Weinheim krönt Traumwochenende, eastside lässt Bingen keine Chance, Punkteteilung in Langstadt

Von Stephan Roscher|November 27, 2022|bundesliga

Erster Bundesliga-Sieg für Josi Neumann

Ein Tischtennis-Wochenende der Superlative ist in der 1. Bundesliga Damen zu Ende gegangen. Der TTC 46 Weinheim präsentierte sich auch im Spitzenspiel in Böblingen sensationell gut und schob sich durch seinen 6:3-Erfolg sogar an die Tabellenspitze. Der ttc berlin eastside spielte sich in Bingen den Frust vom Weinheim-Spiel von der Seele und ließ dem Gegner beim 6:1 keine Chance. Nicht bloß ein Randthema der Partie war der erste Bundesligasieg der 12-jährigen Josi Neumann, die den Krimi gegen Katerina Tomanovska in fünf Sätzen gewann und dabei nicht nur nervenstark agierte, sondern auch spielerische Highlights setzen konnte. In Langstadt schließlich gab es tatsächlich das von manchem erwartete Unentschieden, dem aber ein ungemein spannendes Drei-Stunden-Duell vorausgegangen war, bei dem der TSV Schwabhausen von den Doppeln an bis zum 5:3 immer vorne gelegen hatte.

SV Böblingen – TTC 1946 Weinheim 3:6

Ein Traum-Wochenende für den TTC 1946 Weinheim fand in Böblingen seinen würdigen Abschluss. Zwei Partien gegen hochkarätige Gegner, gegen die man sich zuvor, trotz Bestbesetzung, als klarer Außenseiter gefühlt hatte, und zwei glänzende Siege. Man hat sich damit in der Tabelle nicht nur weit nach vorne geschoben – für die Nordbadener ist die Vorrunde mit dem heutigen 6:3-Auswärtserfolg bereits beendet –, sondern sich mit 9:5 Punkten sogar die vorläufige Tabellenführung in dieser starken, ausgeglichenen Liga gesichert. Die Nordbadenerinnen sind zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Spitzenreiter der 1. Bundesliga Damen. Die 9:5 Zähler sind umso bemerkenswerter, als man in den ersten drei Partien mit Personalproblemen zu kämpfen hatte und vor acht Tagen noch mit 3:5 Punkten notiert war.

Noch ungeschlagen: Weinheims Doppel Takahashi/Jeger (Foto Armin Schimkat).

In Böblingen erwischten die Weinheimerinnen einen Traumstart. Beflügelt durch das sensationelle Berlin-Spiel vom Vortag, führten die Gäste nach den beiden Doppeln und den Matches im vorderen Paarkreuz recht schnell mit 4:0, und die Gastgeberinnen, selber als Spitzenreiter in die Partie gegangen, wussten gar nicht, wie ihnen geschah. Allerdings bäumten sich die Schwäbinnen nochmals auf und zeigten Moral. Nach der Pause agierten sie auf Augenhöhe, doch das Aufbäumen kam letztlich zu spät.

Bei Weinheim überragte erneut Bruna Takahashi (3:0 gegen Annett Kaufmann, 3:1 gegen Qianhong Gotsch), Yuan Wan konnte ebenfalls Gotsch schlagen (3:1), zog dann aber gegen eine sich immens steigernde Annett Kaufmann in vier Durchgängen den Kürzeren. Mateja Jeger steuerte mit einem 3:0 gegen Lin Chia-Hsuan einen weiteren Einzelpunkt bei – in den Doppeln hatten Wan/Klee und Takahashi/Jeger die Oberhand behalten.

Für die Sportvereinigung Böblingen waren, neben Kaufmann in ihrem zweiten Einzel, Lin (3:0 gegen Sophia Klee) und, ein wenig überraschend, auch Leonie Hartbrich nach starkem Auftritt gegen Jeger (3:2) erfolgreich. Im Böblinger Lager attestierte man der Deutsch-Ungarin „die beste Saisonleistung und viel Power-Tischtennis“, obwohl sie – ähnlich wie Annett Kaufmann – „unter der Woche fiebrig“ gewesen sei und deshalb nicht trainieren konnte, wie Pressewart Manfred Schneider in seinem lesenswerten Bericht anführt. Qianhong Gotsch, die schon ihre beiden Matches der Vorsaison gegen Takahashi verloren hatte, mühte sich gegen die starke Brasilianerin nach Kräften, mehr als ein Satzgewinn war aber nicht drin. Dazu spielt die aktuelle Nummer 24 der Welt einfach zu gut gegen Abwehr. Manfred Schneider: „Takahashis Rückhandschuss kam gegen Gotsch jedesmal wie ein Strich.“ „Ich hab‘ alles gegeben was ich konnte“, tröstete sich die Böblingerin. 

