Hohe Auswärtshürden für Langstadt, Weil will Siegesserie in Bingen fortsetzen
Drei interessante Partien stehen am Wochenende in der 1. Bundesliga Damen an. Nach dem Schockerlebnis von Weil hätte sich der TSV Langstadt lieber einen Aufbaugegner gewünscht, den es in dieser ausgeglichenen Liga natürlich gar nicht gibt. Stattdessen muss man die anstrengende Tour nach Oberbayern antreten und hat mit Dachau und Kolbermoor richtig gute, heimstarke Gegner vor der Brust. Der ESV Weil, bisher so etwas wie die Mannschaft der Saison, hat hintereinander Weinheim und Langstadt geschlagen und will nun bei Schlusslicht Bingen zwei weitere Punkte in Empfang nehmen – doch das könnte schwieriger werden als manche denken.
Samstag, 14 Uhr: TSV Dachau 65 – TSV Langstadt
Erste Station des Tabellenzweiten aus Hessen auf seinem Bayern-Trip: Man trifft auf den Dritten Dachau, der zuletzt beim Derbysieg gegen Kolbermoor die Rekordkulisse von 370 Fans regelrecht in Verzückung versetzte. Die Dachauerinnen wollen natürlich Revanche nehmen für die unglückliche 4:6-Hinspielniederlage in Langstadt kurz vor Weihnachten.
Sportlich ist bei Winter und Co. alles im Lot, das Team gehört zu den besten der Liga und sorgt immer wieder für Highlights. Doch im seelischen Bereich gestaltet es sich schwieriger. Der Tod des langjährigen Schwabhäuser Machers und Managers Helmut Pfeil, auch in Dachau als Sportlicher Koordinator noch sehr nahe am Team und überaus beliebt, hat die Spielerinnen ziemlich mitgenommen. Am Tag vor der Partie wird Pfeil zu Grabe getragen – die eine oder andere Träne wird sicher nochmals fließen. Die Dachauerinnen werden am Samstagabend ganz gewiss auch für “ihren Helmut” spielen.
Nimmt man die zuletzt gezeigten Leistungen als Maßstab, ist der Gastgeber mit seinen Ausnahmespielerinnen Byun Seoyoung, die ein richtig gepflegtes, kultiviertes Defensivspiel nahezu perfekt beherrscht, und Sabine Winter, die mit ihrem Antitop auf der Rückhand immer besser zurechtkommt, leicht favorisiert.
Aktuell haben wir keinen Hinweis darauf, dass mit Orawan Paranang Langstadts Topspielerin aus Thailand wieder an Bord sein könnte, sonst wäre sie sicher in diesen Tagen beim WTT-Turnier in Düsseldorf am Start. Folglich muss es mit Chantal Mantz, Franziska Schreiner, Izabela Lupulesku und Sophia Klee genau das Quartett zu richten versuchen, das in Weil gepatzt hatte. Vielleicht erleben wir ja eine Trotzreaktion der Südhessinnen – dass das einzige Berechenbare in dieser Liga ihre Unberechenbarkeit ist, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Also möchte man auch hier keine Wetten abschließen. Auch könnte etwas bei diesem Duell eine Rolle spielen, was die Trainer nicht so gerne hören: Der Faktor Glück.
Dachau ist jedenfalls einer der härtesten Langstädter Rivalen um den zweiten Tabellenplatz, der zum direkten Einzug ins Halbfinale der Play-offs berechtigen würde. Wobei man sich, dies gilt für beide, natürlich die Frage stellen darf, ob es – bei nur sechs Heimspielen in der Punktrunde – nicht sogar reizvoller wäre, im Viertelfinale zu starten und den Fans auf diesem Weg, zumindest im Erfolgsfall, eine Partie mehr zu gönnen. Doch das wird sich sportlich entscheiden. Keiner schenkt in dieser Liga ein Spiel aus taktischen Gründen her – dazu sind der Sportsgeist sowie der Ehrgeiz einfach zu groß.

Kann auch Angriff: Byun Seoyoung (Foto Roscher).
