Entscheidung vertagt, Herbstmeister steht noch nicht fest
Dachau und Langstadt teilen sich die Punkte, Weinheim schlägt Böblingen
Der letzte Vorrunden-Spieltag wurde am Sonntag mit zwei weiteren Partien fortgesetzt. Fiel Dachaus 6:2 über Bingen am Vortag unter die in dieser Saison eher seltene Rubrik “deutlicher Sieg”, waren nun wieder die typischen spannenden Duelle auf Augenhöhe angesagt, bei denen Nuancen über die Vergabe der Punkte entscheiden. Trotz seines superstarken Spitzenpaarkreuzes zog Böblingen bei Vizemeister Weinheim knapp mit 4:6 den Kürzeren. Tabellenführer Langstadt überstand die Hinrunde ungeschlagen und sicherte sich ein Remis bei starken Dachauerinnen.
Die Entscheidung über die Herbstmeisterschaft fällt erst am Montag. Um den inoffiziellen Titel zu ergattern, müsste Serienmeister Berlin allerdings Weinheim mit 6:0 bezwingen. Kurios: Zwischen Platz drei (Dachau) und acht (Jena) liegen ganze zwei Punkte. Eine unglaublich spannende Rückrunde ist geradezu vorprogrammiert.
Vorläufiges Fazit der Vorrunde in Kurzform: Die 1. Bundesliga Damen fasziniert mehr denn je, ihre Attraktivität ist ungebrochen, die Fans haben ihren Spaß und sehen hochklassiges Tischtennis mit teilweise extremen Spannungseffekten – so darf es gerne im neuen Jahr weitergehen.
TTC 1946 Weinheim – SV Böblingen 6:4
Rund 120 Fans erlebten in Weinheim einen 6:4-Erfolg des heimischen TTC gegen die SV Böblingen in der Tischtennis-Bundesliga. Je zwei herausragende Auftritte von Qianhong Gotsch und Annett Kaufmann im Böblinger Spitzenpaarkreuz waren für die Gäste gegen den Angstgegner zu wenig, gegen den man in der letzten Saison viermal den Kürzeren gezogen hatte.
Wie schon letzte Woche beim 5:5 gegen Berlin, gingen die Schwaben mit zwei Niederlagen aus den Doppeln heraus. Annett Kaufmann/Mitsuki Yoshida unterlagen in vier Sätzen, Qianhong Gotsch/Alexandra Kaufmann mit einem chancenlosen 0:3 ihren Weinheimer Gegnerinnen Bruna Takahashi/Mateja Jeger beziehungsweise Yuan Wan/Sophia Klee.
Der verpatzte Start ins Match schien Annett Kaufmann, die anschließend der Brasilianerin Bruna Takahashi im ersten Einzel gegenüberstand, wenig zu beeindrucken. Die Böblingerin gewann die ersten beiden Sätze gegen die Nummer 23 der Weltrangliste. Den dritten Durchgang holte sich Takahashi, im vierten verwandelte Annett Kaufmann ihren fünften Matchball zum 16:14. Qianhong Gotsch lieferte sich am anderen Tisch einen heißen Kampf mit Yuan Wan. Die Partie ging ebenfalls über vier Sätze, Qianhong Gotsch brauchte „nur“ drei Matchbälle, um das von ihren Teamkameradinnen umjubelte 14:12 gegen einzutüten. 2:2 zur Pause, alles war wieder offen. Doch das hintere Paarkreuz erwies sich – nicht zum ersten Mal – als der Böblinger Problembereich.
Die deutliche Niederlage von Alexandra Kaufmann gegen Mateja Jeger war einkalkuliert, während man Mitsuki Yoshida durchaus Chancen gegen Sophia Klee einräumte. Mit 9:11, 10:12, 10:12 unterlag Böblingens Japanerin ziemlich knapp. Die Nordhessin im Dress der Nordbadener wirkte in den entscheidenden Momenten nervlich stabiler. Wieder musste die Sportvereinigung Böblingen einem Rückstand hinterherlaufen.
Sophia Klee war mit der vollen Ausbeute – zwei Punkte in den Einzeln, einen im Doppel – am knappen Weinheimer Heimsieg beteiligt (Foto: Armin Schimkat).
