Extrem spannende Viertelfinal-Hinspiele am Freitagabend: 5:5 in Berlin und Weil

Von Stephan Roscher|Mai 3, 2025|bundesliga

Zweimal 5:5 und prickelndes Tischtennis vom ersten bis zum letzten Ballwechsel. Dreieinhalb Stunden in Berlin und rekordverdächtige viereinviertel Stunden in Weil Tischtennis auf Topniveau – die Fans bekamen eine Menge geboten in den Play-off-Viertelfinal-Hinspielen. In der Hauptstadt schien der ttc eastside lange auf einen Sieg zuzusteuern, in Weil waren es die Gäste aus Langstadt, die zwischenzeitlich mit 5:2 führten, doch am Ende gab es in beiden gut besuchten Hallen keinen Sieger. Nach wir vor ist für sämtliche vier Bewerber alles drin, die Rückspiele am Sonntag versprechen reichlich Spannung.

ttc berlin eastside – SV DJK Kolbermoor 5:5

Eine tolle, sehenswerte Partie zwischen den beiden wohl namhaftesten deutschen Klubs im Damentischtennis. Kein Zuschauer in der „Heyse25“ dürfte sein Kommen auch nur eine Sekunde bereut haben, schon an den Computer-Monitoren beim Livestream hatten viele feuchte Hände. Vermutlich möchte keiner, der die Partie in irgendeiner Form miterlebt hat, eine Wette abschließen, wer am Sonntagnachmittag die Nase vorn haben wird.

Den Gastgeberinnen war der Rückenwind vom grandiosen Halbfinal-Erfolg in der Champions League im polnischen Tarnobrzeg eine Woche zuvor anzumerken. Schließlich standen mit Sabina Surjan und Mia Griesel zwei der drei Königsklassen-Heldinnen am Tisch – und ließen die Fans gleich zu Beginn in den Doppeln jubeln. Wie erwartet, war die Japanerin Yuka Kaneyoshi auf der Spitzenposition aufgeboten, während Josi Neumann gemeinsam mit Griesel im hinteren Paarkreuz aufschlug. Einige Sätze zu Berlins Nummer eins scheinen angebracht: In der Tat ist das Abwehr-Ass aus Fernost mit seinen 18 Jahren bereits eine internationale Topspielerin, nicht von der Weltrangliste, auf der sie gegenwärtig die reichlich absurde Position 353 einnimmt, sehr wohl aber, wenn man betrachtet, wem sie in der Bundesliga das Nachsehen gibt. Wer in den Punktspielen eine Chien Chung-Tuan, eine Yuan Wan, eine Byun Seoyoung und eine Anna Hursey besiegt und dann im gestrigen Play-off-Hinspiel eine Annett Kaufmann sowie eine Hana Arapovic letztlich klar auf Distanz hält, spielt schlicht und einfach auf unfassbar hohem Niveau – und das mit 18! Mit ihrer Verpflichtung hat der ttc eastside einen vorzüglichen Griff getan.

Schon im Doppel glänzte sie gegen den Gast aus Oberbayern. An der Seite von Mia Griesel verbuchte man ein glattes 3:0 gegen Swastika Ghosh und Kristin Lang – das andere Doppel schnappte sich die, wie immer, prächtig harmonierende Kombination Sabina Surjan/Josi Neumann (3:1 gegen Annett Kaufmann/Hana Arapovic).

Kolbermoor war zu fünft angereist und entschied sich in den Einzeln dann für die Formation Kaufmann, Arapovic, Ghosh und Gotsch. Das war keine schlechte Idee, denn die 21-jährige Inderin Swastika Ghosh war in Berlin richtig gut aufgelegt und rechtfertigte ihren Einsatz mit Siegen gegen Josi Neumann und Mia Griesel, beide ohne Satzverlust. Sie war es, die ihrem Team letztlich das Remis rettete.