Dachaus Cheftrainer Alexander Yahmed geht überhaupt nicht davon aus, dass die Niederlage in Weil Einfluss auf die Langstädter Performance am Samstag haben wird und macht es kurz und bündig: „Es ist ein absolutes Bundesliga-Highlight und es werden zwei Topmannschaften gegeneinander antreten – sehr viel wird von der Tagesform abhängen.“
„In guter Erinnerung ist uns natürlich das letzte Spiel in der Vorrunde, als wir zu Hause gegen Dachau mit 6:4 gewinnen konnten“, erinnert sich Langstadts Sportlicher Leiter Manfred Kämmerer. „Dies war umso bemerkenswerter, da wir da ohne unsere Nummer eins Paranang gespielt hatten. Bei dem Spiel war vieles zu unseren Gunsten gelaufen. Wir werden sehen, ob uns nochmal eine Überraschung gelingt.“
Die Spielerinnen möchten sich eigentlich nicht mehr mit dem Weil-Spiel befassen und nach vorne schauen. Sophia Klee unterstreicht: “Wir freuen uns alle auf das Bayern-Wochenende und werden positiv in den Süden fahren. Es werden keine einfachen Spiele, da jede Mannschaft sehr stark ist. Aber wir brauchen uns nicht zu verstecken, wir haben eine sehr gute Saison bis jetzt gespielt.“ Die 21-jährige deutsche Nationalspielerin lenkt den Blick dann doch nochmals kurz auf die letzte Partie zurück: „Klar hätten wir letztes Wochenende in Weil gerne zwei Punkte mitgenommen, aber so ist Sport manchmal. Das Glück war diese Saison auch schon mal auf unserer Seite.“
Sonntag, 14 Uhr: SV DJK Kolbermoor – TSV Langstadt
Einen Tag später geht es für den Hessen-Tross nach Kolbermoor. Und der Pokalfinalist will nun richtig mit dem Punktesammeln loslegen, was bisher noch nicht optimal geklappt hat – fünf Zähler aus sieben Partien ist nicht die Ausbeute, die man von einem so spielstarken Team erwarten darf.
Man muss aber auch in Rechnung stellen, dass Kolbermoor auch aufgrund einer Serie von Verletzungen und krankheitsbedingten Ausfällen in der Hinrunde aktuell nur Tabellenfünfter ist. Doch man weiß ja, wie stark der Deutsche Meister von 2018 ist, wenn alle Asse an Bord sind und ohne Handikap an die Tische gehen können. Sportlich nimmt inzwischen die 18-jährige deutsche Nationalspielerin Annett Kaufmann eine tragende Rolle im Team ein.
Im Hinspiel konnte der SV DJK von den Langstädterinnen nur mit Orawan Paranag knapp in Schach gehalten werden. wobei Paranang Kaufmann im Spitzeneinzel keine Chance ließ. Nun, wir rechnen nicht damit, dass die Thailänderin an Bord sein wird, sodass man auch hier – unter allen Vorbehalten – den Gastgeber leicht im Vorteil sehen könnte. Zumindest wenn es gelingt, die stärkste Formation an die Tische zu bringen und Qianhong Gotsch sich wieder in alter Form präsentieren kann.

Man darf gespannt sein, ob „Hongi“ Gotsch wieder in alter Form auftrumpfen kann, zumal ihr Spiel weder Mantz noch Schreiner sonderlich gut liegt (Foto Roscher).
Dr. Michael Fuchs, Trainer und Abteilungsleiter in Kolbermoor, geht ebensowenig wie sein Dachauer Kollege davon aus, dass es für sein Team einfacher wird, nur weil die Langstädter Performance in Weil suboptimal war – wie man es bei den Hessen selbst bewertet. “Ich sehe das Spiel klar als 50/50 Spiel“, unterstreicht Fuchs. „Gegen Langstadt waren es immer umkämpfte Spiele und auf so ein Spiel stellen wir uns auch wieder ein.“ Maßlos überrascht hat der Weiler 6:3-Sieg gegen Langstadt auch ohne Spitzenspielerin Anna Hursey Fuchs gar nicht: „Ich finde auch nicht, dass Langstadt gegen Weil „geschwächelt“ hat. Die Liga ist dieses Jahr einfach so eng zusammen und Weil spielt eine gute Saison – das haben wir selbst auch schon „erleiden“ müssen.“
„Fast schon „traditionsgemäß“ tun wir uns gegen Kolbermoor schwer, obwohl sie eine stark veränderte Mannschaft gegenüber letzter Saison haben“, so Manfred Kämmerer. „Im Pokal sind wir einmal mehr gegen sie gescheitert. Da erinnern wir uns auch lieber an die Vorrunde, als wir einen knappen 6:4-Erfolg feiern konnten. Das wird natürlich auswärts ungleich schwerer. Wir brauchen uns aber nicht zu verstecken und werden versuchen, unsere Chancen zu nutzen.“
Sophia Klee freut sich auf die Bayern-Tour und hofft auf Zählbares: „Wir werden, wie immer, 100 Prozent geben und dann hoffentlich mit Punkten im Gepäck wieder zurück nach Hessen fahren.“
Sonntag, 14 Uhr: TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – ESV Weil
Die in der Rückrunde noch ungeschlagenen “Eisenbahnerinnen” aus Weil am Rhein sind diesmal “on Tour” und müssen in die Pfalz, genauer gesagt nach Rheinhessen zum Binger Mäuseturm.