Bruna Takahashi gegen Qianhong Gotsch, das Duell der beiden Spitzenspielerinnen, versprach Spannung und spielerische Klasse bei der immer wieder erfrischenden Konstellation Angriff gegen Abwehr. 4:1 lautete die bisherige Bilanz der bisherigen Duelle aus Sicht der Weinheimerin. Diesmal holte sich Böblingens Defensiv-Ikone nach ausgeglichenem Auftakt Satz drei mit 14:12 und schien auf einem guten Weg, ihre Ausbeute aufzubessern. Doch es wurde nochmals richtig spannend: „Hongi“ führte im Entscheidungsdurchgang 9:3, doch ihre Gegnerin glich mit kompromisslosem Angriff zum 9:9 aus. Die 55-jährige Böblingerin rettete sich dennoch zum 11:9-Sieg. Annett Kaufmann startete gegen Yuan Wan wie die Feuerwehr und gewann den ersten Satz mit 11:1. Das weckte den Widerstandswillen von Weinheims Nationalspielerin, die mit einem 11:9 konterte. Dann war wieder die 17-jährige Böblingerin an der Reihe. Mit hoher Trefferquote gewann die DTTB-Nationalspielerin auch ihr zweites Einzel an diesem Tag zum 4:4-Ausgleich.
Würde die SVB nun im hinteren Paarkreuz etwas Zählbares einfahren können, um sich ein Remis im Baden-Württemberg-Derby zu sichern oder würden Sophia Klee und Kolleginnen den Sack zumachen? Letzteres war der Fall. Alexandra Kaufmann war gegen Klee einen Satz lang richtig gut dabei und gewann diesen mit 13:11. Doch dann setzte sich die Weinheimerin zunehmend besser in Szene und sorgte für den erwarteten fünften Punkt. Mitsuki Yoshida agierte am Nachbartisch gegen Mateja Jeger auf Augenhöhe, lange war nicht annähernd abzusehen, wer das Match gewinnen würde. Jeger startete gut mit einer 2:0-Satzführung, Yoshida steckte nicht auf und kam zum Ausgleich. Die Japanerin gab dann aber ein 9:6 im fünften Satz noch her und unterlag mit 9:11.
„Ja, das war schade, aber es gibt so Tage, Mateja traf dem Ende zu wirklich jeden Ball perfekt“, wie Qianhong Gotsch später zu Protokoll gab, die ihre Teamkollegin in jenem Match betreut hatte. Gotsch zur Partie generell: „Wir haben um jeden Ball gekämpft, ich sowieso, aber auch die anderen drei. Mehr war heute für uns einfach nicht drin.“
Auch mit 55 kaum zu bezwingen: Qianhong Gotsch (Foto: Armin Schimkat).
Die SV Böblingen holte in der Vorrunde zwar 6:8 Punkte und stellte mit Qianhong Gotsch (12:2) und Annett Kaufmann (10:4) die beste sowie die drittbeste Spielerin der Liga, hat aber nur einen Pluspunkt Vorsprung auf den einzigen Abstiegsplatz. Dass man mit solchen Spielerinnen an Bord auch im neuen Jahr um den Klassenerhalt bangen muss, unterstreicht die extreme Qualität der Liga. Am 14. Januar empfängt man den SV DJK Kolbermoor zu einer weiteren spannenden und richtungsweisenden Partie und hofft auf einen positiven Rückrundenauftakt.
Der TTC 46 Weinheim hat sich nach bescheidenem Rundenstart zwar allmählich freigeschwommen und ist nunmehr mit 6:6 Zählern notiert, muss jedoch ebenfalls damit rechnen, am Ende bei 6:8 zu stehen, da man am Montag noch in Berlin ran muss, das Topbesetzung angekündigt hat.
“Hauptsache gewonnen”, so der Kommentar des letztlich schon erleichterten Weinheimer Managers Christian Säger. „Wir waren vorne etwas geschwächt durch Grippe, aber Böblingen hat auch bärenstark gespielt. Hinten lief es umgekehrt und damit haben die zwei gewonnenen Eingangsdoppel entschieden. Jetzt sind wir einigermaßen zufrieden und freuen uns auf die Rückrunde.“
Wohl wissend, dass es am Montag erst noch noch darum geht, sich in der Hauptstadt ein möglichst gutes psychologisches Standing für die Rückrunde zu verschaffen. Ein starker Auftritt beim Ausnahmeteam in der Neuauflage des letzten Meisterschaftsfinales, darauf ließe sich in der zweiten Saisonhälfte auch mental aufbauen.
