Wochenende der Unentschieden: Böblingen bietet eastside Paroli, Langstadt macht den Sack nicht zu

Von Stephan Roscher|Dezember 11, 2023|bundesliga

Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, wie spannend, eng und umkämpft zahlreiche Vorrundenpartien in der 1. Bundesliga Damen verlaufen sind. Wie zur Bestätigung haben die Spielerinnen an diesem Wochenende noch einen draufgesetzt. Drei Begegnungen wurden ausgetragen, alle drei endeten Remis. Am Samstag bereits hatten sich Bingen und Böblingen die Punkte geteilt, heute trotzte die SVB dem amtierenden Deutschen Meister Berlin, der allerdings nicht in Bestbesetzung antreten konnte, einen Punkt ab. Spitzenreiter Langstadt führte vor 150 begeisterten Fans mit 5:1 gegen Kolbermoor, doch nach einer furiosen Aufholjagd von Kristin Lang und Kolleginnen stand es am Ende 5:5.

SV Böblingen – ttc berlin eastside 5:5

Nicht nur am Samstag in Bingen, sondern tags darauf auch vor heimischer Kulisse gegen den Deutschen Meister ttc berlin eastside konnten die Schwäbinnen einen Punkt ergattern – und das nach einem 0:2-Rückstand aus den Doppeln.

Da Sönke Geil, frischgebackener Tischtennis-Trainer des Jahres, kurzfristig erkrankt war, war auch diesmal Eigencoaching bei der SVB angesagt, deren Gegner auf einige Stammkräfte verzichten musste. Nach den Doppeln lagen die Gastgeberinnen dennoch mit 0:2 hinten. Qianhong Gotsch/Alexandra Kaufmann verloren den vorentscheidenden dritten Satz gegen Ding Yaping / Kathrin Mühlbach mit 13:15, Annett Kaufmann/Mitsuki Yoshida fanden gegen Sabina Surjan/Josi Neumann überhaupt nicht in ihr Spiel und blieben komplett chancenlos.

Qianhong Gotsch ließ Ding Yaping im Defensivduell keine Chance (Foto Roscher).

Doch in den Einzeln zeigten sich die Böblingerinnen auf Augenhöhe. Qianhong Gotsch und Ding Yaping sind schon seit drei Jahrzehnten Rivalinnen, beide eigentlich Abwehrstrateginnen. Die mit dem besseren Angriff würde gewinnen, wie es bei solchen Duellen üblich ist. An diesem Tag war das eindeutig Gotsch (11:6, 11:5, 11:4). Annett Kaufmann zeigte gegen Sabina Surjan Power-Tischtennis vom Feinsten. Surjan schnappte sich zwar den zweiten Satz, blieb in den übrige Durchgängen aber ohne Chance. Die SVB hatte zur Pause ausgeglichen. Mitsuki Yoshida schien anfänglich gegen Kathrin Mühlbach nichts reißen zu können. Ab dem dritten Satz kam sie, überwiegend mit ihrer gefährlichen Rückhand, besser ins Spiel. Die Japanerin drehte das Match noch und gewann den Entscheidungsdurchgang glatt mit 11:3. Am anderen Tisch sorgte indes Berlins 13-Jähriges Mega-Talent Josi Neumann für den ersten Einzelpunkt der Gäste. Kaufmann war zwar im ersten Satz auf Augenhöhe, doch am letztlich glatten 3:0 für Neumann war nicht zu rütteln, die spielerisch einen weiteren Sprung gemacht zu haben scheint.

Qianhong Gotsch stieg gegen Sabina Surjan als Favoritin in den Ring, auch wenn es für die prominente Böblingerin, die schließlich nicht mehr die Jüngste ist, das sechste Match in 18 Stunden war. Beim 11:8, 14:16, 11:7, 11:6 wurde Gotsch den Erwartungen gerecht und sicherte ihrem Team den vierten Punkt. Anders als am Vortag in Bingen, konnte Annett Kaufmann diesmal nicht alles gewinnen. Ding Yaping, nach dem schwierigen Match gegen Gotsch endlich wieder in ihrem Element, konnte sicher abwehren und das 17-jährige DTTB-Ass fand kein Mittel dagegen und agierte beim 5:11, 8:11, 4:11 viel zu hastig und ungestüm.

