Tage der Wahrheit: Vier Teams fiebern den Halbfinals entgegen

Von Stephan Roscher|Juni 20, 2024|bundesliga

Langstadt duelliert sich mit Weinheim, Dachau will Serienmeister Berlin ärgern

Am 28. April hatte der TSV Langstadt den Viertelfinalkrimi gegen Bingen nach einem aufwühlenden Golden Match zu seinen Gunsten entschieden und der TSV Dachau nach überragender Leistung den bayerischen Rivalen Kolbermoor ausgeschaltet. Danach war Warten angesagt, genauer gesagt acht Wochen, die Teams aus Berlin und Weinheim pausierten sogar sage und schreibe elf Wochen. Eine lange Zeit, die für die Spielerinnen allerdings mit zahlreichen internationalen Turnieren sowie zuletzt den TT-Finals in Erfurt gut ausgefüllt war. Nun aber geht es endlich um die Wurst. Am Freitag und Sonntag werden die beiden Meisterschaftsfinalisten ermittelt und alles ist angerichtet für hochklassige, spannende Duelle zwischen Langstadt und Weinheim sowie Dachau und Berlin. In der Hauptstadt kommt es am Sonntag überdies zu einer ganz besonderen Premiere.

Freitag, 18.00 Uhr: TSV Langstadt – TTC 1946 Weinheim

Sonntag, 14.00 Uhr: TTC 1946 Weinheim – TSV Langstadt

Gegen Vorjahresvizemeister TTC 46 Weinheim, Zweiter der zurückliegenden Punktrunde, würden die Südhessinnen im Nachbarschaftsduell zu gerne den großen Coup bewerkstelligen, im sechsten Jahr in der Beletage des deutschen Damen-Tischtennis zum zweiten Mal ins Finale einzuziehen – bereits in der Saison 2021/22 war dies gelungen, damals hatte man in der Endspielen gegen Serienmeister Berlin den Kürzeren gezogen. Zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte steht man aktuell in den Halbfinals und trifft auf einen überaus spielstarken Gegner.

Natürlich kann man über die Frage diskutieren, ob Play-off-Halbfinals nicht eigenen Gesetzen unterliegen und es überhaupt Favoriten und Außenseiter gibt. Langstadt geht jedenfalls nicht als Favorit ins Rennen, zumal Spitzenspielerin Chantal Mantz, die die Meisterschaften in Erfurt absagen musste, angeschlagen ist, es dem Vernehmen nach aber versuchen will. Doch man setzt auf die Heimstärke und erwartet einmal mehr einen Hexenkessel, der das Team puscht. Man hofft, eine der beiden Partien gewinnen zu können. Und gelänge es tatsächlich, erneut ins “Golden Match” zu kommen, hätte man dem Gegner da schon eine positive Erfahrung voraus. Anders ausgedrückt: Golden Match können Schreiner und Co.

Schwer wird es in jedem Fall. Die Nordbadener, schwach in die Runde gestartet, doch mit 17:3 Punkten aus den letzten zehn Spielen wieder zu der beeindruckenden Form der Vorsaison angelaufen, haben bereits angekündigt, personell aus dem Vollen zu schöpfen. Sie werden mit ihrem Top-Quintett am Freitag nach Langstadt reisen. Jenes besteht aus der Weltklasse-Brasilianerin Bruna Takahashi, der frischgebackene deutschen Vizemeisterin Yuan Wan, der Kroatin Mateja Jeger, der Weißrussin Daria Trigolos und – last not least – der Nordhessin Sophia Klee, die sich am Sonntag in Erfurt Bronze im Einzel sowie Silber im Doppel mit “Franzi” Schreiner sicherte. Pikant: Klee wird ab der kommenden Saison für Langstadt aufschlagen, wird jedoch als Profi, falls sie zum Einsatz kommt, natürlich nur die aktuelle Aufgabe im Fokus haben und keine Geschenke an ihre zukünftigen Teamkolleginnen verteilen.

Die zukünftige Langstädterin Sophia Klee ist sowohl für das Doppel als auch für die Einzel eine Option beim TTC 46 Weinheim.

