Packende Halbfinal-Hinspiele: Weinheim und Berlin legen vor

Von Stephan Roscher|Mai 31, 2025|bundesliga

Kommt es zum dritten Mal in Folge zum Meisterschaftsfinale zwischen dem ttc berlin eastside und dem TTC 46 Weinheim? Entschieden ist noch gar nichts, doch beide konnten am Freitagabend in äußerst packenden Halbfinal-Hinspielen vorlegen, wodurch der Druck auf ihre Gegner in den Rückspielen am kommenden Sonntag gehörig gewachsen ist. Weinheim siegte beim ESV Weil mit 6:2, doch es ging viel enger zu, als es das Ergebnis vermuten lässt. Und Titelverteidiger Berlin konnte den TSV Dachau trotz eines zwischenzeitlichen 1:3-Rückstands noch mit 6:4 besiegen.

ESV Weil – TTC 1946 Weinheim 2:6

140 Fans in der restlos ausverkauften Turnhalle der Weiler Leopoldschule erlebten drei Stunden Tischtennis vom Feinsten mit einem Ergebnis, das dem engen Spielverlauf nicht entsprach. Dies lag an nicht nur sehr starken, sondern gnadenlos effektiven Weinheimerinnen, die von vier Fünfsatz-Matches drei gewannen, vor allem die beiden am Ende, als Weil mit etwas mehr Glück den Zeiger auf 4:4 hätte stellen können – stattdessen machte der Gast mit 6:2 den Sack zu. 305:315 Bälle in der Endabrechnung, eine Statistik, die veranschaulicht, wie umkämpft es tatsächlich war.

So oder so, die Zuschauer waren am Ende nicht einmal unzufrieden trotz der vom nackten Ergebnis klaren Niederlage ihrer Lieblinge, da sie vom Niveau her alles geboten bekamen, was diesen Sport so attraktiv macht. Zudem haben Anna Hursey und Kolleginnen ja noch eine Chance in zwei Tagen in Weinheim, auch wenn sie nun unter Erfolgszwang stehen. Dort konnten sie im Bundesliga-Punktspiel im Januar einen Coup landen und mit 6:2 gewinnen. Abschreiben darf man die Crew aus dem Dreiländereck also noch lange nicht.

Ievgeniia Sozoniuk hätte gegen Yuan Wan ihr Team im Spiel halten können, zog jedoch knapp im Entscheidungssatz den Kürzeren (Foto Roscher).

Schon der Auftakt verlief alles andere als glücklich aus Sicht der Gastgeberinnen, beide Doppel gingen verloren. Daniela Ortega und die nur im Doppel eingesetzte Kornelija Riliskyte unterlagen Ece Harac und Mateja Jeger Majstorovic nach 2:1-Satzführung noch mit 2:3, während das Weiler Paradedoppel Anna Hursey/Ievgeniia Sozoniuk gegen Chien Tung-Chuan/Yuan Wan in vier Durchgängen den Kürzeren zog.

Anna Hursey und Yuan Wan lieferten sich vier Sätze lang ein hochklassiges Duell auf Augenhöhe, doch im Entscheidungsdurchgang war Weils Waliserin nicht mehr zu stoppen und ließ ihrer Gegnerin ganze zwei Punkte. Am alten Abstand änderte sich dennoch nichts, da am Nebentisch Ievgeniia Sozoniuk erwartungsgemäß Weinheims Spitzenspielerin Chien Tung-Chuan gratulieren musste (1:3). Daniela Ortega machte im hinteren Paarkreuz zwar kurzen Prozess mit Mateja Jeger Majstorovic, doch eine bärenstarke Ece Harac gestattete der in den Viertelfinals so überzeugenden jungen deutschen Defensivspielerin Lea Lachenmayer keinen Satzgewinn.