In der „gebrauchten“ Vorrunde hat Bingens Lea Rakovac nur ein einziges Match gewonnen, in der Rückrunde steht sie 4:4 (Foto Roscher).
Dass der Gegner abgeschlagenes Tabellenschlusslicht ist, will nicht allzu viel heißen, denn nach den Erfolgen gegen Weinheim und Langstadt, die Nummern eins und zwei der Bundesligatabelle, hat man diesmal – mit acht Punkten mehr auf dem Konto als der Gegner – etwas zu verlieren. Psychologisch also schon mal etwas schwieriger, als wenn man als Favorit anreist.
Außerdem scheinen sich die TTG-Spielerinnen inzwischen gefangen und auch mental stabilisiert zu haben. Das Remis in Weinheim vor drei Wochen, nach 0:4-Rückstand, war aller Ehren wert. Und eine Woche zuvor hatte man zu Hause gegen Dachau ein starkes Spiel gemacht und musste eine knappe, unglückliche 4:6-Niederlage quittieren. Für die TTG-Asse ist es bei realistischer Betrachtungsweise bereits das vorletzte Saisonspiel – die Play-offs sind nur noch theoretisch zu erreichen, bei einer Niederlage gegen Weil geht indes auch rechnerisch nichts mehr.
Das Hinspiel am 30.11. im Dreiländereck hatte der Tabellenletzte sang und klanglos mit 1:6 verloren, wobei kein einziges Einzel an die Rheinhessinnen ging. Doch damals war das Team auch noch arg verunsichert, was sich inzwischen gelegt zu haben scheint. Zudem war man nicht in Bestbesetzung, während man nun personell aus dem Vollen schöpfen kann und inklusive der während der gesamten Vorrunde verletzten Tschechin Katerina Tomanovska wieder fünf Spielerinnen zur Verfügung hat.
Weil wird wieder mit Anna Hursey auf der Spitzenposition auflaufen, folglich kann die Chilenin Daniela Ortega, die man durchaus als die Entdeckung der Saison bezeichnen könnte, wieder hinten spielen, wobei sie ja gegen die Langstädterinnen eindrucksvoll bewiesen hat, dass sie auch vorne nicht überfordert ist. Ievgeniia Sozoniuk wird vermutlich die Nummer zwei sein, Lea Lachenmayer die Nummer vier.

Solide Leistungen im Spitzenpaarkreuz: Ievgeniia Sozoniuk (Foto Roscher).
In Bingen freut man sich auf den starken Gegner. “Die Mannschaft des ESV Weil spielt bisher eine starke Saison und hat nach drei Siegen in Folge gegen höher eingeschätzte Teams einen Platz in der Play-off-Runde bereits sicher“, unterstreicht der Vorsitzende Joachim Lautebach. Dass man gegen den Favoritenschreck der Liga an die Tische geht, tangiert ihn weniger, denn seine TTG ist am Sonntag ja definitiv nicht favorisiert: „In dieser Begegnung ist unser Team also erneut Außenseiter. Allerdings hat es nichts zu verlieren und wir hoffen, dass es an die guten Leistungen des letzten Spiels gegen den Tabellenführer aus Weinheim anknüpfen kann, damit unsere Zuschauer wieder attraktiven Tischtennissport zu sehen bekommen.“
Weils Abteilungschefin Doris Spiess sagt: “Wir wollen unseren Lauf in Bingen natürlich fortsetzen. Trotzdem wissen wir, dass das kein Selbstläufer wird. Bingen ist zu Hause nicht zu unterschätzen. Wir werden wieder komplett antreten können und freuen uns auf das Match.“
Beitragsbild ganz oben: Franziska Schreiner bekam in Weil kein Bein auf den Boden. Das soll sich in Dachau und Kolbermoor ändern (Foto: Dr. Stephan Roscher).