Letzter Vorrunden-Spieltag: Drei Kandidaten für die Herbstmeisterschaft

Von Stephan Roscher|Dezember 15, 2023|bundesliga

Am dritten Adventswochenende wird es nochmals spannend. Eine Vorrunde mit außergewöhnlich vielen engen, umkämpften Partien findet ihren Ausklang mit vier Duellen, bei denen man keine Prognosen wagen möchte. Noch drei Teams könnten sich die inoffizielle Herbstmeisterschaft sichern. Langstadt aus eigener Kraft – ein Sieg in Dachau und alles wäre klar. Berlin ist vor dem Kracher gegen Weinheim auf Schützenhilfe aus Bayern angewiesen. Und wenn zwei sich streiten, freut sich womöglich der Dritte: Bingen könnte tatsächlich auch noch auf Platz eins landen, doch dazu wäre ein Sieg in Dachau Pflicht und Langstadt wie auch Berlin müssten patzen.

Samstag, 18.30 Uhr: TSV Dachau 65 – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim

Gelingt der TTG Bingen/Münster-Sarmsheim ein Sensations-Coup? Ohne Topstars, dafür aber mit einem beeindruckenden Teamgeist und einer außergewöhnlichen mannschaftlichen Geschlossenheit haben es die Rheinhessinnen, letzte Saison lange ein potenzieller Abstiegskandidat, auf den dritten Platz dieser superstarken Liga geschafft. 7:5 Punkte, das ist schon deutlich mehr, als man sich vor dem Rundenstart von der ersten Saisonhälfte versprochen hatte.

Bei einem Sieg in Dachau – ein schwieriges Unterfangen, doch ausgeschlossen ist gar nichts, gerade in dieser Saison nicht – könnte es sogar noch weiter nach oben gehen. Das Szenario wäre folgendes: Langstadt verliert in Dachau und steht bei 9:5 Punkten. Berlin spielt Unentschieden gegen Weinheim und hätte dann ebenfalls 9:5. Ja und dann könnte der “Underdog” vom Rhein tatsächlich an beiden vorbeiziehen, etwa wenn er 6:3 in Dachau gewinnt und Langstadt tags darauf mit demselben Resultat bei den Oberbayern den Kürzeren zieht. Dann wäre nämlich auch die TTG bei 9:5 angekommen und stünde aufgrund des besseren Spielverhälnisses nicht nur vor dem ttc eastside, sondern auch vor dem hessischen Vertreter.

Lea Rakovac (Einzelbilanz 7:5, Doppelbilanz 5:1) will mit Bingen etwas Zählbares aus Dachau mitnehmen (Foto: Maria Wohllaib).

Wer will das kategorisch ausschließen, auch wenn es mit einigen Konjunktiven verbunden ist. Da kommt einem spontan die frühere Toyota-Werbung mit dem Slogan “Nichts ist unmöglich ….” in den Sinn. Die Mannschaften sind leistungsmäßig so dicht beieinander, dass derjenige, der ohne großen Druck an die Tische geht, gute Erfolgschancen besitzt. Und für Bingen wäre auch eine Niederlage kein Beinbruch, mehr als der Klassenerhalt und vielleicht gerade so noch ein Plätzchen im Viertelfinale steht ja gar nicht auf der Agenda. Mit Sally Moyland und Diya Chitale hat man zudem noch zwei richtig gute Spielerinnen in der Hinterhand, die gewiss in der Rückrunde zu ihren Einsätzen kommen werden. Vielleicht zaubert man eine von beiden ja auch schon in Dachau aus dem Hut, Moyland hat ja schon einmal im TTG-Dress geglänzt, doch zu rechnen ist eher mit dem eingespielten Erfolgsquartett.

Andererseits ist die individuelle Klasse der Dachauerinnen beeindruckend. Und der Teamspirit passt ja auch beim TSV. Falls Sabine Winter, Liu Yangzi und Tin-Tin Ho die ersten drei Positionen einnehmen, ist das schon eine Hausnummer. Die Nummer vier könnte da etwas abfallen, doch mit drei starken Spielerinnen und erfolgreichen Doppeln – Winter/Liu stehen 5:0 – kann man fast jeden Gegner schlagen. Dachaus Trainer Alexander Yahmed kündigt an, dass man gerade vor heimischer Kulisse eine gute Figur abgeben möchte: “Es sind zwei Heimspiele und da wollen wir schon zeigen, was wir können. Was dann am Ende rauskommt, ist schwer zu sagen, aber wir werden versuchen, dagegen zu halten.”

