Jena mit furiosem Saisonstart, Dachaus gelungene Premiere, Berlin startet mit Heimsieg

Von Stephan Roscher|September 24, 2023|bundesliga

Gleich zum Rundenauftakt gelang dem vermeintlichen Underdog aus Jena mit dem 6:3-Erfolg gegen Weinheim eine faustdicke Überraschung. Rekordchampion Berlin ließ beim 6:4 im Heimspiel gegen Bingen nichts anbrennen, auch wenn die Gäste gut dagegenhielten. In Dachau hatte man den Fans ein Bundesligafest versprochen. Man hielt auch in sportlicher Hinsicht Wort und konnte einen 6:2-Sieg gegen die SV Böblingen bejubeln.

Manche hatten es vermutet, viele jedoch sind überrascht: Die 1. Bundesliga Damen hat mit Aufsteiger SV SCHOTT Jena ein starkes Team dazu gewonnen. Die Thüringerinnen lieferten Vizemeister TTC 46 Weinheim, der allerdings ohne die verletzte Spitzenspielerin Bruna Takahashi auskommen musste, einen tollen Fight und brachten am Ende einen beinahe sensationellen 6:3-Sieg ins Ziel.

Über einen tadellosen Saisonstart durfte sich der TSV Dachau, vormals als TSV Schwabhausen unterwegs, bei seiner Premierenvorstellung im Oberhaus freuen: Das Team aus Oberbayern präsentierte sich bem 6:2 über die SV Böblingen in beeindruckender Frühform.

Der amtierende Meister ttc berlin eastside, der ohne Nina Mittelham und Britt Eerland spielte, hatte vor heimischer Kulisse gegen die unbeschwert aufspielende TTG Bingen/Münster-Sarmsheim harte Arbeit zu verrichten, bis nach exakt drei Stunden der 6:4-Erfolg feststand.

TSV Dachau 65 – SV Böblingen 6:2

175 begeisterte Zuschauer erlebten eine rundum gelungene Dachauer Premierenvorstellung, bei der – aus Sicht des Gastgebers – einfach alles passte. Hatte man in der letzten Saison, inklusive Play-offs, noch dreimal 5:5 gespielt und einmal sogar Böblingen knapp die Oberhand behalten, drehten die Oberbayern diesmal den Spieß auf überzeugende Weise um.

Sabine Winter überragte mit zwei Einzelerfolgen – Annett Kaufmann und Qianhong Gotsch konnten jeweils in vier Sätzen geschlagen werden – sowie einem Sieg im Doppel an der Seite von Liu Yangzi. Erfolgreich beim Gastgeber waren ferner Liu Yangzi (3:1 gegen Annett Kaufmann), Orsolya Feher (3:1 gegen Mitsuki Yoshida) sowie Neuzugang Tin-Tin Ho (3:0 gegen Alexandra Kaufmann). Die 25-jährige Engländerin zeigte sich deutlich überlegen. Für die Schwäbinnen konnte in den Einzeln lediglich “Hongi” Gotsch punkten (3:0 gegen Liu Yangzi) – im Doppel trugen sich Mitsuki Yoshida und Annett Kaufmann in die Siegerliste ein.

Der einzige Einzelpunkt für die Sportvereinigung Böhlingen gelang einmal mehr Qianhong Gotsch (Foto Roscher).

„Wir wurden echt super unterstützt von den Fans und haben uns in einen Rausch gespielt“, freute sich Dachaus Trainer Alexander Yahmed. „Das Ergebnis ist aber zu hoch ausgefallen und zeigt nicht, wie knapp es eigentlich war. Insgesamt hat mein Team jedenfalls eine top Leistung gebracht und, wie ich finde, verdient gewonnen.“

Auch Abteilungsleiter Winfried Höser strahlte nach Ende der unterhaltsamen 155 Minuten. „Sehr spannende und hochklassige Spiele, wie auch gestern schon bei der Zweitliga-Partie, die 6:4 gegen Offenburg gewonnen wurde“, so Höser. „Insgesamt 175 Zuschauer waren durchweg begeistert, nicht zuletzt wegen der spannenden Spiele und dem Traumergebnis für Dachau. Ein Einstand nach Maß. Auch die Spielerinnen haben sich rundherum wohl gefühlt. Die Organisation und das Drumherum mit Grillen, Ansprachen etc. hat perfekt funktioniert und „Rundlauf“ und Mini-Tischtennis für die Kleinen in der Pause kamen gut an.“