4:2 für Weinheim, nun war erneut das Spitzenpaarkreuz gefordert, und es wurden zwei sehenswerte Matches auf Topniveau. Zunächst schien Anna Hursey gegen Chien Tung-Chuan, die in der gesamten Saison erst ein Match verloren hatte, nach einem 11:2 und einem 11:9 eindeutig auf der Siegerstraße zu sein, doch die Weltklasse-Taiwanerin kämpfte sich zurück und gewann die Sätze drei und vier mit 11:7 und 11:9. Der fünfte Durchgang musste die Entscheidung bringen, hier einige Zwischenstände aus Sicht der Weilerin: 1:4, 3:4, 4:5, 7:6, 7:9, 8:10, 10:10, 10:11, 12:11, 13:12, 14:13. Drei Matchbälle nicht verwertet und am Ende stand es 14:16 in einem prickelnden Spiel, das Weinheims Trainer später als das beste der gesamten Saison bezeichnete.

Ein Remis wäre noch möglich gewesen, wenn Ievgeniia Sozoniuk, die mit Yuan Wan wesentlich besser zurechtkam als zuvor mit Chien Tung-Chuan, am anderen Tisch gepunktet hätte. Doch auch das sollte nicht sein, auch hier hieß es am Ende 2:3. Weils Ukrainerin hatte zwischenzeitlich mit 2:1 Sätzen vorne gelegen, musste dann aber in den Entscheidungsdurchgang, in dem sie zwar noch mit 9:8 führte, schließlich jedoch mit 9:11 unterlag.

STIMMEN ZUM SPIEL

Doris Spiess (Abteilungsleiterin ESV Weil):

„Es war trotz der Niederlage ein hochklassiges Spiel, das die Zuschauer in der voll besetzten Halle begeisterte. Und es hätte für uns durchaus anders laufen können. Besonders die letzten beiden Spiele hatten es in sich. Statt dem 2:6 wäre ein 4:4 durchaus möglich gewesen. Und dann wäre wieder alles offen gewesen. Doch sowohl Anna Hursey als auch Ievgeniia Sozoniuk mussten sich im fünften Satz knapp geschlagen geben. Damit blieb es bei den Siegen von Anna Hursey gegen Yuan Wan und Daniela Ortega gegen Mateja Jeger. Im entscheidenden Moment waren die Weinheimerinnen einfach abgeklärter. Jetzt liegt der Fokus auf dem Rückspiel.“

Rainer Schmidt (Trainer TTC 46 Weinheim):

„Ja, wir haben 6:2 gewonnen, aber das Ergebnis spiegelt nicht unbedingt den Spielverlauf wider. Wir haben natürlich das Break geschafft in den Doppeln, Wan und Chien relativ deutlich, aber trotzdem eng, Jeger und Harac nach verlorenem erstem Satz in den fünften gekommen und dann noch gewonnen, mit einer sehr guten Leistung dann zum Ende hin. Das war natürlich super für uns. Dann hat vorne Wan unglücklich gespielt gegen Hursey, die aber sehr stark gespielt hat. Wan führt 2:1 und 3:0 dann Timeout, sie hat danach den Faden verloren und das Spiel noch relativ glatt verloren. Im Gegenzug hat Chien einen deutlichen Sieg gegen Sozoniuk eingefahren. Im hinteren Paarkreuz kann man sagen, dass es ebenso deutliche Ergebnisse gab. Sehr gut dann vorne zwei Wahnsinnsspiele, die ganze Halle hat getobt. Überzeugender Kampf von Wan gegen Sozoniuk, 3:2 am Ende. Und Chien gegen Hursey, das beste Spiel der ganzen Saison. Chien 0:2, dann noch im fünften Satz in der Verlängerung gewonnen. Generell hochklassiges Niveau. Also 6:2 für uns, es hätte aber auch 5:5 ausgehen können.“

ttc berlin eastside – TSV Dachau 65 6:4

Den Hauptstadtklub darf man niemals abschreiben, auch wenn die Vorzeichen noch so ungünstig scheinen. Das hatte die junge Berliner Truppe schon im Viertelfinale gegen Kolbermoor unter Beweis gestellt, als sie beim Rückspiel in fremder Halle richtig auftrumpfte und die Oberbayern mit einem fulminanten 6:2 vorzeitig in die Ferien schickte.