Zweimal 3:0: Swastika Ghosh (Foto Roscher).

Neben den beiden Doppeln sowie der bombastisch sicheren Kaneyoshi konnte noch Mia Griesel einen Punkt für den Gastgeber verbuchen – in ihrem ersten Einzel verbuchte das 19-jährige Toptalent ein auch taktisch clever herausgespieltes 3:1 (11:6, 8:11, 11:6, 11:9) gegen Kolbermoors Defensiv-Ikone Qianhong Gotsch. Der Punkt zum 4:1 für eastside, dem kurz darauf im Spitzeneinzel Kaneyoshis Zähler zum 5:2 folgte.

Doch Kolbermoor ließ sich keine Sekunde hängen und zeigte bis zum letzten Ball Biss und hohe Motivation. Berlin ließ im zweiten Einzeldurchgang etwas nach und die Bayern erhöhten nochmals die Schlagzahl, zudem wirkten sie unglaublich fokussiert. Sie wollten auch nach dem klaren Rückstand wenigstens noch das Remis und verdienten es sich. Neben Kaufmanns 3:2 über Surjan und den beiden Ghosh-Erfolgen trugen sich auch Hana Arapovic (3:1 gegen Surjan) sowie am Ende auch noch „Hongi“ Gotsch in die Siegerliste ein, die gegen die 15-jährige Josi Neumann zwar über die volle Distanz gehen musste, jedoch den längeren Atem und die bei weitem größere Erfahrung in die Waagschale werfen konnte.

Das Rückspiel am Sonntag verspricht erneut eine ganze Menge, sowohl was die spielerische Klasse als auch den Spannungsfaktor betrifft. Eine Zuschauerzahl von 250, vielleicht sogar 300 in der B2X-Arena wäre gewiss keine Sensation.

STIMMEN ZUM SPIEL

Andreas Hain, Manager ttc berlin eastside: „Es war ein enges Match, wie wir es erhofft haben. Sicherlich sind wir etwas enttäuscht, weil nach einer 5:2 Führung will man eigentlich gewinnen. In Kolbermoor sind wie sicherlich wieder der klare Außenseiter, aber wir spielen einfach mal das Match und dann sehen wir weiter. Unser junges Team hat toll gekämpft und sicherlich viel gelernt für die nächsten Jahre. Wichtig war, dass wie auf Augenhöhe mit Kolbermoor waren und die sind ja nach Einschätzung der anderen Vereine der große Favorit auf den Titel. Bei uns ist jetzt alles auf das Champions-League-Finale ausgerichtet. Ein Bundesliga-Halbfinale kurz davor passt so gar nicht in unser Konzept. Von daher nehmen wir es, wie es kommt und sehen alles ganz gelassen.“

Florian Wiesener (Co-Trainer u. Vorstandsmitglied SV DJK Kolbermoor): “Es war das erwartete enge und umkämpfte Spiel. Der 0:2-Start in den Doppeln war natürlich nicht in unserem Sinne, doch wir haben uns weder davon noch von weiteren Rückständen im Spielverlauf aus dem Konzept bringen lassen und eine starke kämpferische Leistung gezeigt. Gegen die japanische Abwehrspielerin, die an diesem Abend die stärkste Spielerin der Berlinerinnen war, hatten Annett und Hana bei ihrem ersten Aufeinandertreffen noch Schwierigkeiten, haben sich aber dennoch gut geschlagen. Sie wissen nun, was sie am Sonntag erwartet und wie sie ihr Spiel darauf anpassen müssen. Insgesamt war es eine geschlossene Teamleistung von uns, die große Anerkennung verdient. Am Sonntag wollen wir an die heutige Leistung anknüpfen und genauso entschlossen um den notwendigen Sieg kämpfen wie heute. Die Karten werden neu gemischt – und mit unseren Fans im Rücken gehen wir positiv in das Spiel am Sonntag.“

Mia Griesel musste diesmal mit je einem Punkt im Einzel und Doppel Vorlieb nehmen (Foto Roscher).

