Berlin und Weil lösen Halbfinal-Tickets – Enttäuschung in Kolbermoor und Langstadt

Von Stephan Roscher|Mai 5, 2025|bundesliga

Die Würfel sind gefallen, ein Golden Match, von manchem nach den beiden Unentschieden in den Hinspielen erwartet, wurde nicht erforderlich, um die Halbfinalisten zu küren. Dank herausragender Auftritte in fremder Halle sicherten sich der ttc berlin eastside nach einem 6:2-Erfolg in Kolbermoor sowie, etwas überraschend, auch der ESV Weil, der mit 6:3 in Langstadt gewann, den Einzug in die Vorschlussrunde. Dort trifft der Titelverteidiger aus der Hauptstadt auf das Team aus Dachau, während sich die Weilerinnen mit Punktrunden-Gewinner Weinheim auseinandersetzen müssen.

TSV Langstadt – ESV Weil 3:6

Die Saison ist für die Bundesliga-Frauen des TSV Langstadt beendet – ein ganzes Stück früher als eigentlich erwartet. Hatte man am Freitagabend im Hinspiel seine zahlreich vorhandenen Siegchancen nicht nutzen können – nach zwischenzeitlicher 5:2-Führung musste man sich nach rekordverdächtigen viereinviertel Stunden mit einem Remis zufrieden geben -, standen die Zeichen eigentlich auf Heimsieg und Einzug ins Halbfinale. Doch die Leistung am Sonntagnachmittag in heimischer Halle war letztlich enttäuschend, der 6:3-Erfolg des Außenseiters aus Südbaden, der stark aufspielte und seine Akzente setzen konnte, dementsprechend verdient.

Umso erstaunlicher, als Langstadt in beiden Partien mit seiner thailändischen Spitzenspielerin Orawan Paranang auflaufen konnte, mit der man eigentlich deutlich favorisiert war, auch wenn Franziska Schreiner wegen einer Augen-OP nicht eingesetzt werden konnte. Dass Weils Nummer drei, die im Hinspiel so starke Chilenin Daniela Ortega, im Rückspiel wegen einer Rückenverletzung auf den Start in den Einzeln verzichten musste, schien den Gastgeberinnen zusätzlich in die Karten zu spielen. Doch es kam letztlich ganz anders.

Vor 160 Fans lief es eigentlich bis zur Langstädter 3:2-Führung weitgehend nach Plan, doch dann kam Sand ins Getriebe und es gelang nicht mehr viel – vier Niederlagen in Folge besiegelten das Schicksal der Südhessinnen. Die letztlich nicht erwartete 1:3-Niederlage von Paranang gegen Weils Spitzenspielerin Anna Hursey beim Stand von 3:3 – im Hinspiel hatte Langstadts Asiatin gegen die 18-jährige Waliserin noch in vier Durchgängen gewonnen -, war sicher der Schlüssel zur Niederlage der TSV-Asse. Dass die Weltklassespielerin den Punkt nicht holen konnte, schien das Selbstvertrauen ihrer Teamkolleginnen in den Keller zu ziehen.

Doch es ist eben ein Mannschaftssport und es genügt nicht, sich auf eine Akteurin blind zu verlassen. Von den Mitspielerinnen kam einfach zu wenig. Zwei von ihnen, Chantal Mantz und die in der Punktrunde so starke Sophia Klee, gingen beide Male in den Einzeln komplett leer aus, wenn auch teilweise mit reichlich Pech in sehr engen Matches – das war letztlich nicht zu kompensieren. Lediglich Izabela Lupulesku konnte in jeder der beiden Partien einen Einzelpunkt beisteuern.

Im Doppel mit Izabela Liupulesku war Chantal Mantz (vorne) in beiden Partien obenauf, doch in den Einzeln gab es kein Happyend für die 28-jährige Dieburgerin: Vier Entscheidungssätze, alle vier gingen verloren (Foto Roscher).

Da nutzten auch die recht gut funktionierenden Doppel nichts, von denen drei an die Hessinnen gingen. Im Rückspiel, als es darauf ankam, konnten Paranang/Klee eben nicht mehr punkten. Das von Weil im Vergleich zur ersten Partie neu ins Rennen geschickte Angriff-Abwehr-Duo Ortega/Lachenmeyer harmonierte perfekt, während bei den Langstädterinnen nach gewonnenem erstem Satz nicht mehr viel zusammenlief.