Diesmal sah es wirklich nicht allzu günstig aus. Sabina Surjan und Josi Neumann waren angeschlagen, Surjan so sehr, dass sie ihr erstes Einzel gegen Dachaus Defensiv-Ass Byun Seoyoung abschenkte, während man bei Neumann im Spiel nichts mehr von dem Handikap merkte. Die 15-Jährige bot ihre beste Saisonleistung und gewann beide Einzel sowie ihr Doppel an der Seite von Surjan und war neben Mia Griesel Berlins Matchwinnerin in dieser so wichtigen Partie.

Josi Neumann zeigte gegen Dachau ihre bisher beste Saisonleistung und war maßgeblich beteiligt am Berliner Hinspielerfolg (Foto Roscher).

Ungeachtet der beiden angeschlagenen Spielerinnen, schickte der Gastgeber das Quartett in die Box, das sich gegen Ende der Punktrunde gefunden und in den Viertelfinals so überzeugt hatte: Yuka Kaneyoshi, Sabina Surjan, Mia Griesel und Josi Neumann. Dachau reiste zu fünft an und präsentierte „Nesthäkchen“ Koharu Itagaki nur im Doppel. Man bot in den Einzeln Byun Seoyoung, Sabine Winter, Tin-Tin Ho und Naomi Pranjkovic auf, eine Besetzung, in der man dem Bundesliga-Zweiten durchaus einen Auswärtssieg zutraute.

In den Doppeln trennte man sich 1:1. Sabina Surjan und Josi Neumann, schon in der Punktrunde das beste Berliner Duo, schlugen Sabine Winter und Naomi Prankovic in vier Sätzen – bei ihrem überzeugenden Auftritt war nichts davon zu spüren, dass man am Donnerstag noch befürchtet hatte, dass beide ausfallen könnten. Denkbar knapp unterlagen dagegen Yuka Kaneyoshi/Mia Griesel. Im fünften Satz konnten sie gegen die Dachauerinnen Byun Seoyoung und Koharu Itagaki einen Matchball nicht nutzen und unterlagen schließlich mit 11:13.

Die Oberbayern, von eastside-Manager Andreas Hain vor der Partie zum derzeit stärksten Bundesligisten erklärt, zogen im oberen Paarkreuz auf 3:1 davon und schienen zwischenzeitlich auf sehr gutem Kurs zu sein. Surjan ging gegen Byun erst gar nicht an den Tisch, sie hätte gefühlt tausend Topspins ziehen müssen, um der Defensivstrategin aus Südkorea ein Match auf Augenhöhe liefern zu können. Die Gefahr, sich eine Woche vor dem ersten Champions-League-Finale gegen Metz selbst ins Aus zu befördern, wäre gerade in diesem Match zu groß gewesen. Sabine Winter brillierte gegen Yuka Kaneyoshi, der sie schon in der Bundesligarunde die bis dahin einzige Niederlage im Berliner Dress beigebracht hatte. Die DTTB-Nationalspielerin zeigte einmal mehr, wie gut sie gegen Abwehr spielt und ließ der jungen Japanerin beim 11:8, 11:2, 11:5 nicht den Hauch einer Chance.

Eigentlich sprach zu diesem Zeitpunkt fast alles für Dachau. Aber nur fast. Denn einen Punkt hätte man im ersten Durchgang des hinteren Paarkreuzes schon holen müssen, um den Kurs zu halten. Dass Mia Griesel derzeit so stark ist, dass man nicht mit Siegen gegen sie kalkulieren sollte, war den Dachauern klar, doch dass auch Josi Neumann eine unüberwindliche Hürde darstellen würde, hatte man weniger auf der Rechnung. Neumanns erstes Match gegen Tin-Tin Ho war eng und umkämpft. Im Entscheidungsdurchgang schien alles für die englische Penholderspielerin zu laufen, die nach wenigen Minuten mit sage und schreibe 8:1 führte. Doch das 15-jährige deusche Megatalent steckte nicht auf und kämpfte sich Punkt für Punkt heran. Beim Stand von 4:9 gingen die folgenden sieben Ballwechsel an die junge Hessin zu einem nach dem anfänglichen Satzverlauf kaum mehr für möglich gehaltenen Sieg. Mia Griesel hatte zu diesem Zeitpunkt längst Naomi Pranjkovic mit 3:0 abgefertigt, sodass der Gleichstand erreicht war.