Erneut also Gleichstand – 4:4. Es ging in die Zielgerade. Dass es Alexandra Kaufmann auch gegen Kathrin Mühlbach schwer haben würde, war allen bewusst. So kam es auch, die Berlinerin sicherte ihrem Team souverän den fünften Punkt. Doch was würde beim Duell Mitsuki Yoshida vs. Josi Neumann geschehen? Ein 50:50-Match, so die Überzeugung der meisten der leider nur knapp 100 Zuschauer in der Böblinger BBG-Arena. Es wurde ein echter Thriller. Zunächst dominierte Neumann und sicherte sich mit 11:7 und 11:8 die ersten beiden Durchgänge. Es roch nach einem 6:4-Erfolg des Serienchampions. Doch wie schon gegen Mühlbach, hatte Yoshida noch einiges in der Hinterhand und fand unter dem Jubel der Fans zurück ins Match. 11:8, 11:2, 11:5 – die drei nachfolgenden Sätze gingen an Böblingens Nummer drei, die damit den zweiten Punktgewinn des Wochenendes für ihr Team in trockene Tücher packte.

Qianhong Gotsch zeigte sich glücklich und begeistert: „Ich bin zufrieden, das war heute super gut. Zwei Unentschieden am Wochenende gegen zwei Teams, die vor uns platziert sind, darunter den Deutschen Meister, viel besser geht es nicht.“

“Vor dem Spiel wären wir mit dem Unentschieden zufrieden gewesen, doch nachdem Josi und Kathrin jeweils 2:0 gegen Yoshida geführt hatten, sollten wir eigentlich gewinnen“, so eastside-Präsident Alexander Teichmann. „Alle unsere fünf Punkte waren letztlich souverän herausgespielt, deshalb können wir mit dem 5:5 nicht unbedingt zufrieden sein. Wir haben mit unserem letzten Aufgebot gespielt, da Nina in ihrem geplanten Urlaub ist, Ran Li-Kath noch immer verletzt ist und Britt mit Grippe im Bett liegt. Von daher ist das Ergebnis letztlich schon okay für uns.“

In ihrem zweiten Einzel gegen Annett Kaufmann hatte Ding Yaping das Heft fest in der Hand (Foto: Maria Wohllaib).

Der ttc berlin eastside bleibt mit nunmehr 8:4 Punkten Tabellenzweiter. Am Montag, den 18.12., kommt es in heimischer Halle zum große Showdown gegen den TTC 46 Weinheim in der Neuauflage des Meisterschaftsfinales der Saison 2022/23. Bei einem Sieg könnten die Hauptstädterinnen in der Tabelle noch an Langstadt vorbeiziehen und sich die inoffizielle Herbstmeisterschaft sichern, sofern Dachau gegen die Hessinnen ein wenig Schützenhilfe leistet. Die Sportvereinigung Böblingen, Tabellenvierter mit 6:6 Punkten, muss am Sonntag noch in Weinheim an die Tische und ist im Baden-Württemberg-Derby eher in der Außenseiterrolle, da der Gegner, auf allen Positionen gut besetzt, zuletzt wieder in Tritt gekommen ist und die Punkte will, um sich von der Abstiegszone zu entfernen.

TSV Langstadt – SV DJK Kolbermoor 5:5

Um 15.25 Uhr trat Langstadts Hallensprecher und Sportlicher Leiter Manfred Kämmerer ans Mikrophon, um offiziell die Pause einzuläuten. 4:0 stand es da für seinen TSV gegen den SV DJK Kolbermoor, Deutscher Meister von 2018 und Pokalchampion von 2019, jedoch als Schlusslicht der 1. Bundesliga Damen angereist. Beide Doppel sowie der erste Durchgang im Spitzenpaarkreuz waren komplett an die Südhessen gegangen, auch wenn bis dahin alles sehr eng und umkämpft war. Kämmerer zeigte geradezu prophetische Gaben, übermittelte er doch den Zuschauern folgende Botschaft: “Wir führen zwar mit 4:0, doch entschieden ist noch nichts und es kann noch spannend werden. Schließlich hat Kolbermoor vor einigen Wochen in Weinheim schon mit 0:5 zurückgelegen und noch ein 5:5 geschafft.”