Unter dem Strich war das Teams aus dem Dreiländereck den entscheidenden Tick bissiger und fokussierter. Man nutzte die Chancen, die sich boten, mit geradezu gnadenloser Präzision. Vielleicht war man auch ein Stück weniger verkrampft, weil man mit dem Play-off-Einzug eigentlich schon alles Erstrebte erreicht hatte, während die Langstädterinnen natürlich um jeden Preis eine Runde weiterkommen wollten – manche TSV-Spielerin wirkte in mancher Spielsituation ein wenig zu angespannt und schien sich zu viele Gedanken zu machen.

Nach dem Remis in Weil war die Hoffnung noch groß gewesen. Trainerin Anna Rauch hatte zu Protokoll gegeben: „Viel hat sich an der Ausgangsposition für das zweite Match nicht geändert. Wir werden zu Hause alles geben, um vor den heimischen Fans zu gewinnen.“ Und der Sportliche Leiter Manfred Kämmerer hatte das Team im Großen und Ganzen gelobt, allerdings eingeräumt, dass „die knappen Spieler leider verloren gegangen“ seien, was man aber vor den eigenen Fans ausbügeln wolle.

Am Sonntagnachmittag war die Enttäuschung in dem Stadtteil von Babenhausen natürlich gigantisch. Manfred Kämmerer erwies sich dennoch als fairer Verlierer: „Glückwunsch an Weil! Sie waren heute den Tick stärker als wir. Wir hatten am Freitag definitiv bessere Chancen zu gewinnen als heute.“ „Ich bin etwas traurig“, sagte Orawan Paranang. „Es war ein 50:50-Spiel, doch das Glück war leider nicht auf unserer Seite. Der Gegner war gut und hatte eines seiner Doppel clever umgestellt. Die Unterstützung der Zuschauer war toll, wir hätten ihnen so gerne einen Sieg geschenkt.“

Neben Anna Hursey, die sich beim Rückspiel mit Chantal Mantz zum Erstaunen mancher Zuschauer schwerer tat als mit Orawan Paranang, glänzte beim ESV Weil in Langstadt auch die 20-jährige Defensivstrategin Lea Lachenmayer, die einen richtig guten Tag erwischt hatte und diesmal nicht nur Sophia Klee, sondern auch noch Izabela Lupulesku bezwang, der sie am Freitag noch hatte gratulieren müssen. Und im Doppel an der Seite von Daniela Ortega zeigte Lachenmayer eben auch eine Topleistung.

Defensivspielerin Lea Lachenmayer hatte maßgeblichen Anteil am Halbfinal-Einzug des ESV Weil (Foto Roscher).

Ein Tag der Freude nicht nur für die Weiler Spielerinnen, sondern auch für den Vorstand und die mitgereisten Fans. Abteilungschefin Doris Spiess äußerte sich kurz nach Spielende wie folgt: „Das war der helle Wahnsinn. Es war am Freitag schon grandios, aber heute haben wir das noch getoppt. Und das obwohl Daniela Ortega nach dem Doppel wegen Rückenproblemen auf die Einzel verzichten musste. Dafür überzeugten die anderen Spielerinnen. Allen voran Anna Hursey, die erstmals gegen Orawan Paranang gewinnen konnte. Und auch Lea Lachenmayer überzeugte mit zwei Siegen. Sie konnte sich für die Niederlage am Freitag gegen Izabela Lupulesku revanchieren. Und Ievgeniia Sozoniuk wiederholte ihren Sieg gegen Chantal Mantz. Alles in allem war es eine top Leistung aller Spielerinnen. Wir sind total happy über diesen Erfolg.“

Somit ist Gewissheit, die Halbfinals in vier Wochen, eigentlich das Minimalziel der Hessinnen, finden ohne den TSV Langstadt statt. Weil ist dabei und duelliert sich mit dem Punktrundensieger und Vizemeister der letzten beiden Jahre TTC 46 Weinheim. Eine harte Nuss, doch in Weinheim wird sich mancher noch ungut an den 19. Januar erinnern, als der unangefochtene Bundesliga-Spitzenreiter im Dreiländereck an die Tische musste und der Sieger Weil hieß, der mit 6:2 auch noch deutlich die Oberhand behalten hatte. Unterschätzen wird man die wackeren Weilerinnen also ganz gewiss nicht.

SV DJK Kolbermoor – ttc berlin eastside 2:6

Im Hinspiel in eigener Halle hatten die Berlinerinnen den Sack nach einer 5:2-Führung nicht zumachen können. Doch heute vor 215 Fans in der Kolbermoorer B2X-Arena schien das komplett aus den Köpfen zu sein. Die Truppe aus der Hauptstadt, mit ihrem Durchschnittsalter von 19 die jüngste der Bundesliga, spielte unbekümmert und zugleich selbstbewusst in der Höhle des Löwen auf und legte im Vergleich zum Freitag nochmals eine Schippe drauf.

