Play-off Halbfinals: Weinheim und Berlin legen vor

Von Stephan Roscher|Juni 22, 2024|bundesliga

Die beiden direkt für die Vorschlussrunde qualifizierten Mannschaften aus Berlin und Weinheim haben die elfwöchige Pause gut verkraftet und konnten am Freitagabend wichtige Auswärtssiege in den Halbfinal-Hinspielen verbuchen. Die Nordbadener siegten mit 6:4 im 65 Kilometer entfernten Langstadt, während der Titelverteidiger mit Dachau kurzen Prozess machte, das auf Top-Ass Sabine Winter verzichten musste. Die Gewinner haben sich selbst eine Steilvorlage für die Neuauflage des letztjährigen Endspiels gegeben, allerdings ist noch nichts in Stein gemeißelt. Die Gegner benötigen aber in den Rückspielen am Sonntag schon Siege, um noch das Golden Match zu erzwingen. Ein Remis wäre für Langstadt und Dachau zu wenig.

TSV Langstadt – TTC 1946 Weinheim 4:6

In Langstadt ging es insgesamt eher eng zu, wo der Gastgeber nach furiosem Start in den Doppeln in den Einzeln nicht mehr allzu viel auf die Reihe bekam. Der verdiente Sieger hieß am Ende Weinheim, der bissiger und effektiver agierte und die größere mannschaftliche Geschlossenheit zeigte.

Die Hessen hatten sich vor 155 Fans in der Eckehard-Colmar-Halle doch etwas mehr erhofft, zumal man in Topbesetzung, also vorne mit Cheng Hsien-Tzu und Chantal Mantz, an die Tische ging.

Doch der Punktrunden-Zweite Weinheim zeigte sich hoch fokussiert und ließ Langstadt im Spitzenpaarkreuz keinen einzigen Matchgewinn. Bruna Takahashi (jeweils 3:1 gegen Cheng und Mantz) und Yuan Wan (3:1 gegen Cheng, 3:2 gegen Mantz) setzten vorne die Akzente. Hinten punktete zwar Franziska Schreiner doppelt, doch ihre Kollegin Izabela Lupulesku konnte nicht wie gewohnt auftrumpfen und ging sowohl gegen Mateja Jeger als auch gegen Daria Trigolos, die beide einen starken Eindruck hinterließen, leer aus.

Dabei hatte alles so günstig begonnen mit dem 2:0 in den Doppeln gegen ein Team, das an sich als doppelstark gilt. Dabei siegten Schreiner/CHeng sehr deutlich gegen Takahashi/Jeger, die überhaupt nicht in ihren Rhythmus fanden, während der 3:2-Erfolg von Mantz/Lupulesku gegen Wan/Klee am seidenen Faden hing. Doch danach drehten die Gäste erst richtig auf. 

Immerhin bekamen die Zuschauer drei Stunden und 25 Minuten spannendes Tischtennis zu sehen, allerdings in den einzelnen Matches meist nicht mit dem von der Mehrzahl erhofften Ergebnis – die circa 25 Weinheimer im Publikum sahen das natürlich ganz anders und hatten immer wieder Anlass zur Freude und nach dem Schlusspunkt in Form des starken Auftritts von Daria Trigolos gegen Lupulesku natürlich noch mehr.

An ihr hat es nicht gelegen: Franziska Schreiner gelang mit zwei gewonnenen Einzeln und einem Erfolg im Doppel die größtmögliche Ausbeute (Foto Roscher).