Bingens Vorstandschef Joachim Lautebach freut sich auf die Tischtennis-Reise in den Süden. “Im Moment fällt eine Prognose sehr schwer bei der Ausgeglichenheit der Klasse”, so Lautebach. “Zuletzt dreimal 5:5, das ist schon beachtlich und zeigt, dass die Mannschaften unheimlich eng zusammen sind, egal auf welchem Platz sie gerade stehen.” Man kennt es bereits: “Für uns ist es wieder dieselbe Konstellation wie gegen Böblingen. Wir kommen wieder gegen ein Team mit einem sehr starken vorderen Paarkreuz und rechnen erneut mit einem schwierigen, engen und spannenden Spiel und gutem Sport. Für uns ist auch wichtig, dass sich unsere Spielerinnen regeneriert haben, also die beiden, die letzten Sonntag quasi mit Grippe gespielt haben.” Lautebach träumt aber nicht vom Spitzenplatz über die Feiertage, auch wenn dieser, wie dargelegt, keineswegs unmöglich wäre: “Wir hoffen, dass wir wieder über die mannschafliche Geschlossenheit vielleicht einen Punkt ergattern können, was für uns ein schöner Abschluss der Vorrunde wäre.”

Sonntag, 12.00 Uhr: TTC 1946 Weinheim – SV Böblingen

Vor dem großen Showdown am Montag in der Hauptstadt, wollen sich die Weinheimerinnen so richtig auf Betriebstemperatur bringen. Müssen sie auch, denn das Baden-Württemberg-Derby gegen den Tabellenvierten, der zwei Pluspunkte mehr auf dem Konto hat, ist sicher eine Art Schlüsselspiel und wegweisend für den weiteren Verlauf der Saison.

Würde der TTC beide Zähler in Nordbaden behalten, wäre er selbst erst einmal im gesicherten Mittelfeld angekommen und könnte um einiges entspannter zum Knüllerspiel in die Hauptstadt reisen. Doch auch hier ist es unmöglich, Prognosen zu treffen.

Annett Kaufmann ist im Spitzenpaarkreuz immer für zwei Punkte gut. Allerdings wird die 17-jährige deutsche Nationalspielerin mit Bruna Takahashi und Yuan Wan auf zwei richtig starke Gegnerinnen treffen (Foto Roscher).

Das Böblinger Spitzenpaarkreuz mit Qianhong Gotsch und Annett Kaufmann ist so gut, dass alles möglich scheint, auch ein 4:0 für die Gäste an den Positionen eins und zwei. Jeder Punkt allerdings, den Weinheim vorne macht – und Bruna Takahashi wie Yuan Wan sind ja selbst Ausnahmespielerinnen -, wäre eine Art Break, denn hinten dürften die Weinheimerinnen im Vorteil sein, auch wenn Mitsuki Yoshida ziemlich unberechenbar ist.

Zuletzt erreichte die SVB sowohl ein Remis in Bingen als auch tags darauf gegen Serienmeister Berlin, auch wenn letzterer personell nicht aus dem Vollen schöpfen konnte. In Weimheim wird natürlich auch einiges von den Doppeln abhängen. Wer da den besseren Start erwischt, kann eventuell das gesamte Spiel davon zehren. Auf dem Papier sieht es diesbezüglich etwas günstiger aus für den Gastgeber, dessen bisherige Doppelbilanz von 5:5 besser ist als die der Schwaben (4:8).

Yuan Wan steht aktuell vorne 6:4 und würde ihre Bilanz am Wochenende gerne ausbauen (Foto Roscher).

Weinheims Macher und Manager Christian Säger stellt klar: “Wir müssen und wollen versuchen, in den beiden Spielen gegen Böblingen und Berlin noch Punkte einzufahren. Sonntag zu Hause gegen Böblingen ist wieder so ein 50:50 Match. Wir werden in bester Aufstellung antreten und alle Spielerinnen sind fit und motiviert.“ Trotz großen Respekt für den Gegner, zeigt sich Säger optimistisch: „Mit Gotsch und Kaufmann haben die Schwaben ein tolles erstes Paarkreuz. Aber auch wir sind nicht so schlecht besetzt und rechnen uns schon gute Chancen aus, die Punkte in Weinheim behalten zu können.“

„Mit Weinheim hat die SVB zuletzt keine guten Erfahrungen gemacht“, ruft Böblingens Pressewart Manfred Schneider in Erinnerung. „Gleich viermal war man in der letzten Saison zweiter Sieger. Zweimal in der Liga und zweimal in den Play-off-Halbfinals. Allerdings tat sich Weinheim in der aktuellen Saison bisher schwer. Nach zwei Unentschieden gelang dem deutschen Vizemeister erst im fünften Spiel gegen Dachau der erste Saisonsieg.“ Nach der Wunschausbeute am letzten Wochenende mit 2:2 Punkten, sieht Schneider die Böblingerinnen auch in Nordbaden nicht chancenlos: „Gegen Weinheim ist man wieder Außenseiter. Doch die aktuelle Topform von Qianhong Gotsch und Annett Kaufmann sowie die Comeback-Qualität von Mitsuki Yoshida lassen die Reise nicht aussichtslos erscheinen.“