TSV Dachau 65 – TSV Langstadt 5:5
Knapp 120 Fans erlebten ein tolles, bis zum letzten Ballwechsel extrem spannendes Bundesligaspiel im oberbayrischen Dachau, ein Duell zweier starker Teams, in dem sich beide letztlich den einen Punkt verdient hatten. 19:19 Sätze und 367:366 Bälle nach drei Stunden und 45 Minuten Spieldauer zeigen, wie eng es zuging.
Ein Sieg für Spitzenreiter Langstadt war dennoch möglich. Von den Doppeln an lag man das ganze Spiel über in Front, konnte aber den sprichwörtlichen Sack nicht zumachen und musste sich am Ende mit dem Remis begnügen. Zwischenstände zählen nicht, sondern eben nur das Schlussresultat – und das war absolut leistungsgerecht.
Das Spitzenpaarkreuz des Gastgebers war einmal mehr herausragend. Besonders Sabine Winter, die Franziska Schreiner (3:2) und Chantal Mantz (3:0) das Nachsehen gab. Auch Liu Yangzi präsentierte sich in guter Form, hatte es aber schwerer als am Vortag gegen Bingen. Das vordere Paarkreuz ist und bleibt das Prunkstück des TSV Dachau. 21:7 lautet da die Bilanz (Winter 10:4, Liu 11:3). Die SV Böblingen mit 22:6 hat aber vorne noch einen Tick erfolgreicher abgeschnitten.
Die Zuschauer erlebten aber auch eine tolle Leistung der Südhessen, die auch im letzten Spiel der Hinserie ungeschlagen blieben und mit drei Siegen und vier Unentschieden – in Dachau war es das dritte Remis in Folge – eine starke erste Halbrunde hingelegt haben. Schon vor zwei Jahren hatten die Langstädterinnen die erste Halbserie ohne Niederlage überstanden, damals sogar mit 11:3 Punkten. Die sechste Saison in der Beletage des deutschen Tischtennis verspricht für die Hessinnen wieder eine richtig gute zu werden.
Bei einem Sieg in Oberbayern hätte die inoffizielle Herbstmeisterschaft festgestanden, so muss man noch die Montagspartie von Titelverteidiger Berlin gegen Weinheim abwarten. Die Hauptstädterinnen müssten aber schon mit 6:0 gewinnen, um bei Punktgleichheit – beide hätten dann 10:4 Zähler auf dem Konto – noch auf den letzten Drücker an Langstadt wegen des dann besseren Spielverhältnisses vorbeizuziehen.
Die Ausbeute in der Vorrunde ist umso bemerkenswerter, als Langstadt nur zweimal in Bestbesetzung, also mit Cheng Hsien-Tzu im vorderen Paarkreuz, antreten konnte. Auch in Dachau war wieder Ersatz nötig, die Wahl fiel einmal mehr auf die 15-jährige Lorena Morsch aus dem Zweitligateam, die somit bereits zu ihrem vierten Saisoneinsatz im Oberhaus kam.
Allerdings fehlte es dem TSV-Nesthäkchen noch an Erfahrung, um bei den Bayern zu punkten. Im Doppel lief es gut, da fuhr sie an der Seite von Franziska Schreiner einen wichtigen Sieg gegen Ho/Feher ein, der mit dafür sorgte, dass Langstadt mit 2:0 in Führung gehen konnte. In den Einzeln aber nicht: Gegen Englands Nummer eins Tin-Tin Ho stand Morsch auf verlorenem Posten und war nur im dritten Durchgang (11:13) auf Augenhöhe. Und am Ende, als alle Blicke auf den Tischtennis-Teenager gerichtet waren, weil es darum ging, ob Sieg für Langstadt oder Punkteteilung, stand ihr die weißrussische Defensivspielerin Alina Nikitchanka gegenüber, die bis dahin noch kein Match gewonnen hatte. Das Ergebnis zeigt, dass Nikitchanka mit ihren Nerven besser zurechtkam als ihre elf Jahre jüngere Gegnerin: 11:9, 13:11, 12:10.
