Titelverteidiger ttc berlin eastside steht als erster Finalist fest

Von Stephan Roscher|Juni 23, 2024|bundesliga

5:5 gegen extrem starke Dachauerinnen

Der ttc berlin eastside steht in den Endspielen um die Deutsche Meisterschaft, die am kommenden Freitag und Sonntag ausgetragen werden. In einer Woche also könnte der Hauptstadtklub zum zehnten Mal den nationalen Titelgewinn feiern, was der Finalgegner natürlich verhindern möchte. Allerdings hatte man vor über 150 Fans bei der Premiere in der tollen runderneuerten Halle im Sportkomplex Paul-Heyse-Straße erhebliche Mühe, um gegen einen gegenüber dem 0:6 im Hinspiel nicht wiederzuerkennenden TSV Dachau mit einem Remis die Kurve zu nehmen und sich das durchaus mögliche Golden Match zu ersparen.

Großen Respekt vor dem Team aus Bayern, das – obwohl unverändert ohne Sabine Winter, Alina Nikitchanka und Orsolya Feher – große Moral bewiesen hat, nach der „Klatsche“ am Freitagabend derart eindrucksvoll zurückzukommen. Und das mit zwei jungen Ersatzspielerin aus der zweiten Mannschaft, die erstaunlich gut mithielten. Man muss aber auch erwähnen, dass der Serienmeister ebenso personell nicht aus dem Vollen Schöpfen konnte und erneut auf die angeschlagenen Shan Xiaona und Josi Neumann verzichten musste.

Dachaus 2:0-Start in den Doppeln kam unerwartet und war letztlich der Türöffner für eine bis zum letzten Ballwechsel spannende Partie, die eines Meisterschafts-Halbfinales würdig war. Der Tausch von Doppel eins und zwei im Vergleich zum Hinspiel hatte bei den Bayern gefruchtet, Tin-Tin Ho/Emine Ernst siegten mit 3:1 gegen Nina Mittelham/Britt Eerland und Liu Yangzi/Theresa Faltermaier nach 0:2-Satzrückstand noch mit 3:2 gegen Ding Yaping/Sabina Surjan.

Im vorderen Paarkreuz schien der hohe Favorit wieder auf Kurs zu kommen. Nina Mittelham gewann gegen eine recht starke Tin-Tin Ho in vier Sätzen und auch Britt Eerland wiederholte ihren Sieg vom Freitag, wenn auch knapper, und fing Liu Yangzi nach 1:2-Rückstand noch in fünf Durchgängen ab. Ding Yaping hatte mit ihrem virtuosen Defensivspiel erwartungsgemäß kaum Mühe mit dem 15-jährigen TSV-Toptalent Theresa Faltermaier, doch am Nebentisch sorgte die 20-jährige Holländerin Emine Ernst für einen Paukenschlag und bezwang tatsächlich Sabina Surjan in fünf Durchgängen. Beim Stand von 7:7 im Entscheidungssatz punktete Ernst viermal in Folge.

Überraschungssiegerin gegen Sabina Surjan: Emine Ernst, die auch ihr Doppel mit Tin-Tin Ho gewann (Foto Roscher).

3:3 und nach dem nachfolgenden zweiten Durchgang im Spitzenpaarkreuz sah es gar nicht mehr rosig aus für den Gastgeber – eine bärenstarke Liu Yangzi hielt sich in ihrem letzten Match für Dachau an der Weltranglisten-17. Nina Mittelham schadlos, und das sogar mit 3:0. Als dann auch noch Britt Eerland der Engländerin Tin-Tin Ho, die wirklich glänzend aufgelegt war, nach einer 1:3-Niederlage gratulieren musste, war das Golden Match nicht mehr allzu fern. Schließlich stand es nun 5:3 für den TSV Dachau.

