Starker Vorrundenabschluss für Weinheim: eastside verliert Tischtenniskrimi
ttc berlin eastside – TTC 1946 Weinheim 4:6
Erneut eine ganz enge Partie zweier gleichwertiger Teams beendete am Montagabend eine Vorrunde mit reichlich Pepp und Spannung. Eine Vorrunde, in der die Teams leistungsmäßig so dicht beisammen waren wie nie zuvor und sehr oft Kleinigkeiten sowie die Tagesform den Ausschlag gaben, wer punktete und wer leer ausging. Die Fans in der Spielhalle des Berliner Sportkomplexes Paul-Heyse-Straße erlebten einen Überraschungssieg von Vizemeister Weinheim bei der Neuauflage des Meisterschaftsfinales vom Juni.
Die allermeisten Zuschauer – trotz des ungewöhnlichen Termins waren immerhin fast 100 gekommen – hatten das nicht auf der Rechnung und lagen vor der Partie eher über die Höhe des erwarteten Berliner Sieges auseinander. Mancher mag auch angenommen haben, dass es ein 6:0 für die Gastgeber geben könnte – das Resultat, mit dem sich Mittelham und Co. noch die Herbstmeisterschaft gesichert hätten.
Weinheim zeigt ohne allzu großen Druck Tischtennis vom Feinsten
Doch was durch den Erfolg gegen Böblingen und die Außenseiterrolle in der Hauptstadt weitgehend vom Druck befreite Weinheimerinnen an die Tische brachten, war schon gewaltig, sodass früh klar war, dass die Berlinerinnen den inoffiziellen Herbst-Titel dem TSV Langstadt überlassen mussten.
Es war der zweite 6:4-Erfolg für die Nordbadener binnen 30 Stunden, die nach verpatztem Vorrundenstart gegen Ende immer besser wurden und tatsächlich dann auch vizemeisterlich spielten. Das muss man schon anerkennen, zumal Berlin in starker Aufstellung angetreten war, aber von den Doppeln an immer einem Rückstand hinterherlaufen musste. Das ging auch mental an die Substanz, gerade gegen einen derart starken Gegner. Sicher wäre auch eine Punkteteilung gerecht gewesen, doch auch so passte dieses Spiel zur Vorrunde, es bildete sozusagen deren würdigen Abschluss – dazu musste es einfach nochmal solch ein enges, umkämpftes Duell geben.
Zwei Doppel-Krimis stellen früh die Weichen
Das Spektakel begann mit Doppeln, die man wahrlich keinem Herzinfarktgefährdeten empfehlen konnte. Beide wurden erst in der Verlängerung des fünften Satzes entschieden und beide gingen an Weinheim. Die Formationen waren gleichwertig, ein 1:1 wäre sicher gerechter gewesen. 12:10 hieß es im Entscheidungsdurchgang für Yuan Wan/Sophia Klee – Weinheim setzte übrigens alle fünf Spielerinnen ein – gegen Nina Mittelham und Britt Eerland. Das andere Doppel verlief sogar noch einen Tick enger. Sabina Surjan und Josi Neumann, die vorzüglich aufeinander eingestellt sind, unterlagen nach großem Kampf unglücklich mit 7:11, 15:13, 11:8, 4:11 und 13:15 den Gästespielerinnen Bruna Takahashi und Mateja Jeger, die noch kein einziges gemeinsames Match abgegeben haben.
Mittelham stark, Eerland mit Problemen
Würde das starke Spitzenpaarkreuz des ttc eastside mit Nina Mittelham und Britt Eerland für den Gleichstand sorgen? In der Halle war die Hoffnung darauf spürbar, doch richtig gut spielte an diesem Abend nur Mittelham, während Eerland schon bessere Tage erwischt hatte. Zu kämpfen hatte aber auch die 27-jährige deutsche Nationalspielerin, um eine starke Yuan Wan mit 11:9 im fünften Satz niederzuringen. Berlins Holländerin blieb indes gegen eine überzeugende Bruna Takahashi an diesem Abend ohne Satzgewinn, auch wenn die Brasilianerin in den Durchgängen zwei und drei nur knapp die Nase vorn hatte. 3:1 für den Vizemeister, dem seine Führung aus den Doppeln, die natürlich auch Sicherheit verlieh, weiter zugute kam.