Zweiter Durchgang vorderes Paarkreuz: Yuka Kaneyoshi zeigte sich von der Niederlage gegen Sabine Winter gut erholt und gewann das Defensivduell mit Byun Seoyoung mit 3:2 – im Ligaspiel hatte die 18-jährige Japanerin sogar in vier Sätzen gesiegt. Doch Sabine Winter hatte zuvor locker gegen Sabina Surjan gepunktet, die es diesmal wenigstens versuchte, gegen Winters Vorhand-Offensivwirbel mit „eingebauter“ Rückhand-Bremse via Antitop aber nichts ausrichten konnte.

Dachaus Byun Seoyoung musste Berlins Yuka Kaneyoshi nach einem spannenden Defensivduell gratulieren (Foto Roscher).

4:4, alles war noch möglich. Doch der Berliner Vorteil aus dem ersten Durchgang des hinteren Paarkreuzes kam auch diesmal zum Tragen. Mia Griesel verlor zwar den ersten Satz gegen Tin-Tin Ho, hatte sich dann aber gut auf deren Spielsystem eingestellt und ließ nichts mehr anbrennen. Und was würde Josi Neumann gegen Naomi Pranjkovic machen, würde sie die Fans erneut lange auf die Folter spannen? Berlins Jüngste hatte indes keine Lust mehr auf gefühlt endlose Zitterspiele und machte recht souverän den Sack zu: 11:4, 11:8, 5:11, 11:9. Nach einer Gesamtspieldauer von etwas über drei Stunden war das Ding durch. Man darf gespannt sein, ob die jungen Berlinerinnen eine ähnlich überzeugende Leistung auch am Sonntag in Dachau abrufen können.

STIMMEN ZUM SPIEL

Andreas Hain (Manager ttc berlin eastside):

„Wie von uns erhofft, wurde es von Beginn an ein spannendes und offenes Spiel. Überragend Mia und Josi, die alle Spiele im hinteren Paarkreuz gewinnen konnten. Josi lag im fünften Satz gegen Ho Tin-Tin schon 1:8 und 4:9 zurück und konnte das Match noch drehen! Und auch gegen Prankovic blieb sie ruhig und gewann die knappen Sätze. Das war heute wieder ein Entwicklungsschritt bei ihr. Leider sind Sabina und Josi angeschlagen und besonders bei Sabina war das deutlich zu sehen. Unser Teamarzt Dr. Gunter Frenzel hat alles versucht und zumindest waren beide spielfähig. Das sah gestern noch anders aus. Doch noch ist alles offen, das Spiel hätte auch leicht verloren gehen können. Eigentlich waren nur die Matches von Sabine Winter klar. Vor daher sehen wir Dachau immer noch als Favorit, insbesondere auch in einem Golden Match. Wir werden alles geben am Sonntag und hoffen wieder auf ein knappes Spiel.“

Alexander Yahmed (Trainer TSV Dachau 65):

„Berlin war einfach besser heute, sie haben wirklich gut gespielt. Und ich kann meinem Team nicht mal viel vorwerfen, es war so wie ich es gesagt hatte, wer Kolbermoor schlägt, kann jedes Team der Liga schlagen. Sie haben wahrscheinlich die beste Nummer eins und sind dazu noch auf jeder Position sehr stark. Zudem haben sie zwei richtig starke Doppel. Da kann ich nur sagen: Glückwunsch zu dem Sieg heute!“.

Rückspiele am Sonntag

TTC 1946 Weinheim – ESV Weil

TSV Dachau 65 – ttc berlin eastside

(beide 14 Uhr)

Links

Beitragsbild oben: Yuan Wan steuerte je einen Erfolg im Doppel und Einzel zum Weinheimer Sieg in Weil bei (Foto Roscher).

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