SVB-Coach Sönke Geil zeigte sich vom Ergebnis wenig überrascht: „Wir haben unser Bestes gegeben, aber am Ende war nicht mehr drin. Annett hat viel trainiert, sie hat gekämpft, ihr fehlte zuletzt aber wohl die Wettkampfpraxis. Am hinteren Paarkreuz waren wir gegen starke Dachauerinnen nicht gut genug.“

Das erste Böblinger Heimspiel steigt in zwei Wochen gegen Aufsteiger Jena. Dessen Auftaktpartie am Sonntag hat gezeigt, dass auch dies keine Pflichtübung zu werden verspricht. Winter und Co. bestreiten, erneut vor heimischer Kulisse, am 14. Oktober das Bayern-Derby gegen Kolbermoor. Eine Partie, auf die man sich jetzt schon freut.

ttc berlin eastside – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim 6:4

Ohne seine beiden Topspielerinnen Nina Mittelham und Britt Eerland musste sich der Rekordmeister gegen die frech aufspielenden Rheinhessinnen schon ein wenig quälen, bis der erste Saisonsieg unter Dach und Fach war. Unter dem Strich zählt aber aus Sicht des ttc eastside nur, dass die ersten beide Punkte unter Dach und Fach sind. Und für Bingen ist es wichtig, dass man gut in die Saison gekommen ist und sich nicht als „Opferlamm“ präsentiert hat.

Gewohnt zuverlässig: Ding Yaping (Foto: Maria Wohllaib).

Ding Yaping und Ran Li-Kath überragten mit jeweils zwei Einzelsiegen. Ding gab Lea Rakovac (3:2) und Katerina Tomanovska (3:0) das Nachsehen, Li-Kath büßte weder gegen Elena Kuzmina noch gegen Karolina Mynarova einen Satz ab. Einen weiteren Punkt steuerte Toptalent Josi Neumann mit einem glatten 3:0-Efolg über Karolina Mynarova bei. Auch das Berliner Doppel Surjan/Neumann wusste zu gefallen beim 3:0 über Rakovac/Mynarova. Auf Bingener Seite waren Katerina Tomanovska und Lea Rakovac – beide schlugen Sabina Surjan ohne Satzverlust – sowie Elena Kuzmina (3:2 gegen Josi Neumann) erfolgreich. Im Doppel punkteten Tomanovska/Kuzmina.

“Gelungener Saisonauftakt für uns“, zeigte sich eastside-Manager Andreas Hain zufrieden. „Ding Yaping und Ran Li Kath haben überragend gespielt. Aber auch Josi Neumann konnte überzeugen. Etwas von der Rolle war heute Sabina Surjan. Wie ich schon sagte, es wird viele enge Spiele geben und wir sind froh, heute eines davon gewonnen zu haben.“

„Wir sind sehr zufrieden mit unserem Spiel“, so Bingens „Chef“ Joachim Lautebach. „Wir haben nach Meinung aller, die das Spiel gesehen haben, eine sehr gute Leistung gebracht. Auch wenn bei Berlin Mittelham und Eerland gefehlt haben, muss man bei einem auf allen Positionen so stark besetzten Team erst mal so gut mithalten wie wir heute.“ Vielleicht wäre sogar ein Punktgewinn drin gewesen: „Wir hatten die Chance auf ein Unentschieden, das nicht einmal unverdient gewesen wäre. Lea Rakovac hat leider aber im fünften Satz knapp gegen Ding Yaping verloren. Ansonsten haben beide vorne stark gespielt, besonders gegen Surjan.“

Kämpfte wie immer mit Herzblut um jeden Ball: Lea Rakovac (Foto: Maria Wohllaib).

Lautebach bilanziert: „Wir sind froh, dass wir uns so gut verkauft haben und sind mit dem Saisonauftakt wirklich zufrieden. Wir haben gut gespielt und dazu beigetragen, dass die Zuschauer ein schönes Spiel erleben konnten.“ Bingens Vorsitzender fügt augenzwinkernd hinzu: „Ja, unsere alte, unheimlich verdiente Ding Yaping hat uns heute einen Punktgewinn vermasselt. Sie ist wirklich eine Galionsfigur und was sie mit über 50 Jahren noch bringt, ist schon aller Ehren wert. Eine solche Spielerin würde uns sicher auch gut tun.“

Am 07.10. sind die Hauptstädterinnen beim TSV Langstadt gefordert, während die TTG erst am 15. erstmals vor heimischer Kulisse auftritt. Der Gegner ist auch hier Langstadt – eine Partie, bei der man kaum eine Prognose wagen kann.