Eine Dreiviertelstunde später sah es allerdings noch so aus, als hätte Kämmerer nur tiefgestapelt und der Siegpunkt wäre nur eine Frage der Zeit. 5:1 stand es da für die Langstädterinnen nach der erwarteten Niederlage der jungen Ersatzspielerin Lorena Morsch gegen Abwehrstrategin Svetlana Ganina und Izabela Lupuleskus 3:1-Erfolg gegen Naomi Pranjkovic. Doch die Partie kippte, denn von da an gingen sämtliche ausstehenden Matches, also der komplette zweite Durchgang, an den Gast aus Oberbayern, kurioserweise alle in vier Sätzen, sodass um 17.35 Uhr tatsächlich das Endergebnis von 5:5 auf der Anzeigetafel stand.

Lorena Morsch (links) und Franziska Schreiner freuen sich über ihren Sieg im Doppel (Foto Roscher).

Die circa 150 Tischtennisfans in der Langstädter Eckehard-Colmar-Halle hatten eine packende, dramatische Bundesligapartie mit zwei vollkommen unterschiedlichen Hälften erlebt. Eine Achterbahn der Emotionen mit einem letztlich sicher gerechten Ergebnis, denn wer nie aufgibt und bis zum letzten Ballwechsel alles versucht, wie das Gästeteam aus Oberbayern, nimmt gewiss nicht unverdient etwas Zählbares mit nach Hause. Ein wenig ärgerlich war es aus Sicht der Südhessen aber schon, da sie sehr lange klar auf Siegeskurs zu sein schienen, jedoch die hohe Führung nicht über die Ziellinie bringen konnten. Doch die Zuschauer waren keineswegs unzufrieden oder verärgert, da die Langstädter Spielerinnen alles gegeben hatten.

Zudem waren die starken Auftritte der beiden Langstädter Doppel Franziska Schreiner/Lorena Morsch (3:1 gegen Hana Arapovic/Svetlana Ganina) und Chantal Mantz/Izabela Lupulesku (3:1 gegen Kristin Lang/Laura Tiefenbrunner) ebenso aller Ehren wert wie die drei Einzelerfolge.

So behielt Chantal Mantz gegen Hana Arapovic die Oberhand (3:1), Franziska Schreiner wehrte bei ihrem hauchdünnen 3:2-Erfolg gegen Kristin Lang insgesamt sieben Matchbälle ab und Izabela Lupulesku gab sich beim 3:1 über die hochtalentierte Naomi Pranjkovic keine Blöße – alles sehenswerte Matches auf hohem Niveau. Lediglich die 15-jährige Lorena Morsch ging diesmal leer aus. Am Vorabend noch mit der zweiten Mannschaft beim 5:5 im bayrischen Langweid am Tisch, erhielt sie 16 Stunden später ihren dritten Saisoneinsatz im “A-Team”, biss sich aber an Defensivkünstlerin Svetlana Ganina die Zähne aus und zollte später im letzten Match des Tages gegen Naomi Pranjkovic ihren Nerven Tribut, obwohl sie eigentlich gleichwertig war. Die Satzergebnisse verraten es: 10:12, 11:9, 10:12, 10:12.

Gleiches galt natürlich auch für Kolbermoors Asse, auch sie hatten viel investiert und alles gegeben. Was eine Kristin Lang etwa in ihrem zweiten Einzel gegen Chantal Mantz aus Vorhand und Rückhand auf den Tisch zauberte, war schon Extraklasse. Besser als zu besten Zeiten! Ihr Auftritt war eine Art Signal für ihr gesamtes Team, durch das nochmal ein Ruck ging. Auf einmal glaubten die Spielerinnen aus Bayern wieder an ihre Chance und strahlten diese Zuversicht auch deutlich erkennbar aus. Auf einmal gelangen ihnen plötzlich auch die Bigpoints, die zuvor fast alle an Langstadt gegangen waren. So etwa der 19-jährigen Kroatin Hana Arapovic im sehenswerten Duell mit der zwei Jahre älteren Franziska Schreiner. Svetlana Ganina überzeugte auch gegen Izabela Lupulesku, die mit einer 9:1-Bilanz gegen die 45-jährige Russin an den Tisch gegangen war, nach dem gewonnenen ersten Satz aber nichts mehr ausrichten konnte.