Langstadts Trainerin Anna Rauch brachte die Dinge knallhart auf den Punkt, glaubt aber weiter an die Chance ihres Teams. „Mit unserer heutigen Leistung kann ich unter dem Strich nicht zufrieden sein. Gerade wenn man in ein so wichtiges Spiel mit einem tollen 2:0 in den Doppeln startet, muss danach mehr kommen“, so Rauch. „Franzi nehme ich da aus, sie hat sehr gut gespielt. Von Chantal konnte man nicht mehr erwarten, sie hat alles versucht, konnte aber aufgrund ihrer Verletzung am Schlagarm in den letzten Wochen kaum mal eine vernünftige Trainingseinheit absolvieren. Doch mit den anderen beiden war ich nicht zufrieden. Cheng ist gegen Yuan Wan gut gestartet, hat dann aber im zweiten Satz komplett den Faden verloren und bis zum Ende nicht mehr gefunden. Und Izabela spielte heute nicht mit dem nötigen Glauben an sich selbst. Sie hat ja in der Runde gezeigt, dass sie deutlich mehr kann.“ Die Trainerin will es aber nicht nur an einzelnen Spielerinnen festmachen: „Alles in allem hat es dem Team heute an Selbstbewusstsein und Inspiration gefehlt, in ein solches Spiel muss man alles hineinwerfen, was geht. Das ist uns, im Gegensatz zu den Weinheimerinnen, nicht gelungen.“ Dies sei aber kein Grund, nun die Flinte ins Korn zu werfen: „Das muss im Rückspiel am Sonntag ganz anders werden. Ich glaube aber daran, dass wir das noch schaffen. Mein Job ist es nun, die heutigen Leistungen gemeinsam mit den Spielerinnen zu analysieren und gute Lösungen zu finden, sodass es am Sonntag besser wird. Das haben wir ja auch im Viertelfinale geschafft, wo wir ein schwaches Hinspiel und dann ein sehr gutes Rückspiel gezeigt haben. Warum soll uns das nicht wieder gelingen.“

Alles in allem schon ein Wermutstropfen für die Südhessen, auch wenn noch keine Entscheidung gefallen ist. Ein Wermutstropfen nicht nur sportlicher Natur, sondern auch in Hinblick auf das 60-jährige Jubiläumsfest der Tischtennisabteilung am heutigen Samstag ab 18:00 Uhr auf dem Festplatz neben der Markwaldhalle. Eine steile Erfolgsgeschichte, gerade in den letzten Jahren. Ein Sieg gegen Weinheim wäre natürlich das i-Tüpfelchen des Events gewesen. Durch die Niederlage will man sich die gute Stimmung jedoch nicht verderben lassen, zudem liegt der volle Fokus des Teams längst wieder auf der bevorstehenden Herausforderung am Sonntag in Weinheim.

Weinheims Trainer Rainer Schmidt hatte allen Grund zur Zufriedenheit. „Nach den Doppeln war ich schon ein wenig nervös, schließlich haben wir starke Doppel und spielen da normalerweise nicht 0:2. Aber was dann alle in den Einzeln geboten haben, war schon klasse“, freute sich Schmidt. „Wir haben als Team überzeugt, jede Spielerin hat etwas beigesteuert, alle haben sehr fokussiert gespielt und eine sehr gute Körpersprache gezeigt. Wir haben sehr viel Moral und starken Willen gezeigt und unsere Chancen konsequent genutzt.“ Der Tischtennislehrer ging auch die einzelnen Mannschaftsteile durch: „Dass wir im vorderen Paarkreuz einen kleinen Vorteil haben würden, hatten wir uns schon gedacht, aber in Langstadt oben 4:0 zu spielen, das ist schon eine Ansage. Großes Kompliment an Bruna und Yuan. Ich war auch mit Mateja und Daria sehr zufrieden. Ich hatte vorher angenommen, dass Langstadt hinten einen kleinen Vorteil haben würde, auch weil Lupulesku die Olympia-Quali geschafft hat und ich dachte, dass sie deshalb sehr selbstbewusst auftreten würde. Doch unsere beiden Spielerinnen haben prima gegen sie gespielt und sie gar nicht in ihren Rhythmus kommen lassen. Franzi Schreiner war natürlich stark, doch auch gegen sie haben Mateja und Daria gut gespielt und ihr das Leben schwer gemacht. Ein großes Lob auch an Sophia, die die undankbare Rolle, heute nur im Doppel zu spielen, sehr positiv angenommen und alles für die Mannschaft gegeben hat, auch am Rande der Bande.“ Doch nach dem Spiel ist vor dem Spiel: „Ich hoffe, dass wir am Sonntag vor heimischer Kulisse die heutige Leistung wiederholen und vielleicht sogar noch einen Tick drauflegen können, besonders in den Doppeln, denn durch sind wir natürlich noch nicht.“