Surjan überzeugend, Neumann belohnt sich nicht für Topleistung
Hinten hatte Berlin Sabina Surjan und die junge Josi Neumann aufgestellt. Surjan befindet sich nach bescheidenem Saisonstart weiter im Aufwind und musste beim 3:0 über die Weißrussin Daria Trigolos lediglich im zweiten Durchgang (12:10) ein wenig bangen.
An ihr hat es nicht gelegen: Sabina Surjan (Foto Roscher).
Neumann bekam eine Herkulesaufgabe vorgesetzt, nämlich in Person der wahrlich unangenehm zu spielenden Kurznoppenspezialistin Mateja Jeger. Doch die 13-jährige Schülerin spielte gut und agierte taktisch clever. Lange war nicht abzusehen, wer dieses richtungsweisende Match gewinnen würde. 11:7 Jeger, 11:6 Neumann – so die ersten beiden Durchgänge, am Ende hieß es zwar 3:1 für Weinheims Kroatin, doch die Satzergebnisse drei und vier verraten, wie dicht Berlins Megatalent an einem Erfolg vorbeischrammte: 11:13 nach einem vergebenen Satzball und 13:15 nach zwei ungenutzten Chancen zum Satzgewinn. Im vierten Durchgang machte Neumann einen 5:10-Rückstand wett, um dann ihrerseits mit 12:11 und 13:12 in Führung zu gehen, doch es sollte einfach nicht sein. 4:2 – Weinheim lag weiter in Führung.
Mittelham gewinnt Duell mit Takahashi, doch Wan punktet gegen Eerland
Es folgte der zweite Durchgang des Spitzenpaarkreuzes. Nina Mittelham konnte am Ende auch Bruna Takahashi nach sensationellem Fight und einem zwischenzeitlichen 4:8-Rückstand im fünften Satz bezwingen. Bei 10:9 hatte die deutsche Nationalspielerin ihren ersten Matchball, bei 12:11 den zweiten – und den nutzte sie. Doch Britt Eerland musste, aus der Berliner Perspektive, nachlegen, denn jetzt war es Zeit für den Ausgleich, wenn man die Partie noch nach Hause bringen wollte. Eine ungemein fokussierte Yuan Wan dachte aber nicht im Traum daran, das zuzulassen. Durch ihr 13:11, 11:9, 11:6 schraubte sie den Zwischenstand auf 5:3.
In Feierlaune: Die Spielerinnen des TTC 46 Weinheim kurz nach Spielende, v.l. Daria Trigolos, Bruna Takahashi, Yuan Wan, Mateja Jeger, Sophia Klee (Foto privat).
Surjan auch gegen Jeger top, Neumann muss Trigolos gratulieren
Sabina Surjan präsentierte sich auch gegen Mateja Jeger von ihrer besten Seite und ließ ihr Team durch ein 11:8, 11:5, 10:12, 11:9 weiter hoffen. Doch nun musste Josi Neumann um jedem Preis gegen Trigolos punkten, sonst war es das für ihr Team. Nach Neumanns Auftritten im Doppel sowie im ersten Einzel erschien dies durchaus nicht unrealistisch, doch es war wohl ein wenig zu viel Druck für eine 13-Jährige. Unter Wert musste sich die Okarbenerin, die nicht mehr in ihr Spiel fand, mit 6:11, 7:11 und 7:11 geschlagen geben.