“Wir sind unglaublich gut ins Spiel gestartet, gerade die Siege im vorderen Paarkreuz waren sagenhaft”, bilanzierte Trainerin Anna Rauch. “Leider konnten wir dann die 5:1-Führung nicht nach Hause bringen. Allem in allem können wir dennoch zufrieden sein.” Manfred Kämmerer gestand aber ein, dass man am Ende doch ein wenig mit dem Schicksal haderte: “Ein 5:5 Unentschieden, dass sich nach der hohen Führung aber eher wie eine Niederlage anfühlte.”

“Es ist natürlich schon ein bisschen schade, dass wir unsere sehr hohe Führung nicht zum Sieg nutzen konnten”, gab “Franzi” Schreiner zu Protokoll. “Wir haben halt am Anfang alle sehr gut gespielt und hatten auch das nötige Glück, am Ende dann leider nicht mehr. Unter dem Strich war es aber wohl schon ein gerechtes Ergebnis, da ja fast jedes Spiel äußerst eng war. Kolbermoor war ein starker Gegner und gegen ein solches Team ist auch ein Unentschieden etwas wert.”

Zeigte gegen Chantal Mantz Tischtennis vom Feinsten: Kristin Lang (Foto Roscher).

„Das war wieder ein ziemlich verrücktes Spiel, das zeigt, dass zu jeder Zeit alles möglich ist“, so das Urteil von Kolbermoors Trainer Michael Fuchs. „Wir sind wieder einmal leider schlecht in den Doppeln gestartet. Kristin muss das Spiel gegen Franzi bei 2:1 und 10:6 zumachen. Doch irgendwie klappt in der ersten Hälfte gar nichts. In der Pause habe ich noch zu meinen Spielerinnen gesagt, dass wirklich jedes Spiel, jeder Satz zählt und das Spiel noch nicht vorbei ist. Und irgendwie hat sich das Momentum dann gedreht.“ Auf einmal klappte alles wie am Schnürchen: „Hervorzuheben ist sicher Svetlana, die die Wende praktisch eingeleitet hat, und danach war es eine geschlossene Mannschaftsleistung, wo alle ihren Teil dazu beigetragen haben – sowohl in der Box als auch auf der Bank. Kristin und Hana gewinnen in sehr umkämpftem Spielen gegen Chanti und Franzi, Svetlana abgezockt gegen Izabela und dass Naomi am Schluss dem Druck gegen Lorena standgehalten hat, freut mich sehr. Ebenso hat auch Laura ihren Teil zum Punkt beigetragen und nach dem Doppel alle unterstützt.“ Fuchs zieht eine kurze Bilanz der ersten Halbrunde: „Mit dem Punktgewinn war das ein versöhnlicher Abschluss einer für uns doch etwas verrückten Vorrunde. Die Liga ist so eng zusammen wie noch nie, und jeder Punktgewinn kann am Ende entscheidend sein.“

Der TSV Langstadt bleibt Tabellenführer mit nun 9:3 Punkten, einen Zähler vor Serienmeister Berlin, der am Sonntagvormittag in Böblingen ebenso einen Punkt einbüßte. Am kommenden Sonntag bestreitet man das letzte Vorrundenspiel beim Tabellensiebten TSV Dachau und könnte aus eigener Kraft die inoffizielle Herbstmeisterschaft erringen.

Starkes Spiel gegen „Franzi“ Schreiner: Hana Arapovic (Foto Roscher).

Kolbermoor, das mit der heutigen Partie die Vorrunde abgeschlossen hat, konnte jedenfalls die rote Laterne loswerden. Man schob sich mit 5:9 Zählern auf den fünften Platz vor, könnte jedoch noch von Dachau und Weinheim überholt werden. Auf jeden Fall bleibt man aufgrund des besseren Spielverhältnisses vor Jena, das auch bereits sämtliche Vorrundenpartien bestritten und ebenfalls 5:9 Punkte auf dem Konto hat.

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Beitragsbild oben: Im Doppel und im Einzel gegen Kristin Lang stark: Langstadts Nummer zwei Franziska Schreiner (Foto Roscher).

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