Es knisterte vor Spannung und der ttc eastside musste nun beide Einzel des hinteren Paarkreuzes gewinnen, um ein „Roulette der Nerven“ am Ende zu vermeiden. Zwar hatte Surjan-Bezwingerin Ernst nicht den Hauch einer Chance gegen Ding und verbuchte ganze sieben Punkte in allen drei Sätzen zusammen, doch alles hing nun vom Duell zwischen Surjan und Faltermaier ab. Die junge Dachauerin hatte nichts zu verlieren und Berlins Serbin hatte sowohl im Doppel als auch in ihrem ersten Einzel nicht überzeugen können. Somit wollte man keine Wetten abschließen und es wurde in der Tat ein sehenswertes Match, in dem beide weitgehend auf Augenhöhe agierten. Faltermaier schnappte sich den ersten Satz in der Verlängerung, Surjan erhöhte die Schlagzahl und gewann die Sätze zwei und drei jeweils mit 11:8. Der vierte Durchgang war dann wieder nichts für schwache Nerven: Faltermaier führte 5:1 und 7:3, es fehlten nur vier Punkte zum Entscheidungssatz. Doch Surjan resignierte nicht und kämpfte sich auf 6:7 heran, konnte kurz darauf aber die 9:7-Führung ihrer jungen Gegnerin nicht verhindern. Dreimal punktete die Berlinerin sodann und hatte bei 10:9 ihren ersten Matchball, den Faltermaier noch abwehren konnte. Beim Stand von 11:10 nutzte Surjan 30 Sekunden später jedoch ihren zweiten Matchball und ließ ihr Team und die Fans tief durchatmen.

Ein sehenswertes Spiel von gut dreieinhalb Stunden war mit einem letztlich gerechten Remis zu Ende gegangen. Und für die Zuschauer war es auch in Ordnung, eigentlich sogar eine perfekte Dramaturgie, bei der so lange herbeigesehnten Premiere in der alten und zugleich neuen Tischtennis-Arena keinen langweiligen Pflichtsieg gegen einen chancenlosen Gegner zu erleben, sondern eine total spannende Partie auf Augenhöhe, die aus ihrer Sicht aber doch ein Happyend fand. Denn ungeachtet der sportlichen Klasse des Berliner Kaders, wäre ein Golden Match doch eine recht unsichere Angelegenheit gewesen, da dem „Underdog“ an jenem denkwürdigen Tischtennis-Nachmittag doch manches gelungen war, das man ihm vorher nicht zugetraut hätte.

Begeistert war eastside-Präsident Alexander Teichmann dennoch nur von der schmucken Halle und dem tollen Ambiente, nicht aber von der Leistung des Berliner Teams. „Das war heute eine ganz schwache Leistung unserer Mannschaft. Ohne Fokus wurde der Gegner auf die leichte Schulter genommen und nach den schwachen Doppeln sogar noch aufgebaut. Wenn wir so im Finale antreten, dann wird das mit der Titelverteidigung nichts“, so Teichmann nach dem Spiel. „Positiv war eigentlich nur, dass wir dem Druck standgehalten und die nötigen fünf Punkte geholt haben. Und erneut war es Yaping, auf die man sich zumindest in den Einzeln verlassen konnte.“

Behielt die Nerven in dem engen Match gegen Theresa Faltermaier: Sabina Surjan (Foto Roscher).

Ungleich positiver fiel der Blick von Dachaus Trainer Alexander Yahmed auf das Spiel aus: „Ein großes Lob an mein Team, jede hat sich das erste Spiel zu Herzen genommen und sich ein bisschen weiter entwickelt. Ich fand, dass alle etwas besser waren als am Freitag und etwas genauer wussten, was zu machen ist oder was nötig ist, um so ein Team ins Wanken zu bringen. Wir waren kurz vor der Sensation und sind uns dessen bewusst. Das war eine starke Leistung. Glückwunsch an Berlin, die verdient weitergekommen sind.“

Der Finalgegner der Hauptstädterinnen wird zurzeit in der Partie Weinheim vs. Langstadt ermittelt. Dort scheint alles möglich zu sein, denn der Gast aus Hessen, der das Hinspiel mit 4:6 verloren hatte, liegt momentan in Führung.

Update 18.15 Uhr: Berlins Finalgegner steht fest. Wie im Vorjahr treffen die Hauptstädterinnen auf den TTC 46 Weinheim, der zwar das Rückspiel gegen den TSV Langstadt mit 4:6 verlor, jedoch im anschließenden Golden Match mit 4:0 die Oberhand behielt. Gespielt wird am kommenden Freitag in Weinheim sowie am Sonntag in Berlin.

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Beitragsbild oben: Nina Mittelham konnte heute zwar „nur“ gegen Tin-Tin Ho punkten, hatte in der Gesamtabrechnung beider Halbfinals aber mit zwei Einzelsiegen und einem Erfolg im Doppel maßgeblichen Anteil am Berliner Finaleinzug (Bild: Dr. Stephan Roscher).

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