Qianhong Gotsch gab alles, doch es reichte nicht gegen Takahashi und Wan (Foto: Petra Steyer).

„Es war ein verdienter Sieg der Gäste“, so das Fazit von SVB-Coach Evelyn Simon. „Chancen für uns waren zwar da, doch Weinheim war einfach besser.“ Auch für die SVB ist damit die erste Halbserie bereits beendet, die man mit respektablen 8:6 Punkten abschloss. Die Böblingerinnen haben tolle Spiele gezeigt und waren wochenlang Spitzenreiter, also kein Grund, die Köpfe hängen zu lassen.

Es überrascht nicht, dass sich Weinheims Macher und Manager Christian Säger hochzufrieden zeigte. „Ein Wahnsinns-Wochenende“, freute sich Säger. „Schade, dass die Vorrunde vorbei ist. Aber Glückwunsch an unser gesamtes Team und die Trainer Andreas Dörner und Rainer Schmidt. Das Ziel Play-offs rückt in Reichweite.“ Säger lobte nicht zuletzt Weinheims Spitzenspielerin: „Heute war entscheidend, dass wir beide Eingangsdoppel gewonnen haben und Bruna Takahashi Ihre Form der letzten Saison wiedergefunden hat und überragend gespielt hat. Für den TTC 46 Weinheim war das ein toller Abschluss im Jahr 2022.“

TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – ttc berlin eastside 1:6

Das war deutlicher als erwartet. Der ttc berlin eastside spielte in Bingen so dominant und abgeklärt auf, als hätte es das 2:6 in Weinheim nie gegeben. Und es waren exakt dieselben Spielerinnen, die die Scharte vom Vorabend in überzeugender Manier auswetzten.

Nur in den Doppeln war die zuletzt so starke TTG auf Augenhöhe, da trennte man sich 1:1 – Elena Kuzmina und Katerina Tomanovska hatten zwar beim 0:3 gegen Lee Ho Ching und Sabina Surjan keine Chance, doch sorgten Lea Rakovic/Karolina Mynarova durch ein 3:1 über Ding Yaping/Josi Neumann für den Ausgleich. Aber danach marschierte der Rekordmeister, bei dem Hongkong-Ass Lee Ho Ching allmählich in Schwung zu kommen scheint. Die Asiatin verbuchte gegen Lea Rakovac (3:1) und Elena Kuzmina (3:2), die beide keineswegs schwach spielten, ihre ersten beiden Einzelsiege im Oberhaus des deutschen Damen-Tischtennis. Ding Yaping erledigte ihren Job beim 3:0 über Kuzmina sogar sehr souverän, ebenso Sabina Surjan gegen TTG-Spielertrainerin Karolina Mynarova (11:6, 11:4, 11:4).

Doch das eigentliche Highlight der Partie war das fünfte Match des Tages, in dem die zwölfjährige Josephina Neumann gegen die tschechische Linkshänderin Katerina Tomanovska, im hinteren Paarkreuz bis dahin immerhin mit knapp positiver Bilanz notiert, an den Tisch ging. Und seit heute ist Josi Neumann nicht mehr nur die jüngste Bundesligaspielerin aller Zeiten, sondern auch die erste Zwölfjährige, die ein Match in Europas Topliga gewonnen hat – und das vollkommen verdient nach auch spielerisch überzeugender Leistung in einem umkämpften Duell, in dem sich beide nichts schenkten. Und das, nach zwischenzeitlicher 2:0-Satzführung für Neumann, in den Entscheidungsdurchgang ging, in dem die junge Hessin in Diensten des Hauptstadtklubs immer am Ball blieb und aus einem 5:6-Rückstand ein 9:6 und kurz darauf ein 10:7 machte. Die ersten beiden Matchbälle vergab das Megatalent zwar noch, doch dann machte es den Sack zu zum im Berliner Lager heftig umjubelten 11:9.

