Griff nach der Meisterschaft: Berlin und Weinheim wollen den Titel

Von Stephan Roscher|Juni 25, 2025|bundesliga

Freitag, 18.30 Uhr: ttc berlin eastside – TTC 1946 Weinheim

Sonntag, 14.00 Uhr: TTC 1946 Weinheim – ttc berlin eastside

Wer glaubt, nach dem spektakulären TTBL-Finale in Frankfurt und dem emotionalen Abschied von Megastar Timo Boll könne nichts mehr kommen, liegt daneben. Es kommt noch etwas, etwas richtig Gutes sogar: Ein letztes großes Saison-Highlight steht nämlich unmittelbar bevor und verspricht reichlich Spannung. Am Freitag und Sonntag duellieren sich der ttc berlin eastside und der TTC 1946 Weinheim um Deutschlands Krone bei den Damen. Toptischtennis auf höchstem Niveau steht zu erwarten, wenn die Hauptstädterinnen versuchen werden, das Triple einzutüten, was der Punktrundensieger aus Nordbaden natürlich verhindern will, der im dritten Anlauf erstmals Deutscher Meister werden möchte.

Zum dritten Mal in Folge lautet die Finalpaarung Berlin vs. Weinheim – zweimal triumphierte der deutsche Rekordmeister, doch diesmal scheint der Ausgang offener denn je. Beide Teams sind vorzüglich besetzt, es gibt keinen Favoriten. Die Tagesform wird ebenso den Ausschlag geben wie das Nervenkostüm der Spielerinnen sowie natürlich auch das berühmt-berüchtigte Quäntchen Glück, ohne das man keine großen Titel gewinnen kann.

berlin eastside mit imposanter Titelbilanz

Die Erfolgsbilanz des ttc berlin eastside ist beeindruckend: Zehnmal wurde man Deutscher Meister, seit 2014 gelang dies nur ein einziges Mal nicht, als sich Kolbermoor im Jahr 2018 in die Siegerliste eintrug. Ebenfalls zehnmal feierte man den nationalen Pokalsieg und gewann stolze sechsmal die Champions League, zuletzt vor 14 Tagen in Metz. In all diesen Wettbewerben ist man der Rekordtitelgewinner. Zudem sicherte man sich dreimal den ETTU-Cup. Insgesamt also 29 Titel!

Nun könnte es die elfte Deutsche Meisterschaft sowie der 30. Titel werden – und da sind die vielen Titel der Vorgängervereine noch nicht mitgerechnet, so etwa 37 DDR-Meisterschaften zwischen 1956 und 1989 samt zwei Europacup-Siegen, zudem zwischen 2002 und 2007 drei ETTU-Cup-Siege unter dem Namen 3B Berlin. Eine schier erdrückende Fülle an Titeln und Erfolgen.

Weinheim noch ohne Titel, doch das zählt nicht

Und was hat der Gegner, vor fünf Jahren in die 1. Bundesliga aufgestiegen, an Titeln vorzuweisen? Nichts, noch keinen einzigen, außer Zweitligameister und Bundesliga-Herbstmeister sowie Punktunden-Sieger – das sind schöne Erfolge, jedoch noch keine Titel. Doch irgendwann ist immer das erste Mal. Ein Underdog ist man jedenfalls ganz gewiss nicht, sondern schickt ein hochkarätiges Team ins Rennen, das sich in den letzten Jahren viel Respekt erarbeitet hat. Außerdem sagt die tolle Berliner Erfolgsstory nichts für den Freitag und Sonntag aus, denn die Wahrheit spielt sich nur an den beiden Tischen ab und nicht in der Vergangenheit. Beide Male wird es für beide Kontrahenten ein heißer Tanz werden, und die Teams sind von der Besetzung absolut gleichwertig.

Der ttc eastside geht dennoch als frischgebackener Champions-League-Sieger mit entsprechendem Selbstvertrauen in die beiden Finalduelle plus eventueller Zugabe in Form eines Golden Matchs.

Doch Weinheim scheint gut gerüstet und schaltete in den Halbfinals mit dem ESV Weil die Überraschungsmannschaft der Saison mit 6:2 und 6:4 letztlich recht souverän aus. Auch die beiden Halbfinal-Auftritte der Berlinerinnen gegen das starke Team aus Dachau (6:4 und 6:2) konnten sich sehen lassen.

Weinheims Spitzenspielerin Chien Chung-Tuan (Foto: Armin Schimkat).