Ob beim TSV nochmals die Taiwanerin Cheng Hsien-Tzu zum Einsatz kommt, die kommende Saison im Weinheimer Dress auflaufen wird, bleibt vorerst offen. Eine interessante Note wäre es, wenn beide gegen ihre künftigen Klubs zum Einsatz kämen.

Spielt Cheng nicht, werden die am Schlagarm lädierte Chantal Mantz, Franziska Schreiner, die in Erfurt einen sehr starken Eindruck hinterließ und zwei Medaillen nach Hause brachte, Izabela Lupulesku sowie eine Ersatzspielerin aus dem “B-Team”, entweder Alena Lemmer oder Youngster Lorena Morsch, an die Tische gehen.

In den Punktspielen ging es beide Male recht eng zu zwischen den nur 65 Kilometer auseinander liegenden Rivalen. Im Hinspiel trennte man sich mit einem Remis, das Rückspiel in Langstadt ging mit 6:4 an Takahashi und Co.

“Das Viertelfinale gegen Bingen-Münster/Sarmsheim ist gefühlt schon eine Ewigkeit her”, unterstreicht Langstadts Sportlicher Leiter Manfred Kämmerer: “Die Mädels waren in der Zwischenzeit teilweise um die halbe Welt gereist um, an internationalen Turnieren teilzunehmen. Es ist relativ schwierig einzuschätzen, wie ihre Form ist. Chantal Mantz hat immer noch Probleme am Schlagarm und musste schon die Deutschen Meisterschaften absagen. Das wird sehr eng bei ihr. Doch wir lassen den Kopf nicht hängen. Wir haben ja auch sehr gute Ersatzspielerinnen aus der zweiten Mannschaft, die notfalls parat stehen.”

Eine entscheidende Rolle wird gewiss wieder den Doppeln zukommen. TSV-Trainerin Anna Rauch betont: “Es wird ganz wichtig sein, gut ins Spiel zu starten und aus den Doppeln etwas mitzunehmen. Dann haben wir gerade zu Hause wieder unsere Fans im Rücken. Damit können wir jeden Gegner beeindrucken.”

Hinter dem Einsatz von Chantal Mantz stehen aufgrund ihrer Verletzung am Schlagarm noch Fragezeichen.

“Das lange Warten hat ein Ende”, konstatiert Weinheims Manager Christian Säger, dessen Truppe volle elf Wochen ausharren musste, da man nach dem letzten Punktspieleinsatz am 07.04. gegen Bingen keine Partie mehr zu bestreiten hatte. “Alle im Umfeld des TTC 46 freuen sich sehr auf das Derby im Halbfinale gegen Langstadt. Ein Halbfinale hat immer einen eigenen Charakter, einen Favoriten gibt es nicht, es wird viel auf die Tagesform ankommen. Bei uns sind alle fünf Spielerinnen an Bord und unser Coach Rainer Schmidt wird kurzfristig entscheiden, welche Spielerinnen eingesetzt werden.“ Im Rückspiel möchte man vor den eigenen Fans alles klar machen: „Für unser Heimspiel am Sonntag erwarten wir eine große Zuschauerkulisse und insgesamt sind wir gut vorbereitet auf die Spiele.“

Der Austragungsmodus ist derselbe wie im Viertelfinale. Die Höhe eines Sieges ist ohne Relevanz, egal ob 6:4 oder 6:0. Sollte nach der zweiten Partie am Sonntag in Weinheim noch kein Gesamtsieger feststehen, wird sofort im Anschluss die Entscheidung im Rahmen des Golden Matchs fallen, das – wie die Erfahrung des Langstädter Viertelfinales gegen Bingen gezeigt hat – eine immense nervliche Beanspruchung für die Spielerinnen bedeutet und die Fans elektrisiert. Da geht es dann Schlag auf Schlag und alles ist möglich.

Freitag, 19.00 Uhr: TSV Dachau 65 – ttc berlin eastside

Sonntag, 13.00 Uhr: ttc berlin eastside – TSV Dachau 65

Im anderen Halbfinal-Play-off duellieren sich am Freitag und Sonntag der TSV Dachau und Serienmeister ttc berlin eastside, der schon als klarer Favorit ins Rennen geht, zumal man personell aus dem Vollen schöpfen kann, während die Oberbayern um den Einsatz ihrer Spitzenspielerin Sabine Winter bangen müssen, die in Erfurt verletzungsbedingt passen musste. Ohne die Qualität des gesamten Teams schmälern zu wollen, muss man schon feststellen, dass Dachau ohne seine Nummer eins nicht dasselbe ist wie der komplette TSV, der dann mit Winter und Liu Yangzi ein Spitzenpaarkreuz ins Rennen schicken könnte, das jedem Gegner Paroli bieten und selbst den Top-Assen des Hauptstadtklubs gefährlich werden kann.