Qianhong Gotsch ist und bleibt ein Phänomen. 10:2 steht die 55-jährige Abwehrstrategin im Spitzenpaarkreuz der stärksten Liga Europas und dürfte auch in Weinheim eine realistische Chance auf einen, wenn nicht sogar zwei Siege besitzen (Foto: Petra Steyer).

Sonntag, 14.00 Uhr: TSV Dachau 65 – TSV Langstadt

Der TSV Langstadt hat eine vorzügliche Vorrunde gespielt und könnte diese am Sonntag im oberbayrischen Dachau krönen. Auch wenn man sich zuletzt zweimal vor heimischer Kulisse mit Punkteteilungen zufrieden geben musste, gegen Kolbermoor letzten Sonntag nach zwischenzeitlicher 5:1-Führung, ist man immer noch Spitzenreiter in der stärksten nationalen Liga Europas.

Gelänge in Dachau ein Punktgewinn, könnte das bereits zur Herbstmeisterschaft reichen. Zwar stellt diese nur einen inoffiziellen Titel dar, gut tut sie aber allemal und lässt den “Titelträger” selbstbewusst in die zweite Saisonhälfte gehen. Dies möchten die Südhessinnen, so dicht vor dem Ziel, in die Tat umsetzen, auch wenn Dachau mit seinem spielstarken vorderen Paarkreuz ein echter Prüfstein sein wird.

Falls Langstadt tatsächlich das dritte Remis in Serie verbucht, müsste der amtierende Meister berlin eastside schon die Weinheimerinnen mit 6:0 schlagen. Möglich ist alles, doch in dieser ausgeglichenen Liga sind eben eher knappe Resultate wahrscheinlich. Sollte neben den ohnehin bärenstarken Sabine Winter und Liu Yangzi auch noch Tin-Tin Ho zum Einsatz kommen, wird es für die Hessinnen schwierig. Der TSV tritt die Reise nach Oberbayern indes mit Selbstbewusstsein an. Auch dort werden sicher wieder Chantal Mantz, Franziska Schreiner und Izabela Lupulesku an Bord sein. Wer an Position vier aufschlägt, bleibt vorerst offen. Einiges deutet auf Alena Lemmer aus der Zweitligamannschaft hin, sicher die derzeit stärkste Spielerin des “B-Teams”. Der Verein selbst macht indes, wie immer, keine Angaben zur Aufstellung.

Will auch in Dachau mit ihrem Team etwas reißen und die Herbstmeisterschaft eintüten: Chantal Mantz (Foto Roscher).

Dachau ist aktuell zwar Tabellenvorletzter, doch mit zwei Heimsiegen am Wochenende könnte man noch bis auf Platz drei nach oben schießen. Winter und Co. sind keineswegs Außenseiter, die Tabelle sagt hier wenig aus. Langstadt ist als einziger Bundesligist bisher noch ohne Niederlage und möchte dies natürlich gerne bleiben.

“Nach der Tabelle sind wir wohl in beiden Spielen Außenseiter, aber es sind auch zwei Heimspiele und da wollen wir schon zeigen, was wir können”, unterstreicht Tischtennislehrer Alexander Yahmed, der die Oberbayern coacht. “Was dann am Ende rauskommt, ist schwer zu sagen, aber wir werden versuchen, dagegen zu halten.”

Wenn sich Sabine Winter in Topform präsentiert, dürfte es für den Tabellenführer sehr schwer werden, in Oberbayern zu punkten (Foto: Armin Schimkat).

“Gerne wollen wir auch im letzten Vorrundenspiel ungeschlagen bleiben und auch in Dachau etwas mitnehmen”, sagt Langstadts Sportlicher Leiter Manfed Kämmerer. “Dachau hat mit Sabine Winter und Yangzi Liu ein sehr starkes vorderes Paarkreuz. Da müssen unsere Mädels über sich hinauswachsen, um etwas zu holen.” Man rechnet mit einem Gegner in Bestbesetzung. “Da Dachau am Samstag schon spielt, gehen wir davon aus, dass auch Neuzugang Tin-Tin Ho mit von der Partie ist. Eine ganz schwere Aufgabe damit für uns, doch wir haben zuletzt genug Selbstvertrauen getankt”, so Kämmerer.