Josi Neumann war nach ihrem Match gegen Tomanovska ziemlich geschafft und trotzdem begeistert: „Ich bin total happy, dass ich mein Spiel gewonnen habe, aber auch, weil ich heute mal der Mannschaft helfen und etwas zum Sieg beitragen konnte.“ Vater Sven, der sich häufig Bundesligaspiele anschaut, auch wenn seine Tochter nicht im Einsatz ist, freute sich: „Das war wirklich eines der besten Spiele, das ich je im hinteren Paarkreuz gesehen habe. Josi war selbst ein wenig überrascht, wie gut sie schon spielen kann. Heute hat sie ihr persönliches Level um 30 oder 40 Prozent gesteigert.“

Manager Andreas Hain hatte also Recht behalten, der vor der Saison gesagt hatte: „Josi wird bei uns nicht nur ihre Einsätze in der Bundesliga bekommen, sondern auch Spiele gewinnen.“ Den Anfang machte sie heute bei ihrem vierten Bundesligaeinsatz im fünften Saisonspiel des ttc eastside. Hain ließ es sich nicht nehmen, nochmals auf das Thema Josi Neumann einzugehen. „Ja, ich habe Recht behalten, aber gleich gegen Tomanovska, unfassbar!“, so Hain. „Viele hielten uns ja für verrückt und ahnungslos, als wir Josi für die Bundesliga geholt haben. Aber ihre Ergebnisse und Leistungen schon in den letzten Wochen haben gezeigt, dass sie in der Bundesliga mithalten kann. Der Sieg heute gegen Tomanovska war hochverdient und hervorragend herausgespielt.“ Zum Auftritt seines Teams in Bingen stellte der eastside-Manager fest: „Insgesamt haben wir eine tolle Mannschaftsleistung abgeliefert und kein Einzel verloren. Kompliment an die Mannschaft.“

Das Berliner Team in Bingen, v.l. Lee Ho Ching, Ding Yaping, Trainerin Irina Palina, Sabina Surjan, Josi Neumann (Foto: Sven Neumann).

Natürlich wollen wir den Gastgeber nicht vergessen, der ja auch am Geschehen beteiligt war und sich nach Kräften bemühte, wenigstens ein günstigeres Ergebnis herauszuholen. Wir haben mit dem TTG-Vorsitzenden Joachim Lautebach gesprochen. „Leider stand uns Diya Chitale nicht zur Verfügung, da sie wegen ihres Verbandes wieder nach Indien abreisen musste“, erläuterte Lautebach. „Ich finde, dass unsere Mannschaft gut gekämpft hat. Berlin ist ohne Frage der verdiente Sieger, allerdings ist das Ergebnis ein bisschen zu hoch ausgefallen, vielleicht sind wir etwas unter Wert geschlagen worden. Wir hatten unsere Chancen in einzelnen Spielen, doch Berlin hat heute die besseren Leistungen gezeigt, was man anerkennen muss.“ Lautebach fügte hinzu: „Wir machen unserer Mannschaft keine Vorwürfe, weil sie gut gespielt und den Zuschauern wieder schönen Sport geboten hat. Insgesamt war es ein guter Heimspielabschluss für die Hinrunde, wir wollen aber am 18.12. in Kolbermoor nochmal angreifen.“

Konnten heute nicht punkten: Katerina Tomanovska (links) und Doppelpartnerin Elena Kuzmina (Foto: Petra Steyer).

TSV Langstadt – TSV Schwabhausen 5:5

Wir hatten vor dem Spiel gemutmaßt, dass es auf eine Punkteteilung in Langstadt hinauslaufen könnte, weil beide schon letzte Saison zweimal mit einem Remis auseinandergegangen waren, weil Schwabhausen gegen starke Gegner mit Vorliebe Unentschieden spielt und Langstadt eine Woche zuvor einen 0:5-Rückstand in Böblingen noch in ein 5:5 ummünzen konnte. Und tatsächlich stand am Ende ein Remis auf dem Bogen. Klingt ein bisschen nach „Business as usual“, doch das war es beileibe nicht. Den geteilten Punkten gingen nämlich dramatische 185 Minuten vor 180 begeisterten Fans voraus, die das von den Doppeln an – letzte Saison Langstadts Stärke, diese Runde die Achillesferse – immer zurückliegende Heimteam nach vorne trieben. Und die einen gewissen Anteil daran hatten, das Schreiner und Co. am Ende aus einem 3:5 doch noch das 5:5 machen konnten. Ein tolles Spiel, das letztlich wohl auch keinen Sieger und schon gar keinen Verlierer verdient hatte.