Die zweite Saisonniederlage des ttc berlin eastside war besiegelt, während die Weinheimerinnen sich über ihren dritten Sieg in Folge freuen durften – umso bemerkenswerter, weil man aus den ersten vier Partien lediglich zwei mickrige Punkte mitgenommen hatte. Jetzt ist man im „Flow“ und fast ein bisschen traurig, dass erst einmal die Feiertagspause den Siegeszug unterbricht. Doch allzu lange dauert diese nicht, am 6./7. Januar steht ja bereits das große Pokalturnier in der Hauptstadt an. In der Liga muss man sich dagegen länger gedulden, erst am 3. Februar geht es weiter mit dem Heimspiel gegen Aufsteiger Jena.
Konnte sich diesmal noch nicht belohnen für ein starkes Doppel und einen hervorragenden Auftritt gegen Mateja Jeger: Josi Neuman (Foto Roscher).
Säger freut sich über „wunderschönen Abschluss des Jahres“
Verständlich die Freude bei Christian Säger: „Ein wunderschöner Abschluss des Jahres 2023.“ Säger präzisierte: „Deutscher Vizemeister und heute gewinnen wir zum Jahresabschluss mit 6:4 beim Deutschen Meister. Berlin spielte heute mit einer Top-Besetzung und ich bin deshalb sehr stolz auf mein Team.“ Weinheims Manager fügte hinzu: „Eine unglaubliche Energieleistung, die zeigt, was alles möglich ist, wenn alle fünf Spielerinnen das abrufen, was Sie können. Zwei starke Doppel, wie auch gegen Böblingen, ebneten den Weg zum sensationellen Sieg. Jetzt können wir locker in die Rückrunde gehen und unser Ziel Play-offs weiter verfolgen. Die Liga selbst ist so ausgeglichen wie schon lange nicht mehr.“
Weinheimer Selfie in der Halle kurz nach Spielende (Foto privat).
Der ttc berlin eastside, in der Rückrunde mit Rückkehrerin Shan Xiaona noch stärker aufgestellt, muss nicht so lange warten wie der TTC 46 Weinheim. Schon am 14. Januar, also eine Woche nach dem Pokalknüller in eigener Halle, reist man nach Bingen zu einer weiteren interessanten Bundesliga-Begegnung.
Verrückte Liga: Bemerkungen zur Vorrunde 2023/24
Man schaue sich die Tabelle an in dieser – im besten Sinne – verrückten Liga: Ganz vorne Langstadt als einziges Team ohne Niederlage mit 10:4 Punkten, dahinter Berlin und Weinheim mit jeweils 8:6 Zählern, denen ein Duo mit 7:7 folgt, das aus Dachau und Bingen besteht. Böblingen ist Sechster mit 6:8 Punkten, gefolgt von Kolbermoor – zuletzt bärenstark – und Jena, die beide mit 5:9 ganz hinten stehen. Spätestens ab Platz vier beginnt die Zone der akut abstiegsbedrohten Teams, das ist unglaublich und hat es so noch nicht gegeben.
Ein ganz schmaler Grat liegt zwischen direkter Halbfinalteilnahme und Zittern bis zur letzten Sekunde. Verrückt und einzigartig zugleich – einigen wir uns auf einzigartig. Da Zweitliga-Primus Weil direkt wieder nach oben möchte, wird am Ende ein Erstligist absteigen, der nach menschlichem Ermessen gar nicht absteigen kann. Diese Konstellation verspricht Spannung ohne Ende für den weiteren Saisonverlauf. Wer im “richtigen” Moment zwei Spiele in Folge gewinnt, kann sich aus den Tiefen des Tabellenkellers weit nach oben katapultieren.
Und dass Langstadt, Berlin und Weinheim die direkten Halbfinalplätze unter sich ausmachen, ist auch noch nicht in Stein gemeißelt. Vieleicht sogar schafft es am Ende, schließlich hat jedes Team noch sieben nervenaufreibende Partien zu absolvieren, ein Bundesligist direkt in die Halbfinals, der momentan noch ausschließlich den Nichtabstieg im Sinn hat.