Montag, 17.30 Uhr: ttc berlin eastside – TTC 1946 Weinheim

Dass die inoffizielle Herbstmeisterschaft kein Muster ohne Wert ist, unterstreicht der Hauptstadtklub, der auf eine Niederlage der Langstädterinnen setzt, um sich tags darauf gegen Weinheim selbst die Herbstmeisterschaft zu schnappen.

“Wir werden jedenfalls in Bestbesetzung antreten und wollen dann die Herbstmeisterschaft noch holen”, gibt Berlins Präsident Alexander Teichmann vor dem letzten Hinrunden-Spiel zu Protokoll. “Wir gehen davon aus, dass Dachau gegen Langstadt gewinnt und wir dann die Möglichkeit haben, uns diesen inoffiziellen Titel überraschend doch noch zu sichern.” Teichmann freut sich auf die Neuauflage des Meisterschaftsfinales der Saison 2022/23: “Weinheim ist ein starker Gegner und es wird sicher ein attraktives Spiel für die Zuschauer.”

Wie viele allerdings zu dem ungewöhnlichen Spieltermin am Montag um 17.30 Uhr im Sportkomplex Paul-Heyse-Straße erscheinen werden, muss man abwarten. Auch wenn zwei Topmannschaften aufeinandertreffen, Berlin sowieso und die Weinheimerinnen sollte man nicht an dem schwachen Saisonstart messen. Und schon gar nicht am Tabellenplatz, denn momentan steht man noch ganz hinten – mit 4:6 Punkten ist man Schlusslicht, das gibt es auch nur diese Saison und nur in der 1. Bundesliga Damen.

Sabina Surjan (hier im Doppel mit Josi Neumann) hat keine überzeugende Vorrunde gespielt. Gegen Weinheim will die junge Serbin aber nochmal Gas geben, um sich mit einem positiven Eindruck in die Feiertagspause zu verabschieden (Foto Roscher).

Zuletzt, beim 6:3 gegen Dachau, spielten die Weinheimerinnen schon wieder beinahe so mitreißend wie in der Vorsaison, der bisher klar besten der Vereinsgeschichte, die mit der Vizemeisterschaft endete. Und gegen berlin eastside sind Bruna Takahashi, Yuan Wan, Meteja Jeger, Sophia Klee und Daria Trigolos ohnehin top motiviert. Letzte Saison brachte man das Kunststück fertig, die Hauptstädterinnen in beiden Punktspielen zu schlagen. Erst in den Play-off-Finalspielen musste man sich der “Übermannschaft” beugen. Folglich fährt man keineswegs mit schlotternden Knien in die Spree-Metropole.

Man darf gespannt sein, wie sich am Tag nach der Partie Dachau vs. Langstadt die Ausgangslage darstellt und ob Berlin tatsächlich ein furioses 6:0 benötigt, um Herbstmeister zu werden. Ein solcher Kantersieg gegen Weinheim in Bestbesetzung ist eigentlich fast ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst für den Serienmeister und selbst wenn sich Nina Mittelham, Britt Eerland, Sabina Surjan und Ding Yaping – mit dieser Aufstellung ist zu rechnen – in Galaform präsentieren sollten. Wobei in dieser Liga der Extreme eigentlich alles irgendwie möglich erscheint. Auch dass es ein 5:5 gibt, so wie am letzten Wochenende in sämtlichen drei Partien.

„Gleich nach dem Match gegen Böblingen fahren wir nach Berlin, um dann dort am Montag das letzte Punktspiel im Jahr 2023 zu bestreiten“, so Weinheims Manager Christian Säger. „Hier hängt natürlich alles von der Aufstellung von Berlin ab. Wir werden mit allen Spielerinnen vor Ort sein, um auch dort unser bestes Tischtennis abzurufen.“

Mateja Jeger wird im hinteren Paarkreuz vermutlich auf Sabina Surjan und Ding Yaping treffen. Man darf gespannt sein, wie sich die 28-jährige Kroatin in der Hauptstadt schlagen wird (Foto: Armin Schimkat).

Im Augenblick sieht es so aus, als ob beide Teams tatsächlich alles an die Tische bringen werden, was Rang und Namen hat. Doch Weinheim braucht sich nicht zu verstecken und wird dies auch nicht tun. Es könnte ein richtig spannender Abschluss einer insgesamt bemerkenswerten Vorrunde werden.

Links

1. Bundesliga Damen auf tischtennis.de

1. Bundesliga Damen auf click-TT: Spielplan, Infos und Tabelle

Liveticker

Beitragsbild oben: Nina Mittelham wird gegen Weinheim als Berlins Nummer eins in die Box gehen (Foto: Maria Wohllaib).

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