Während der Titelverteidiger und Pokalchampion als Sieger der Punktrunde seit dem 07.04. elf Wochen ohne “Job” war, demonstrierte der Ligavierte aus dem Süden Ende April in den Viertelfinal-Derbys gegen Kolbermoor, die man zuvor als vollkommen offen eingeschätzt hatte, seine ganze Klasse. Man legte eine Zielstrebigkeit, Kompromisslosigkeit und Präzision an den Tag, wie sie beinahe schon beängstigend waren – jedenfalls aus Sicht der Gegnerinnen. 6:1 und 6:2 hieß es am Ende für Winter und Kolleginnen, die sich zweimal binnen drei Tagen regelrecht in einen Rausch hineinspielten. Auch das hintere Paarkreuz, ansonsten nicht unbedingt das Prunkstück des TSV, brillierte wie selten zuvor. Hatte man in Kolbermoor lediglich ein Doppel abgegeben, ließ man dem SV DJK im Rückspiel zusätzlich zum Doppel noch einen Einzelpunkt durch Hana Arapovic.

Viele waren damals zu dem Urteil gelangt, dass man den stärksten TSV aller Zeiten erlebt habe – die vielen Schwabhäuser Jahre mit eingerechnet – und sich sogar die eastside-Asse in den Halbfinals warm anziehen müssten, wenn Dachau erneut diese Form abrufen könne. Ob man dies jedoch abermals vermag, ist die Frage. Nichts ist wie vor acht Wochen, zudem ist der Hauptstadtklub dafür bekannt, gerade in Finalsituationen – und ein Play-off-Halbfinale mit möglichem Golden Match ist eindeutig eine solche – beinahe unschlagbar zu sein.

In der Runde war man am letzten Spieltag übrigens in Dachau aufeinandergetroffen. Und die Bayern hatten vor elf Wochen mit 6:4 gewonnen, doch daraus Rückschlüsse zu ziehen, wäre gewagt, denn der ttc eastside war ohne Xiaona Shan und Nina Mittelham angereist. Mit seinen Spitzenkräften hatte er zum Jahresbeginn im Halbfinale des Pokal Final Four denselben Gegner übrigens glatt mit 3:0 besiegt.

Der ttc berlin eastside baut nicht zuletzt auf das Können der Weltranglisten-17. Nina Mittelham.

“Wir freuen uns aufs Halbfinale und werden versuchen, was möglich ist, den Giganten der Damen-Bundesliga ins Wanken zu bekommen“, sagt Dachaus Trainer Alexander Yahmed im Vorfeld der Halbfinals. „Aber wir sind uns auch dessen bewusst, dass Berlin der Topfavorit auf den Bundesliga-Titel ist, deswegen freuen wir uns einfach auf tolle Spiele und werden mit unseren Mitteln versuchen, was geht.“

Beim ttc berlin eastside freut man sich ganz besonders auf das Rückspiel am Sonntag, das eine Premiere ist. Der deutsche Ausnahmeklub lädt nämlich in sein “neues Wohnzimmer” ein. Nach mehr als dreieinhalb Jahren Umbau- und Modernisierungsarbeiten erstrahlt die GT-Halle in neuem Glanz. Auf dem Gelände des Sportkomplexes Paul-Heyse-Straße ist ein kleiner Tischtennis-Dome entstanden, die alte und zugleich neue Heimat des ttc. Aktive und Fans erwartet eine komplett mit ITTF-geprüftem roten Boden ausgelegte Halle. Tribünen im ersten Obergeschoss sowie ausfahrbare Tribünen auf Tisch-Ebene bieten Platz für über 200 Zuschauer. Die Umkleidekabinen und Sanitärbereiche sind nun auf modernstem Stand und größtenteils behindertengerecht konzipiert.