Packender Mannschaftssport auf Topniveau
Es ist einfach der helle Wahnsin und spielt sich zudem sportlich auf höchstem Niveau ab. Es ist das, was guten, packenden Mannschaftssport immer ausgezeichnet hat: Unter dem Strich liegt das, was die Teams als Ganzes zu leisten imstande sind, deutlich über der Summe der Einzelspielerinnen, wenn diese auf irgendwelchen großen Turnieren für sich alleine agieren. Es sind die Begeisterung und der Siegeswille sowie die Fans, die die Teams zu Leistungen puschen, die auf dem Papier eigentlich gar nicht erreichbar scheinen. Oft wird bei dem geradezu grandiosen Team-Spirit alles aus den Mannschaften herausgekitzelt, was irgendwie menschenmöglich ist. Nicht selten sind die Spielerinnen dann, selbst nach Siegen, in einem Loch und müssen erst einmal aus ihrem “Tunnel” auf den Boden zurückkommen, um wieder klar, nüchtern und realistisch denken zu können. Der Pegel an Stresshormonen muss dann erst wieder heruntergefahren werden. In den 28 Partien der ersten Halbserie haben wir das so oft erlebt, dass man diesen Effekt nicht in Abrede stellen kann.
14 Spiele, also genau die Hälfte, endeten übrigens mit einem Remis oder einem knappen 6:4 – darunter alleine acht Unentschieden. Auch unter den neun Partien mit einem 6:3-Endergebnis waren noch genügend hoch spannende Duelle. Fünfmal setzte sich ein Team mit 6:2 durch, während es nicht ein einziges 6:1 oder 6:0 gab, überhaupt keine Kantersiege, wann hat es das zuletzt schon mal gegeben?!
Die Elite kämpft um den Klassenerhalt
Die besten fünf Spielerinnen der Liga-Rangliste sind die Böblinger Spitzenspielerin Qianhong Gotsch (12:2), Dachaus Liu Yangzi (11:3) und Sabine Winter (10:4), Böblingens Nummer zwei Annett Kaufmann (10:4) und Jenas junge Japanerin Misuzu Takeya (7:3) – kurioserweise alles Spielerinnen von Teams, die noch lange nicht am rettenden Ufer sind und, zumindest theoretisch, absteigen könnten, jedenfalls eines davon. Man stelle sich das vor und lasse es sich auf der Zunge zergehen: Mit solchen Ausnahmespielererinnen könnte man absteigen – eigentlich geradezu absurd, und doch ist es Fakt.
Unglaublich: Die beste Spielerin der Liga, Qianhong Gotsch, muss mit der SV Böblingen um den Klassenerhalt bangen, obwohl sie mit Annett Kaufmann eine weitere Ausnahmekönnerin zur Seite hat (Foto Roscher).
Schauen wir uns die Doppel an, finden wir auf den beiden Spitzenplätzen die Formationen Sabine Winter/Liu Yangzi aus Dachau (6:1) sowie die Jenenserinnen Misuzu Takea/Ece Harac (5:0), auch beide aus Teams, die bei entsprechendem Pech nächste Saison zweitklassig sein könnten. Auf den Plätzen vier und fünf stehen die beiden bärenstarken Doppel aus Bingen, nämlich Elena Kuzmina/Katerina Tomanovska sowie Lea Rakovac/Karolina Mynarova (Bilanz jeweils 5:2) – auch Bingen darf sich trotz guter Vorrunde als Tabellenfünfter noch keineswegs sicher sein, auch in der Saison 2024/25 erstklassig aufzuschlagen.
Man könnte das fortführen und noch zahlreiche weitere Beispiele finden, doch dies mag für’s Erste genügen, um zu zeigen, was in der Rückrunde noch an spannenden und womöglich auch tragischen Momenten möglich sein könnte. In einer Saison, wie sie noch nie dagewesen ist, zumindest vermag sich kein Beobachter an etwas ähnliches zu erinnern.
Links
1. Bundesliga Damen auf tischtennis.de
1. Bundesliga Damen auf click-TT: Spielplan, Infos und Tabelle
Beitragsbild oben: Daria Trigolos konnte das entscheidende Match gegen Josi Neumann gewinnen (Foto Roscher).