Musste man auch, denn der Gastgeber zeigte sich keineswegs schwach, sondern hoch motiviert und mit frischem Elan sowie auch taktisch mit neuen Rezepten. Eine wesentlich engere, umkämpftere Partie, als es das recht „brutale“ Endergebnis vermuten ließ. Doch was Kolbermoor auch versuchte, Berlin hatte stets die passende Antwort – unfassbar, wie dieses Youngster-Team in den Wochen seit Yuka Kaneyoshi mit im Boot ist, zu einer Einheit geworden ist. Menschlich und eben auch sportlich. Zuvor zeigte man zwar auch hier und da gute Ansätze, musste aber auch einiges an Leergeld berappen.

Zunächst ließ man den beiden grandiosen Leistungen in den Doppeln vom Hinspiel gleich einmal zwei weitere folgen, diesmal waren lediglich die Gegnerinnen getauscht. Doch es ging enger zu als in Berlin, wo ja Kolbermoor in den Doppeln regelrecht überrollt worden war. Sabina Surjan und Josi Neumann setzten sich gegen Swastika Ghosh und Kristin Lang mit 3:1 durch, während Yuka Kaneyoshi und Mia Griesel nach fünf Durchgängen die Nase gegen Annett Kaufmann und Hana Arapovic vorn hatten.

4:0 in den Doppeln gegen Kolbermoor insgesamt: Eine furiose Ausbeute und vielleicht nicht die halbe Miete für den selbstbewussten Champions-League-Finalisten, gewiss aber ein Weichensteller für den Weg ins Halbfinale der Deutschen Meisterschaft.

Das erste Einzel verlief für Annett Kaufmann nach Plan, doch an der gleichaltrigen Japanerin Yuka Kaneyoshi biss sich die 18-jährige deutsche Nationalspielerin später erneut die Zähne aus (Foto Roscher).

Dahin war es indes noch ein weiter Weg. Nach den Doppeln musste Kolbermoor zurückschlagen, um im Spiel zu bleiben. Annett Kaufmann besorgte dies mit dreimal 11:6 gegen Sabina Surjan, also völlig ungefährdet. Doch am Nebentisch war ja Yuka Kaneyoshi dran. Und die 18-jährige Defensiv-Japanerin wiederholte ihren Hinspielerfolg gegen Hana Arapovic, diesmal in fünf statt in vier Sätzen. Swastika Ghosh sorgte erneut ohne Satzverlust gegen Josi Neumann dafür, dass ihr Team dran blieb.

2:3 – allzu viel war ja zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht passiert. Alles schien noch möglich, doch die Hoffnungen der Kolbermoorer Fans sollten sich nicht erfüllen. Der ttc eastside blieb gnadenlos effektiv, die jungen Spielerinnen schienen das Wort Nervosität überhaupt noch nicht gehört zu haben. Mia Griesel brauchte diesmal fünf Sätze gegen die erfahrene Qianhong Gotsch, hatte aber im Entscheidungsdurchgang klar mit 11:4 die Nase vorn.

Jetzt musste erneut etwas von Kolbermoor kommen, sonst war der Traum ausgeträumt. Annett Kaufmann sollte die Wende einläuten. Doch ihre Gegnerin hieß eben wieder Yuka Kaneyoshi – und die hatte ihr schon am Freitag beim 1:3 wenig Freude bereitet. Diesmal hieß es 8:11, 5:11, 12:10, 7:11 aus Sicht der deutschen Nationalspielerin im Duell der 18-jährigen Tischtennis-Asse.

2:5, das klang ziemlich aussichtslos, doch im Hinspiel hatte man aus diesem Spielstand ja noch ein Remis gemacht. Da hatte die 20-jährige Kroatin Hana Arapovic noch die fünf Jahre ältere Serbin Sabina Surjan mit 3:1 geschlagen, doch diesmal startete Surjan mit 11:6 und 11:8 furios. Ein Satz fehlte noch zum Triumph der Hauptstädterinnen. Arapovic indes resignierte längst noch nicht und egalisierte unter dem Jubel der bayrischen Fans mit 11:4 und 11:9. Entscheidungssatz und Surjan war wieder voll da, während sich bei ihrer Gegnerin zunehmend eine gewisse Nervosität einstellte, auch wenn sie bis zur 4:3-Führung auf gutem Kurs zu sein schien. Dann vier Punkte für Surjan in Folge, 4:7. Kurz darauf 5:8, die Situation war richtig brenzlig, doch Arapovic mobilisierte letzte Reserven und verkürzte auf 7:8. Berlins Linkshänderin antwortete eiskalt mit drei Punkten in Folge, den entscheidenden drei Punkten zum Einzug ins Halbfinale.