ESV Weil – TSV Langstadt 5:5

Eine Werbung für das Damentischtennis: Das mag abgedroschen klingen, doch jawohl, das war es, was beide Teams am Freitagabend den Fans in der ausverkauften Turnhalle der Weiler Leopoldschule unglaubliche 255 Minuten lang boten. In einer dramatische Partie, die scheinbar gar nicht enden wollte, und in der sich die beiden Rivalen aus Südbaden und Südhessen nicht einen einzigen Ball schenkten.

Der Gastgeber, wie angekündigt, in Topbesetzung, mit Anna Hursey, Ievgeniia Sozoniuk, Daniele Ortega und Lea Lachenmayer, im Doppel zudem mit Kornelija Riliskyte, der Gast erstmals seit dem 24. November 2024 wieder mit der Thailänderin Orawan Paranang auf der Spitzenposition, der in der Aufstellung Chantal Mantz, Izabela Lupulesku und Sophia Klee folgten.

Langstadt legte im Dreiländereck los wie die Feuerwehr und gewann beide Doppel: Paranang/Klee gaben keinen Satz ab gegen Ortega/Riliskyte, während Mantz/Lupulesku gegen Hursey/Sozoniuk ordentlich zu kämpfen hatten, bis ihr 3:2-Erfolg in trockenen Tüchern war. Ein Traumstart für die Truppe aus dem Babenhausener Stadtteil, der mit circa 1.600 Einwohnern dörflichen Charakter besitzt.

In den Einzeln war der ESV dagegen nicht bloß gleichwertig, man gewann fünf und verlor lediglich drei dieser Matches, wobei die Hessinnen aber mehrfach den berühmt-berüchtigten Sack nicht zumachen konnten. So stand Chantal Mantz in beiden Einzeln dicht vor einem Sieg, konnte aber gegen Anna Hursey und gegen Ievgeniia Sozoniuk Matchbälle nicht verwerten und ging leer aus. Und Sophia Klee schien im letzte Match des Abends gegen Defensivstrategin Lea Lachenmayer lange auf einen Sieg zuzusteuern, doch am Ende wurde die 20-jährige Weilerin immer sicherer und traf auch gut mit ihren platzierten Vorhand-Angriffsbällen, während die ein Jahr ältere Langsstädterin zunehmend Nervosität zeigte. Somit durfte der ESV nach zwischenzeitlichem 2:5-Rückstand noch das letztlich nicht unverdiente Remis bejubeln.

Den Gästen blieben nur die beiden Einzelerfolge von Orawan Paranang (3:0 gegen Ievgeniia Sozoniuk, 3:1 gegen Anna Hursey) sowie der glatte 3:0-Sieg von Izabela Lupulesku über Lea Lachenmayer.

Orawan Paranang erwies sich in Weil als die „Lebenversicherung“ des TSV Langstadt (Foto Roscher).

Für das nimmermüde Team aus dem Dreiländereck, das eindrucksvoll unter Beweis stellte, weshalb es in dieser Saison schon nahezu alle Favoriten geschlagen hat – lediglich gegen Dachau hieß es am Ende des Rückspiels „nur“ 5:5 – punkteten in den Einzeln Anna Hursey (3:1 gegen Chantal Mantz), Ievgeniia Sozoniuk (3:2 gegen Mantz) und Lea Lachenmayer (3:2 gegen Klee). Die Beste an jenem denkwürdigen Tischtennisabend war aber die Weiler Entdeckung der Saison, die 26-jährige Chilenin Daniele Ortega. Die Südamerikanerin, die schon in der Punktrunde mit einer 10:5-Bilanz geglänzt hatte, spielte wie aus einem Guss und ließ sowohl Klee (3:0) als auch Lupulesku (3:1) keine echte Chance.