Starkes Schwabhäuser Doppel: Orsolya Feher (links) und Sabine Winter (Archivfoto Roscher).

Ganz stark bei Langstadt präsentierten sich Minnie Soo und Franziska Schreiner. Die Honkong-Chinesin besiegte nicht nur Liu Yangzi in einem umkämpften Match mit 3:1, sondern brachte im Duell der Spitzenspielerinnen auch noch Sabine Winter die erste Saisonniederlage bei, ebenfalls in vier Sätzen. Und „Franzi“ Schreiner spielte hinten richtig souverän und gab gegen die Ungarinnen Orsolya Feher und Mercedesz Nagyvaradi keinen einzigen Satz ab. Zum Unentschieden punktete dann noch Tanja Krämer (3:0 gegen Feher), die zuvor gegen Nagyvaradi beim 0:3 ohne Chance geblieben war.

Für die Oberbayern waren in den Einzeln neben Nagyvaradi noch Sabine Winter und Liu Yangzi (3:0 bzw. 3:1 gegen Chantal Mantz) erfolgreich. In den Doppeln hatten beide Gästeformationen überzeugt, Liu/Nagyvaradi beim 3:2 über Soo/Mantz und Winter/Feher, die Schreiner/Krämer ebenfalls in fünf Durchgängen knapp auf Distanz hielten – nach 0:2 Satzrückstand.

Der TSV Langstadt steht mit nunmehr 6:6 Zählern auf dem fünften Tabellenplatz, Schwabhausen ebenfalls mit ausgeglichenem Punktverhältnis und einem Spiel weniger auf Rang sechs.  

„Wir sind sehr froh, dass wir nach leider wieder verpatztem Start heute gegen eine sehr starke Mannschaft noch einen Punkt holen konnten, und ich freue mich, dass ich mit zwei klaren Siegen dazu beitragen konnte“, sagte Franziska Schreiner. „Wieder ein schlechter Start von uns mit zwei verlorenen Doppeln, das hat sich leider heute fortgesetzt“, so Manfred Kämmerer. „Doch genauso hat wieder die Moral unseres Teams gestimmt und so haben wir wieder ein Unentschieden geholt, das man sicher als gewonnenen Punkt bezeichnen kann.“ Der Sportliche Leiter geizte nicht mit Lob für Langstadts Nummer eins und drei: „Überragend heute Minnie Soo und Franzi Schreiner mit je zwei gewonnenen Einzeln. Sensationell wie Minnie gegen die beste Spielerin der Liga, Sabine Winter, agiert hat. Und die Zuschauer waren heute wieder sensationell.“ „Am Anfang fehlte uns der Fokus und die Souveränität, um ein Doppel zu gewinnen“, bilanzierte Trainer Thomas Hauke. „In den Einzeln kamen wir besser ins Spiel. Minnie liebt einfach die Heimspiele in Langstadt und Franzi war heute mal wieder sehr abgeklärt und hat mit Powertischtennis überzeugt.“

Konnte sogar Sabine Winter besiegen: Minnie Soo (Foto: Armin Schimkat).

Auch wenn vielleicht mehr drin war, zeigte sich Schwabhausens Trainer Alexander Yahmed mit dem Remis absolut einverstanden. „Wir sind mit dem 5:5 in Langstadt sehr zufrieden und haben eine klare Leistungssteigerung vollzogen. Unsere Topspielerin war heute Yangzi, die wirklich sehr stark gespielt hat. Bei den Gastgebern war Franzi herausragend. Ihr Aufschlagspiel ist schwer zu berechnen, außerdem hat sie beidseitig stark gespielt. Insgesamt waren die Doppel aber entscheidend, sie haben uns das 5:5 gebracht.“

Beitragsbild ganz oben: Josi Neumann gelang gegen Katerina Tomanovska der von vielen zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwartete erste Sieg in Europas Topliga (Foto: Petra Steyer).

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