„Nach zwei Monaten Probebetrieb ist es nun endlich soweit. Mit dem Play-off-Halbfinale zieht Damen-Tischtennis auf absolutem Topniveau in die richtig schön gewordene Halle ein“, so Berlins Präsident Alexander Teichmann, dem die Vorfreude auf den Sonntag förmlich anzusehen ist. Das Halbfinal-Rückspiel sei genau der passende Rahmen für die Premiere: „Die Fans dürfen sich auf vier Olympiafahrerinnen freuen: Neben dem deutschen Trio Nina Mittelham, Xiaona Shan und Sabine Winter hat auch unsere Holländerin Britt Eerland den Sprung nach Paris geschafft.“ Zum Sportlichen äußert sich Teichmann wie folgt: „Natürlich wollen wir gewinnen, zumal unser ganzer Kader zur Verfügung stehen wird. Nichtsdestotrotz schätzen wir Dachau als sehr stark und auch unberechenbar ein. Wir werden aber alles tun, um eine für den ttc eastside negative Überraschung zu vermeiden.”

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Golden Match: Nichts für schwache Nerven

Um den Ablauf nochmals in Erinnerung zu rufen – es könnte am Sonntag ja erneut zu derartigen Herzschlag-Entscheidungen kommen: Es werden bei Gleichstand direkt nach der zweiten Partie nochmals zwei Doppel und vier Einzel mit jeweils nur einem Satz ausgetragen. Zwei frei zu stellende Doppel und anschließend die Duelle der Nummern eins gegen eins, zwei gegen zwei, drei gegen drei und vier gegen vier. Wer zuerst elf Punkte hat, gewinnt, eine Verlängerung gibt es in den Sätzen nicht. Die Mannschaft, die vier Punkte verbucht hat, kommt weiter und zieht in diesem Fall ins Finale ein. Bei einem 3:3 entscheidet die Balldifferenz. Sollte es bei 3:3 auch in der Balldifferenz zum Gleichstand gekommen sein, muss jedes Team eine Spielerin für ein finales Duell benennen. Diese beiden spielen dann lediglich einen Kurzsatz um alles oder nichts bis zum sechsten Punkt.

Die Halbfinals im Livestream

Mit Ausnahme der Partie in Dachau werden alle Begegnungen auch im Livestream zu sehen sein. Wir haben es bei den Halbfinalisten abgefragt.

TSV Langstadt (Manfred Kämmerer): „Wir streamen wie immer Tisch 1 live. Dabei blenden wir ja die Ergebnisse von Tisch 2 mit ein, es ist also wie ein zusätzlicher Liveticker.“

https://tsv-langstadt.de/tischtennis/livestream

TTC 46 Weinheim (Jürgen Klee): „Am Sonntag übertragen wir wieder beide Tische auf der Facebook-Seite des TTC Weinheim.“

https://www.facebook.com/ttc1946weinheim/?locale=de_DE

ttc berlin eastside (Bernd Guder): „Natürlich wird es auch von unserer Seite wieder einen Livestream am Sonntag geben.“

Anmerkung: Wer nicht in die Hauptstadt reisen kann, bekommt so immerhin auch die Gelegenheit, einen ersten Eindruck von der schmucken „runderneuerten“ Halle des ttc im Sportkomplex Paul-Heyse-Straße zu erhalten.

Viertelfinals

SV DJK Kolbermoor – TSV Dachau 65 1:6

TSV Dachau 65 – SV DJK Kolbermoor 6:2

TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – TSV Langstadt 6:2

TSV Langstadt – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim 6:2, 3:3 (60:57)

Links

Bingen mit ganz starkem Auftritt

Dachau mit Traumstart in die Play-offs

Jetzt wird es ernst: Die Play-offs beginnen am Freitag

1. Bundesliga Damen auf tischtennis.de

1. Bundesliga Damen auf click-TT: Spielplan, Infos und Tabelle

Liveticker

Beitragsbild ganz oben: Kann sie am Freitag und Sonntag dem TSV Dachau gegen den Titelverteidiger helfen? Sabine Winters Einsatz in den Halbfinals ist unsicher.

Fotos (2): Dr. Stephan Roscher; Foto Sophia Klee: Armin Schimkat; Foto Nina Mittelham: Maria Wohllaib.

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