Das Youngster-Quartett des ttc berlin eastside hatte in Kolbermoor allen Grund zur Freude, v.l. Mia Griesel, Sabina Surjan, Yuka Kaneyoshi, Josi Neumann (Foto: Alexander Teichmann).

Florian Wiesener, Co-Trainer und Vorstandsmitglied des SV DJK Kolbermoor, kommentierte die aufwühlende Partie aus Sicht des Gastgebers. „Das war heute ein bitterer Nachmittag für uns. Das Ergebnis wirkt deutlich, doch wer das Spiel verfolgt hat, weiß, wie eng und intensiv es tatsächlich war. Über dreieinhalb Stunden Spielzeit und ein Satzverhältnis von 16:18 zeigen, wie knapp beide Teams beieinander lagen“, sagte Wiesener. „Berlin hat im Vergleich zum Freitag die Doppel umgestellt, was zu neuen Paarungen geführt hat. In beiden Spielen hatten wir unsere Chancen, konnten sie aber nicht nutzen. Auch in den Einzeln begegneten wir dem Gegner auf Augenhöhe, doch in den entscheidenden Momenten fehlte uns das letzte Quäntchen Konsequenz – und genau das macht auf diesem Niveau den Unterschied.“ Die Zielrichtung sei klar gewesen: „Im Vergleich zum Freitag wollten wir ein „Break“ schaffen – also mindestens ein Match mehr gewinnen. Das wäre heute durchaus auch möglich gewesen. Wir haben uns spielerisch gesteigert und über weite Strecken das umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten. Aber am Ende zählen im Sport eben die gewonnen Spiele – und da waren wir heute leider unterlegen. Herzlichen Glückwunsch an den ttc berlin eastside zur starken Leistung und dem verdienten Einzug ins Halbfinale.“ Eine schwierige Spielzeit sei für Kolbermoor beendet: „Für uns endet damit eine Saison, die von vielen Herausforderungen geprägt war. Verletzungen und krankheitsbedingte Ausfälle – auch wenn sie an diesem Wochenende nicht spielentscheidend waren – haben uns immer wieder zurückgeworfen. Ein großes Dankeschön gilt allen, die uns in dieser Saison begleitet und unterstützt haben – dem gesamten Team, allen Helferinnen und Helfern im Hintergrund, unseren Sponsoren und ganz besonders unseren Fans.“

Andreas Hain, Manager ttc berlin eastside, zeigte sich rundum zufrieden und brachte das Geschehen plakativ auf den Nenner: „Normal, wir sind Berlin!“. Dass es so selbstverständlich nicht war, sich mit einer 19-, einer 18- und einer 15-Jährigen gegen Kolbermoor zu behaupten, war natürlich auch ihm bewusst. Umso beeindruckender, was das Team aus der Hauptstadt, das nach der schwierigen Punktrunde kaum einer auf der Rechnung hatte, in den Viertelfinals abgeliefert hat. „Wir haben unsere Möglichkeiten im Rückspiel analysiert und wussten, dass unser Schlüssel zum Weiterkommen das Match von Sabina Surjan gegen Arapovic ist“, erläuterte Hain. „Die klare Niederlage von Sabina gegen Kaufmann kam uns deshalb gar nicht ungelegen, denn Sabina hat ihre volle Power im zweiten Spiel gebraucht und so das Spiel letztlich entschieden. Unglaublich aber, wie souverän unsere Yuka wieder beide Spiele gewonnen hat. Kompliment! Dass wir im Doppel gut sind, haben wir gewusst und auch erwartet, beide zu gewinnen.“ Hain blickt nach vorne: „Jetzt schauen wir mal, was gegen Dachau so geht, wir sind locker drauf und können im Prinzip nur gewinnen. Ich freue mich für unsere jungen Mädels, die gerade auswärts und in den diversen Foren viel Negatives hören mussten. Ich hoffe, dass man jetzt respektvoller mit Ihnen umgeht, das haben sie verdient.“

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Beitragsbild oben: Sabina Surjan legte alles in ihr zweites Match gegen Hana Arapovic hinein und bewies Nervenstärke (Archivfoto Roscher).

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