Sehr zufrieden zeigte sich auch TTC-Manager Christian Säger: „Alle Achtung, was die Spielerinnen nach dem schlechten Start in den Doppeln heute gezeigt haben, war sehr stark. Es gab keinen einzigen Schwachpunkt bei uns, man muss alle loben. Aber am Ziel sind wir noch lange nicht. Dazu müssen wir am Sonntag im Rückspiel erst nochmal eine so starke, konzentrierte Leistung abrufen.“

Christian Säger und Sophia Klee freuen sich über den Weinheimer Erfolg (Foto Roscher).

TSV Dachau 65 – ttc berlin eastside 0:6

Der TSV Dachau hatte vor 135 Zuschauern mit dem Handikap zu kämpfen, dass Sabine Winter verletzungsbedingt nicht spielen konnte und weitere Leistungsträgerinnen wie Alina Nikitchanka und Orsolya Feher nicht zur Verfügung standen, was die Hürde gegen den Serienmeister natürlich noch ein ganzes Stück hoher werden ließ. Dass am Ende lediglich drei Sätze gewonnen werden konnten, zwei davon im Doppel, war dennoch gewiss ein wenig enttäuschend, auch wenn natürlich die spielerische Klasse des Hauptstadtklubs, der sogar auf den Einsatz der angeschlagenen Shan Xiaona verzichten konnte, unumwunden anerkannt werden musste.

Bei Dachau standen von der Stammbesetzung nur Liu Yangzi und Tin-Tin Ho zur Verfügung, wobei letztere ins vordere Paarkreuz hochrücken musste. Hinten erhielten aus der zweiten Mannschaft die 20-jährige Niederländerin Emine Ernst und das 15-jährige Toptalent Theresa Faltermaier, Jugendnationalspielerin und zugleich Bayerische Damen-Meisterin 2024, ihren Einsatz. Sie machten ihre Sache nicht schlecht, hatten aber gegen die eastside-Asse Sabina Surjan und Ding Yaping keine realistische Siegchance.

Vorne trumpfte im Berliner Team besonders Britt Eerland auf, was ihr nicht immer in dieser Saison gelang. Ihr 3:0 über die in der Punktrunde so erfolgreiche Liu Yangzi (11:8, 11:8, 14:12) war ein klares Signal, dass für den dezimierten Gastgeber zumindest an diesem Tag nichts gehen würde.  

Starker Auftritt gegen Liu Yangzi: Britt Eerland (Foto: Armin Schimkat).

Eerland sowie Nina Mittelham (3:1 gegen Tin-Tin Ho), Ding Yaping (3:0 gegen Faltermaier) und Sabina Surjan (3:0 gegen Ernst) sorgten in den Einzeln für klare Verhältnisse, nachdem beide Doppel gewonnen worden waren.

Allerdings hätte das Dachauer Duo Liu/Faltermaier schon früh für den Ehrenpunkt der Oberbayern sorgen können, die gegen Mittelham/Eerland überraschend 2:0 Sätze vorlegen konnten und im dritten Durchgang einen Matchball hatten. Doch die Chance blieb ungenutzt, sodass nach fünf Sätzen die Berlinerinnen die Nase vorn hatten.