Chien Tung-Chuan und Kolleginnen gut gerüstet

Herausforderer Weinheim verfügt über hohe Qualität im Kader. Mit der 23-jährigen Taiwanerin Chien Tung-Chuan, beste Spielerin der Bundesliga-Punkrunde, kann man ein absolutes Top-Ass auf der Spitzenposition vorweisen. Mit ihrer Verpflichtung zur Saison 2024/25 hat man ein sehr gutes Händchen bewiesen. Auch Chiens Doppel mit Yuan Wan funktioniert prima (7:1). Neben DTTB-Nationalspielerin Wan, die vorne positiv spielte und auch gegen starke Widersacherinnen immer für Punkte gut ist, zählen die Türkin Ece Harac und die Kroatin Mateja Jeger-Majstorovic zu den Leistungsträgerinnen – besonders Harac, aus Jena gekommen, wusste mit ihrer 12:6-Bilanz in der Bundesliga-Runde zu gefallen. Insgesamt eine Topmannschaft, die man erst einmal schlagen muss, gerade wenn es um etwas geht. Drei Finalteilnahmen in Folge sprechen eine deutliche Sprache – mit Zufall oder Glück lässt sich das jedenfalls nicht erklären.

Berlin setzt auf seine „jungen Wilden“

Der Hauptstadtklub wird sein bärenstarkes Youngster-Team dagegenstellen, das die bisherigen Play-off-Runden souverän meisterte. In der Bundesliga beschritt man bekanntlich einen sehr mutigen Weg und setzte auf die jungen Spielerinnen. Diese entwickelten sich – nach knappen, unglücklichen Niederlagen zu Rundenbeginn – vorzüglich und waren spätestens in der Rückrunde richtig gut in der Liga angekommen. Mit der jungen Mia Griesel hatte man ein Toptalent des DTTB an Bord geholt, das sich im Oberhaus rasant weiterentwickelte und sogar im Spitzenpaarkreuz absolut konkurrenzfähig war, ebenso in der Champions League.

Spielt mit 18 bereits auf fantastischem Niveau: Yuka Kaneyoshi (ttc berlin eastside). Foto: Verein.

Auch wenn man nur auf Platz sechs ins Ziel einlief, war man gegen Ende der Runde richtig gut, wozu auch Yuka Kaneyoshi einen wesentlichen Beitrag leistete. Die 18-jährige Defensivkünstlerin aus Japan fügte sich auf Anhieb perfekt ins Team ein und erwies sich schnell als Ausnahmespielerin. 5:1 in der Runde, 7:1 in den Play-offs. Eine 12:2-Bilanz in den 16 Wochen, die Kaneyoshi in Berlin weilt. Dabei hat sie bereits fast alle Topspielerinnen der Liga geschlagen – eine ungemein starke Visitenkarte. Und die andere Ausnahmespielerin, Weinheims Chien Tung-Chuan, konnte Kaneyoshi auch schon besiegen. Kaneyoshi an Position eins und die Serbin Sabina Surjan, die gerade auch in Europas Königsklasse wichtige Siege eingefahren hat, an zwei – so stehen die Hauptstädterinnen im vorderen Paarkreuz. Dies hat zur Folge, dass Mia Griesel hinten aufschlagen kann, gemeinsam mit der 15-jährigen Josi Neumann, die in den letzten Wochen ebenfalls sehr starke Auftritte hatte. Zudem harmoniert das Doppel Surjan/Neumann prächtig und ist immer für Punkte gut.

eastside sieht sich in der Außenseiterrolle

Berlins Manager Andreas Hain, der zuletzt auch mehrfach betont hat, dass sein Team zurzeit „überperforme“, äußert sich recht defensiv, gewiss auch, um dem Gegner die psychologisch schwierigere Favoritenrolle zuzuschanzen: „Gegen Weinheim können wir jetzt entspannt ins Spiel gehen. Realistisch betrachtet wissen wir alle, dass die erfahrene Mannschaft aus Baden für uns eine Nummer zu groß ist.” Cleveres Understatement, denn im Lauf der Saison hat das Hauptstadtteam immer wieder bewiesen, dass es sich in der (vermeintlichen) Außenseiterrolle pudelwohl fühlt. Auch Sabina Surjan bleibt zurückhaltend: “Über die Meisterschaft machen wir uns jetzt wirklich keine Gedanken. Wir haben keinen Druck, jede von uns will ihr Bestes geben. Also: Schau’n wir mal.”

„Wir werden uns noch einmal reinhängen und unseren tollen Fans einen spannenden Abend bieten”, so Mia Griesel mit dem Fokus auf das Hinspiel. Die 19-Jährige, letzte Saison noch in der 2. Liga am Ball und mittlerweile auf Augenhöhe mit Europas Elite, äußert sich ausführlich zu den Voraussetzungen und Zielen: “Natürlich haben die letzten Wochen mit den Mehrfachbelastungen von Champions League, Play-off-Matches, Deutsche Einzelmeisterschaften und WTT-Belastungen an der physischen und psychischen Substanz gezehrt. Gleichzeitig haben wir aber gelernt, dass wir uns in der Mannschaft aufeinander verlassen können. Eine spielt für die andere und gemeinsam wollen wir unseren tollen Fans immer spannende Spiele auf Top-Niveau bieten. Vor allem im Finale gegen Weinheim müsste das klappen, da wir auf einen spielstarken, hochmotivierten Gegner treffen, der auf allem Positionen herausragend besetzt ist. Unser Ziel ist ganz klar: Wir wollen uns mit einer guten Leistung und einem entsprechenden Ergebnis von unseren Fans in die kurze Sommerpause verabschieden.”

