mitgeteilt, dass wir bei einem weiteren Temperaturanstieg nicht weiterspielen werden. Wir als Verein konnten bei diesen Spielbedingungen keine weitere Verantwortung für die Gesundheit unserer Spielerinnen übernehmen und haben im Gegensatz zu den Verantwortlichen aus Weinheim und wohl auch im DTTB verantwortungsbewusst gehandelt. Mittlerweile liegt uns auch eine Stellungnahme unseres Vereinsarztes Dr. Frenzel vor, der unser Handeln nicht nur unterstützt, sondern als unabdingbar bewertet. Ein Weiterspielen sei medizinisch nicht zu verantworten gewesen. Wir fragen uns auch, warum der Oberschiedsrichter sich keine ärztliche Stellungnahme eingeholt hat, sondern sich hier als so kompetent gesehen hat, das Spiel weiterzuführen bzw. überhaupt zu starten. Warum wurde vom DTTB der Spielbeginn auf 14 Uhr genehmigt? Die Problematik war doch im Vorfeld abzusehen .… Warum hat Weinheim nicht in einer anderen Halle gespielt, obwohl es Alternativen gegeben hätte!? Muss man als Ausrichter eines Bundesliga-Finales nicht auch eine ordnungsgemäße Spielstätte zur Verfügung stellen?! Warum hat die ETTU eine Temperaturobergrenze in ihren Regularien und der DTTB nicht? Alles Fragen, die sich jetzt in erster Linie der DTTB wird stellen müssen.“

Weinheims „Chef“ Christian Säger geht in seinem Statement auf die Problematik mit den Hallentemperaturen nicht ein und unterstreicht die Bedeutung der Meisterschaft für seinen Verein. „Der TTC 46 Weinheim ist stolz und glücklich, den Titel an die Bergstraße geholt zu haben“, so Säger, der sich auch auf den bevorstehenden Empfang durch Oberbürgermeister Just inklusive Präsentation des Teams mit Pokal auf der Rathausempore freut – schließlich hatte die 45.000-Einwohner-Stadt Weinheim noch nie in ihrer Geschichte einen Deutschen Mannschaftsmeister. „Schon vor den Play-offs waren wir die Nummer eins in Deutschland. Wir sind ein kleiner, familiärer Club mit vielen Helfern und Fans. Wir haben den besten Zuschauerschnitt aller Bundesligisten und viele Dauerkarten-Inhaber. Das Team, die Zuschauer und wir als Macher des TTC sind überglücklich über diesen Erfolg. Da steckt viel Leidenschaft und Herzblut dahinter.“

Zwischen Verunsicherung und Siegesfreude: Fotostrecke aus Weinheim

Nachfolgend noch eine kleine Fotostrecke aus Weinheim (Bilder: Dr. Stephan Roscher), denn es wurde ja, wenn auch nicht sehr lange, Tischtennis gespielt und es gab einiges Sehenswerte inklusive der Siegerehrung.

Links

Beitragsbild oben: Weinheims Spielerinnen mit dem Meisterpokal, v.l. Mateja Jeger-Majstorovic, Ece Harac, Yuan Wan, Chien Tung-Chuan (Foto: Dr. Stephan Roscher).

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