Schon ganz gut, aber noch Luft nach oben: Berliner Team gegen Bingen, v.l. Sabina Surjan, Ran Li-Kath, Ding Yaping, Josi Neumann (Foto: Maria Wohllaib).

SV SCHOTT Jena – TTC 1946 Weinheim 6:3

Was für ein Spiel! Die 120 Fans in der Turnhalle der Janisschule trauten ihren Augen nicht, wie stark ihr Team bei seiner Debütvorstellung in der Beletage des deutschen Damentischtennis aufspielte.

Natürlich war der Gast aus Weinheim gehandikapt ohne seine an der Schulter verletzte Spitzenspielerin Bruna Takahashi und mit einer Yuan Wan, die sich bei einem Sturz im Doppel eine schmerzhafte Prellung am Knie zuzog und nach zehnminütiger Behandlungspause mit angezogener Handbremse weiterspielte, aber immerhin noch mit taktischer Cleverness ein Einzel gewann.

Doch den mitreißenden Auftritt des Liganeulings soll dies in keiner Weise schmälern. Nach dem Zwischenstand von 2:3 spielten sich die hoch fokussierten Thüringerinnen – fraglos eine prächtig harmonierende Truppe mit gutem Potenzial – in einen kleinen Rausch und gewannen vier Matches in Folge.

Jenas Spielerinnen versprühten schon bei der Präsentation der Teams gute Laune (v.l. Misuzu Takeya, Ece Harac, Valerija Mühlbach, Koharu Itagaki – links Trainer Ralf Hamrik (Foto Roscher).

Überragend spielte Jenas Nummer eins, die 15-jährige Japanerin Misuzu Takeya, deren fulminantes Offensivspiel die Zuschauer zu Beifallsstürmen veranlasste. Takeya besiegte Mateja Jeger (3:0) und Yuan Wan (3:2). Zudem punktete sie im Doppel an der Seite von Ece Harac.

Spielt mit 13 schon ganz schön clever: Koharu Itagaki (Foto Roscher).

Auch die 13-jährige Koharu Itagaki (Foto Roscher) hinterließ bei ihrer Bundesligapremiere einen vorzüglichen und vor allem ungemein nervenstarken Eindruck. Itagaki besiegte Sophia Klee in fünf Sätzen, ihr zweites Einzel gegen Daria Trigolos kam nicht mehr in die Wertung. Doch auch da lag Jenas “Nesthäkchen” in Front. Die starke Ece Harac ließ Mateja Jeger beim 3:0 keine Chance und Valerija Mühlbach machte mit einem überraschenden 3:0 gegen Sophia Klee den sprichwörtlichen Sack zu – die Halle stand Kopf.

Für den Vizemeister, der nie richtig in sein Spiel fand und besonders in der zweiten Hälfte der packenden Partie etwas nervös wirkte, waren Yuan Wan (3:0 gegen Ece Harac) und Daria Trigolos (3:1 gegen Valerija Mühlbach) sowie das Doppel Jeger/Trigolos erfolgreich.

Yuan Wan versuchte alles, auch nach ihrem Sturz und den schmerzhaften Folgen, doch auch sie konnte ihr Team nicht zum Punktgewinn führen (Foto Roscher).

Nach Ende der spannenden, phasenweise sogar dramatischen Partie war der Jubel im Jenaer Lager groß. Man hatte unter den Augen von zahlreichen Ehrengästen die Chance genutzt, Imagewerbung für das nagelneue „Produkt“ Bundesliga-Tischtennis in der traditionsreichen Universitätsstadt zu betreiben. Zudem hat man eine erste Duftmarke gesetzt und demonstriert, dass man gekommen ist, um zu bleiben.

Kurz nach Spielende sagte Trainer Ralf Hamrik: „Eigentlich muss ich das erst mal sacken lassen, was wir heute erlebt haben. Irgendwann hatte unser Team den Punkt erreicht, wo einfach alles lief. Wir sind jedenfalls sehr, sehr glücklich.“

Auf den Punkt hoch fokussiert: Valerija Mühlbach machte Jenas Überraschungscoup perfekt (Foto Roscher).