Zuvor hätte Franziska Schreiner die Weichen auf Sieg stellen können. Gegen Liu Yangzi führte die 21-jährige deutsche Nationalspielerin im Entscheidungssatz mit 6:2 und hatte später beim Stand von 10:8 zwei Matchbälle, die ungenutzt blieben. Bei 11:10 vergab sie einen weiteren Ball zum Happyend, sodass ihre Gegnerin kurz darauf nach ihrem Punkt zum 15:13 die Faust triumphierend gen Himmel recken konnte. Schon ihr erstes Match gegen Nationalmannschaftskollegin Sabine Winter hatte Schreiner mit 2:3 verloren, obwohl sie 2:0 Sätze vorgelegt hatte. Dementsprechend zeigte sie sich natürlich nicht begeistert: “Schade, dass ich heute kein Einzel gewonnen habe. Zweimal 2:3 ist sehr ärgerlich. Die Mannschaft hat das aber insgesamt wieder sehr gut gemacht. Mit der Vorrunde können wir sehr zufrieden sein.”
Konnte zweimal den Sack nicht zumachen: Franziska Schreiner (Foto Roscher).
Für die Hessinnen punkteten in den Einzeln Chantal Mantz (3:2 gegen Liu) sowie die erneut überragende Izabela Lupulesku (3:0 gegen Nikitchanka, 3:1 gegen Ho). Mit ihrer sensationellen 11:2-Bilanz darf Lupulesku als die Gewinnerin der Vorrunde gelten. „Wieder unentschieden. Nach dem tollen Start mit zwei gewonnenen Doppeln haben wir immer geführt, konnten aber den Sack nicht zumachen”, so die 24-jährige Serbin nach der prickelnden Begegnung. “Trotzdem eine super Vorrunde von uns. Ich bin mit meiner Leistung sehr zufrieden.“
Langstadts Trainerin Anna Rauch sah keinen Grund, mit dem Schicksal zu hadern: “Wir sind zufrieden mit dem Unentschieden. Dachau in dieser starken Besetzung muss man erstmal einen Punkt abnehmen. Schlüssel waren heute unsere starken Doppel. Mit der Führung im Rücken hat es sich leichter spielen lassen.”
“Man merkte, dass wir am Samstagabend ein Spiel hatten”, meinte Alexander Yahmed, Dachaus Trainer. “Ich denke, körperlich kann man das leicht wegstecken, aber es war auch eine mentale Aufgabe, wir wussten alle, wir müssen punkten. Und dann haben wir durch den Spielplan am Samstagabend um 18 Uhr ein Spiel unter großem Stress, da ja alle wussten, was los ist in der “verrückten” Liga, haben da die zwei wichtigen Punkte geholt und waren erleichtert. So war auch der Anfang, es fehlte bei uns die Spannung, keiner war so richtig da außer Langstadt, die wussten, was Sache ist.” Doch sein Team habe sich gegen die drohende Niederlage aufgebäumt und doch noch ins Spiel hineingefunden: “Auch aus diesem Grund hätte es schnell gehen können, bis wir schauten, hatten wir beide Doppel verloren und beide Einzel vorne waren sofort mit 0:2 Sätzen auf der Spieltafel, es hätte sehr leicht 4:0 stehen können gegen uns und wir hätten uns nicht beschweren können. Die Wende kam im Spiel von Sabine gegen Franzi, nach 0:2 Sätzen und 0:3 Punkten gab es ein Time-out. Wir versuchten, uns nochmal zu bündeln und wenigstens zu kämpfen. Sabine gewann das Spiel und wir haben ein Lebenszeichen abgegeben.” Yahmed räumte auch ein: “Am Ende ist es so, dass Langstadt näher am Sieg war als wir am 5:5 und somit sind wir froh, den einen Punkt geholt zu haben.”
Dachaus Nummer 2 Liu Yangzi, mit ihrer 11:3-Bilanz im vorderen Paarkreuz zweitbeste Spielerin der Liga in der Vorrunde (Foto: Helmut Hörnschemeyer).
Die Rückrunde, in der bei den Hessen zusätzlich die Chinesin Xin Liu an Bord sein wird, beginnt für beide Teams am 14. Januar. Dann nämlich gastiert der neue Tabellendritte Dachau zum Rückspiel in der Langstädter Eckehard-Colmar-Halle. Eine Woche zuvor steigt aber bereits das große Pokalturnier in Berlin. Es wird vermutlich genau so spannend weitergehen, wie es im alten Jahr aufgehört hat.
Am Montag spielen: ttc berlin eastside – TTC 1946 Weinheim (17.30 Uhr).
Links
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1. Bundesliga Damen auf click-TT: Spielplan, Infos und Tabelle
Beitragsbild oben: Kam, sah und siegte: Izabela Lupulesku, die im Langstädter Dress auf Anhieb eine 11:2-Bilanz erzielte (Foto Roscher).