Ankündigungsplakat Hinspiel (Quelle: ttc berlin eastside)

Weinheim rechnet mit 50:50-Spielen

Weinheims Macher und Manager Christian Säger geht davon aus, dass sich beide auf Augenhöhe begegnen werden: „Einen Favoriten sehen wir nicht, es wird ein 50:50-Match werden. Die Tagesform der Spielerinnen wird den Ausschlag geben. Ein kleiner Vorteil könnte sein, dass wir das Rückspiel zu Hause haben. Aber Berlin ist amtierender Champions-League-Sieger, Pokalsieger und viel erfahrener als wir. Wir werden in Bestbesetzung antreten und freuen uns auf das Finale. Für den TTC 46 Weinheim das dritte Mal in Folge und das ist für unseren kleinen Club nicht selbstverständlich.“

Wobei man natürlich sagen muss, dass sich die Aussage hinsichtlich der Berliner Erfahrung auf den Verein und seine Erfolgsgeschichte bezieht. Betrachtet man die Spielerinnen für sich, liegt das Erfahrungs-Plus sicher bei Weinheim. Nina Mittelham, Xiaona Shan und Ding Yaping sind ja nicht startberechtigt, und bei einem Altersdurchschnitt von 19 Jahren konnten die eastside-Asse, die um den Titel kämpfen werden, logischerweise noch nicht so viel Erfahrung sammeln wie ihre Gegnerinnen, doch sie lernen schnell.

Toller Sport mit einem hohen Spannungsfaktor ist an beiden Tagen zu erwarten – die Fans werden es honorieren und die Berliner „Heyse25“ sowie die Sporthalle des Weinheimer Werner-Heisenberg-Gymnasiums zum Hexenkessel machen.

Die Endspiele im Livestream

Und wer partout nicht dabei sein kann, darf sich auf Livestreams in hoher Qualität freuen, für die bei beiden Spielen das Berliner TV-Team um Bernd Guder und Dietmar Ripplinger verantwortlich zeichnen wird. Hier die Links für das Hinspiel:

Und hier nun die Links für das Rückspiel in Weinheim:

Tisch 1: https://youtube.com/live/FcTxQHWbt0s?feature=share 

Tisch 2: https://youtube.com/live/bjgSKrdyxC0?feature=share

Infos zum Golden Match

Man könnte sich durchaus vorstellen, dass es über die volle Distanz inklusive Golden Match geht. Dazu sollte man folgendes wissen: Steht es nach den beiden Spielen unentschieden, egal wie die Ergebnisse lauten – also auch bei einem 6:0 und 4:6, natürlich auch bei zweimal 5:5 – wird ein Entscheidungsspiel direkt im Anschluss an das Rückspiel ausgetragen, das sogenannte Golden Match. Es werden nochmals zwei Doppel und vier Einzel gespielt. Dabei besteht jedes Spiel aus nur einem Satz, der bis zum elften Gewinnpunkt gespielt wird, ohne Verlängerung. Sieger ist diejenige Mannschaft, die zuerst vier Punkte erzielt. Sollte es nach den sechs Spielen 3:3 stehen, entscheidet die Balldifferenz. Ist auch diese gleich, wird jeweils eine Spielerin pro Mannschaft benannt, die in einem Satz bis sechs Punkte ohne Verlängerung (Aufschlagwechsel nach jedem Punkt) das Siegerteam ermitteln. Es geht dann Schlag auf Schlag – viel schneller, als es sich manche vorstellen, die es noch nicht erlebt haben -, und die Atmosphäre ist hoch emotional und richtig prickelnd. Eine ganz heiße Sache, nichts für Herzinfarkt-Gefährdete. In den diesjährigen Play-offs hatten wir es, im Gegensatz zu 2023/24, noch nicht. Gut möglich, dass sich dies am Sonntag ändert.

Links

Beitragsbild oben: Der Herausforderer: TTC 1946 Weinheim, v.l. Manager und 1. Vorstand Christian Säger, Ece Harac, Mateja Jeger-Majstorovic, Yuan Wan, Cheng Hsien-Tzu, Chien Tung-Chuan, Daria Trigolos, Trainer Rainer Schmidt (Foto: Armin Schimkat).

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