„Ein toller Tag für uns, auch wenn wir sicher etwas Glück hatten. Aber das braucht man halt auch, um ein solches Spiel zu gewinnen“, so Abteilungsleiter Andreas Amend. „Und wir haben uns dieses Glück auch erarbeitet, indem wir von Anfang an gut mitgespielt haben und immer dran geblieben sind. Dann kam irgendwann der Punkt, an dem unsere Spielerinnen alle Scheu abgelegt und an die Siegchance geglaubt haben. Und das haben sie dann eindrucksvoll am Tisch gezeigt.“ Amend, der überdies sehr zufrieden war, dass das „Drumherum“ bei der Bundesligapremiere durch das Engagement vieler freiwilliger Helfer aus dem Verein prima gemanagt wurde, bilanzierte: „Ich freue mich sehr, dass wir das Abenteuer 1. Liga so gut beginnen und dabei noch Werbung für unseren tollen Sport machen konnten. Für das Selbstvertrauen war dieser Sieg heute sehr wichtig, denn die Saison ist lang und es werden noch viele schwere Spiele auf uns zukommen.“

Spielt mit viel Power und Biss: Misuzu Takeya (Foto Roscher).

Vivien Scholz, die diesmal noch nicht zum Einsatz kam, aber ihr neues Team natürlich vom ersten bis zum letzten Ball anfeuerte, freute sich: „Das war eine tolle Leistung von uns in einem echten Tischtennis-Krimi. Dass wir so gut in die Saison starten würden, hätten sicher viele nicht für möglich gehalten.“

Yuan Wan zeigt Sophia Klee ihren Aufschlag an (Foto Roscher).

Natürlich konnte man in Weinheim unter dem Strich nicht zufrieden sein mit der Auftaktpartie. Auch ohne Bruna Takahashi hatte das aufgebotene Quartett eine hohe Qualität, konnte diese in Jena aber zu selten an den Tisch bringen – gerade in den spielentscheidenden Momenten haperte es. Trainer Andreas Dörner räumte ein: „Kein guter Auftakt für uns. Wir haben unser Potenzial nicht voll ausgeschöpft und waren in den wichtigen Momenten nicht stabil genug. Jena hat natürlich sehr gut und fokussiert gespielt und hat uns nicht davonziehen lassen. Sie sind immer dran geblieben und haben dann gemerkt, dass hier etwas ging und sich in einen kleinen Rausch gespielt. Wir müssen natürlich auch das zweite Doppel gewinnen, da hatten wir so viele Siegchancen. Hätten wir das nach Hause gebracht, wäre die gesamte Partie anders gelaufen.“ Natürlich war sein Team auch nicht gerade vom Glück verfolgt. „Das mit der Verletzung von Yuan war natürlich bitter“, so Dörner. „Man muss anerkennen, dass sie trotzdem alles versucht hat, aber sie musste praktisch aus dem Stand weiterspielen.“

Gutes Comeback im Weinheimer Dress, doch es reichte für ihr Team nicht zum Punktgewinn: Daria Trigolos (Foto Roscher).

Bereits am kommenden Sonntag hat der TTC die Gelegenheit, sich in heimischer Halle gegen Langstadt in einem Spiel mit Derbycharakter vor gewiss guter Kulisse zu rehabilitieren. Jena gibt eine Woche später in Böblingen seine Visitenkarte ab. Vor dem Spiel gegen Weinheim hätte man die drei Worte „als klarer Außenseiter“ hinzugefügt. Nun aber scheint es geboten, sich mit solchen Einschätzungen bis auf Weiteres zurückzuhalten.

Valerija Mühlbach hatte reichlich Grund zur Freude nach einer Achterbahnfahrt der Emotionen (Foto Roscher).

Links

1. Bundesliga Damen auf tischtennis.de

1. Bundesliga Damen auf click-TT: Spielplan, Infos und Tabelle

Liveticker

1. Spieltag am Sonntag: Bundesligapremieren in Dachau und Jena – Meister Berlin empfängt Bingen

Drei Wochen bis zum Rundenstart: Acht Teams in den Startlöchern

Beitragsbild oben: Tadelloser Auftritt des Aufsteigers: SV SCHOTT Jena, v.l. Ece Harac, Valerija Mühlbach, Misuzu Takeya, Koharu Itagaki, Vivien Scholz (Foto Roscher).

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