Das 0:6 war natürlich schon ein drastisches Ergebnis – und das auch noch vor heimischer Kulisse. Dachaus Trainer Alexander Yahmed möchte aber nicht alles am Fehlen von Sabine Winter festmachen, da auch weitere Leistungsträgerinnen nicht zur Verfügung standen. Zudem stellt er die gesamte bisherige Saison in den Fokus und betont das Positive. „Es war aber eben nicht nur ohne Sabine. Es war ohne Sabine, ohne Alina [Nikitchanka] und ohne „Orschy“ [Orsolya Feher] – das merkt man dann schon“, so Yahmed. „Aber Fakt ist, es waren einige super Spiele dabei und doch die Chance auf den ein oder anderen Punkt. Wir sind trotzdem bis dato sehr zufrieden, haben in der Liga super gespielt und im Viertelfinale gegen Kolbermoor sehr stark gespielt, das wird man uns nicht mehr nehmen können. Deswegen gibt es keinen Grund, traurig zu sein. Bis jetzt ist es trotzdem eine sehr erfolgreiche Saison.“

Spielte bei Dachau an Position 3: Emine Ernst (Foto Roscher).

„Nachdem unter der Woche Xiaona Shan mit Rückenproblemen passen musste und Josi Neumann dann am Freitag mit der gleichen Verletzung nicht spielen konnte, hatten wir schon mit Problemen vor allem im Doppel gerechnet“, so ttc eastside-Coach Jens Ruland. „Wir mussten zwei Paarungen aufbieten, die nicht eingespielt waren. Das hat man dann auch gesehen. Im Einzel haben wir dann nichts anbrennen lassen und hoffen nun auf eine ähnliche Leistung am Sonntag. Wir hoffen zudem, dass sowohl Nana als auch Josi zurückkommen und am Sonntag zur Verfügung stehen.“

Trotz der angesprochenen Probleme im Vorfeld, nahm man bei Berlin den Kantersieg erfreut aber gelassen zur Kenntnis, bei der Dachauer Aufstellung war ein deutlicher Sieg eigentlich Pflicht. Zur Euphorie besteht für den deutschen Topklub der letzten Jahre noch kein Anlass, erst wenn man tatsächlich im Finale steht und genau genommen sogar erst dann, wenn man den Titel erneut in der Tasche hat, was ja kein Selbstläufer ist.

Man freut sich nun erst einmal auf das Rückspiel am Sonntag im “neuen Wohnzimmer”. Nach mehr als dreieinhalb Jahren Umbau- und Modernisierungsarbeiten erstrahlt die GT-Halle auf dem Gelände des Sportkomplexes Paul-Heyse-Straße in neuem Glanz. „Nach zwei Monaten Probebetrieb ist es nun endlich soweit. Mit dem Play-off-Halbfinale zieht Damen-Tischtennis auf absolutem Topniveau in die richtig schön gewordene Halle ein“, so Berlins Präsident Alexander Teichmann. Zumindest auf drei Olympiafahrerinnen dürfen sich die Fans bei der Premieren-Veranstaltung in der schmucken alten und zugleich neuen Tischtennis-Arena freuen: Nina Mittelham, Xiaona Shan und Britt Eerland werden dabei sein.

Viertelfinals

SV DJK Kolbermoor – TSV Dachau 65 1:6

TSV Dachau 65 – SV DJK Kolbermoor 6:2

TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – TSV Langstadt 6:2

TSV Langstadt – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim 6:2, 3:3 (60:57)

Die Rückspiele

Sonntag, 13.00 Uhr: ttc berlin eastside – TSV Dachau 65

Sonntag, 14.00 Uhr: TTC 1946 Weinheim – TSV Langstadt
 

Livestream Berlin:

https://www.youtube.com/live/wyrTC08H1oM?si=AKbH_0JvnyEA2ccu
https://www.youtube.com/live/I1WtYVwpo-A?si=c1hgUwAaGe5WzzzN

Livestream Weinheim:

https://www.facebook.com/ttc1946weinheim/?locale=de_DE

Links

Beitragsbild ganz oben: Weinheims Weißrussin Daria Trigolos präsentierte sich in Langstadt in Topform und gab im abschließenden Match Izabela Lupulesku das Nachsehen (Foto Roscher).

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