STIMMEN ZUM SPIEL

Doris Spiess, Abteilungsleiterin ESV Weil: “Es war ein Play-off-Spiel, das alles aufbot, was Tischtennis zu bieten hat. Tolle Spiele, begeisterte Zuschauer und Spielerinnen die sich nichts schenkten. Nach dem 0:3- und 2:5-Rückstand noch das Unentschieden zu schaffen, war schon grandios. Es war eine unglaublich tolle Atmosphäre, alle kämpften bis zum Ende. Dabei hätte es bereits eine 2:6-Niederlage geben können, als sich Ievgeniia Sozoniuk gegen Chantal Mantz zurückkämpfte und beim 16:14 im Entscheidungssatz das Spiel offen hielt. Spannung pur war dann auch das letzte Spiel zwischen Lea Lachenmayer und Sophia Klee. Über vier Stunden dauerte es, bis der letzte Ballwechsel das Unentschieden sicherte. Langstadt erwies sich als der erwartet schwere Gegner. Wir sind auf jeden Fall super zufrieden mit dem Ergebnis.“

Anna Rauch, Trainerin TSV Langstadt: “Das war das erwartete enge Match. Wir sind zwar gut mit zwei Doppelsiegen gestartet, es war aber immer klar, dass es am Ende noch knapp werden kann. Weil hat nie aufgegeben und noch den erhofften Punkt geholt. Viel hat sich an der Ausgangsposition für das zweite Match aber nicht geändert. Wir werden zu Hause alles geben, um vor den heimischen Fans zu gewinnen.“

Manfred Kaemmerer, Sportlicher Leiter TSV Langstadt: “Das war heute eine ganz andere Mannschaft als in der Rückrunde. Wir haben von Anfang an voll dagegengehalten. Die knappen Spiele haben wir heute leider verloren, Chantal Mantz hatte in beiden Spielen Matchball, aber so müssen wir das Unentschieden akzeptieren. Wir hoffen auf eine volle Halle in Langstadt.“

DER MODUS

Über die Play-offs sowie das Golden Match sollte man folgendes wissen: Der Modus ist einfach. Sieger einer Play-off-Runde ist die Mannschaft, die beide Spiele gewinnt, was nach den Ergebnissen des Freitags natürlich bereits nicht mehr möglich ist. Steht es nach den beiden Spielen unentschieden, also auch bei zweimal 5:5, wird ein Entscheidungsspiel direkt im Anschluss an das Rückspiel ausgetragen, das sogenannte Golden Match. Es werden nochmals zwei Doppel und vier Einzel gespielt. Dabei besteht jedes Spiel aus nur einem Satz, der bis zum elften Gewinnpunkt gespielt wird, ohne Verlängerung. Sieger ist diejenige Mannschaft, die zuerst vier Punkte erzielt. Sollte es nach den sechs Spielen 3:3 stehen, entscheidet die Balldifferenz. Ist auch diese gleich, wird jeweils eine Spielerin pro Mannschaft benannt, die in einem Satz bis sechs Punkte ohne Verlängerung (Aufschlagwechsel nach jedem Punkt) das Siegerteam ermitteln. Es geht dann Schlag auf Schlag – viel schneller, als es sich manche vorstellen, die es noch nicht erlebt haben -, und die Atmosphäre ist hoch emotional und richtig prickelnd.

RÜCKSPIELE AM SONNTAG

TSV Langstadt – ESV Weil

SV DJK Kolbermoor – ttc berlin eastside (beide 14 Uhr)

Livestream Langstadt: https://tsv-langstadt.de/tischtennis/livestream

Livestream Kolbermoor: https://www.youtube.com/live/OpL7hQTIigY

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Liveticker

Beitragsbild oben: Weils Ievgeniia Sozoniuk zeigte sich nervenstark und gewann das wichtige Match gegen die Langstädterin Chantal Mantz mit 16:14 im Entscheidungssatz (Foto Roscher).

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