Spitzenreiter Langstadt erwartet Überraschungsteam Jena, Bingen will Aufwärtstrend in Kolbermoor bestätigen

Von Stephan Roscher|Oktober 26, 2023|bundesliga

Am Wochenende stehen diesmal “nur” zwei Partien in der nationalen Eliteliga der Damen auf dem Programm, die beide interessant zu werden versprechen. Prognosen fallen, wie fast immer, schwer – zu dicht sind die Klubs leistungsmäßig beieinander. Wenn Tabellenführer Langstadt Liganeuling Jena empfängt und Kolbermoor zu Hause auf Bingen trifft, möchte man spontan die beiden Heimmannschaften in der Favoritenrolle sehen. Führt man sich aber die zumindest teilweise unerwarteten Resultate der letzten Wochen vor Augen, wird schnell klar, dass es auch ganz anders laufen kann.

Sonntag, 14:00 Uhr: TSV Langstadt – SV SCHOTT Jena

Spitzenreiter Langstadt, der mit 7:1 Punkten in der Tabelle über dem Rest der Liga thront, empfängt den Aufsteiger aus Thüringen. Doch Jena ist nicht irgendein Aufsteiger, sondern, wenn es seine beste Formation an die Tische schickt, bärenstark. Nicht von Ungefähr hat man Vizemeister Weinheim und am letzten Sonntag Kolbermoor jeweils mit 6:3 geschlagen. Und aus Jena wurde bereits signalisiert, dass die derzeitige Top 4 vermutlich auch in Langstadt auflaufen wird.

Dann könnte es tatsächlich ein heißer Tanz werden, zumal noch gar nicht klar ist, ob die Südhessen personell aus dem Vollen schöpfen können. Auch wenn sich Ersatzspielerin Lorena Morsch beim 6:3 in Böblingen tadellos präsentiert hat, steht das Team natürlich besser da, wenn Cheng Hsien-Tzu an Position zwei aufschlägt und Franziska Schreiner dadurch ins hintere Paarkreuz rücken kann. Doch die 30-jährige Taiwanerin scheint derzeit nicht in Deutschland zu weilen, ihr Verein hält sich in Aufstellungsfragen wie immer bedeckt. Sollte Cheng fehlen, würde wieder eine Reservistin aus dem B-Team zum Einsatz kommen – denkbar wären diesmal auch Alena Lemmer oder Janina Kämmerer.

Jena möchte natürlich zunächst einmal den Klassenerhalt schaffen und nach Möglichkeit auf dem Weg dorthin den einen oder anderen Favoriten ärgern. Der Plan scheint aufzugehen: Mit 4:4 Punkten stehen die Thüringerinnen aktuell auf dem dritten Tabellenplatz.

Man verfügt über einen gigantischen Kader aus zehn Spielerinnen, wobei vier davon allerdings Japanerinnen sind, von denen immer nur eine eingesetzt werden kann, wie es die Regularien für Nicht-EU-Ausländerinnen vorschreiben. Sollte dies erneut die 15-jährige Misuzu Takeya sein, müssen sich die Langstädterinnen im vorderen Paarkreuz warm anziehen, denn der Tischtennisteenager spielt ein extrem aggressives, schnelles Angriffstischtennis und ist mit der Vorhand wie mit der Rückhand stark. 5:1 lautet ihre bisherige Bilanz, zuletzt hat sie Kolbermoors Asse Svetlana Ganina und Hana Arapovic kompromisslos abgefertigt.

Misuzu Takeya (Foto Roscher).

An zwei dürfte Ece Harac spielen, die 21-jährige Türkin ist ambitioniert und spielt viele WTT-Turniere. Immerhin hat sie vorne schon drei Matches gewonnen, unter anderem gegen Abwehrstrategin Ganina sowie gegen die Berlinerin Sabina Surjan. An Position drei dürfte mit der 13-jährigen Koharu Itagaki die jüngste Bundesligaspielerin aufschlagen – sie ist 14 Tage jünger als Josi Neumann, für die bis Saisonbeginn dieses Prädikat galt. Itagaki holte bei den Jugend-Euros 2023 bei den Schülerinnen gemeinsam mit Neumann Gold im Team und Doppel. Mit der früheren ukrainischen Nationalspielerin Valerija Mühlbach, schon seit Jahren in Deutschland heimisch und seit dem Sommer 2021 mit Tischtennisprofi Hermann Mühlbach verheiratet, verfügt Jena auch über eine starke Nummer vier. Die 31-jährige wird gerne unterschätzt, da ihr Spiel nicht sonderlich spektakulär wirkt. Doch spielt sie äußerst clever, wovon ihre gegenwärtige 4:1-Bilanz zeugt.

“Jena ist ein starker Aufsteiger und hat bislang hervorragend performt. Sie haben einen großen und vor allem auch qualitativ starken Kader“, warnt TSV-Trainerin Anna Rauch. Manfred Kämmerer ist überzeugt: „Das wird die nächste große Herausforderung für unser Team. Allerdings gibt es in dieser Saison nur große Herausforderungen. Man muss gegen jede Mannschaft 100 Prozent bringen, sonst holt man keine Punkte.“ Der Sportliche Leiter der Südhessen fügt hinzu: „Wir wollen den Gegner auch mit unseren Fans im Rücken beeindrucken und wieder eine sehr gute Leistung zeigen.“

„Als Tabellenführer mit 7:1 Punkten ist Langstadt natürlich Favorit, aber wir wollen einmal mehr versuchen, unser momentan bestmögliches Team zu stellen und dann schauen wir mal, wie das Spiel läuft“, so Jenas Abteilungsleiter Andreas Amend. „Der bisherige Saisonverlauf und gerade der letzte Spieltag haben ja gezeigt, wie eng in der 1. Liga alles beisammen liegt diese Saison.“

Sonntag, 14.00 Uhr: SV DJK Kolbermoor – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim

Normalerweise würde man eine klare Angelegenheit zu Gunsten des SV DJK Kolbermoor erwarten, der in den letzten Jahren stets zur Spitzengruppe der Liga zählte, während Bingen – nach allerdings auch vielen guten, erfolgreichen Jahren im Oberhaus – in den letzten beiden Spielzeiten froh sein konnte, erstklassig zu bleiben.

Doch nach den Partien des letzten Wochenendes ist man mit Prognosen ein wenig vorsichtiger geworden: Kolbermoor hatte vor heimischer Kulisse Aufsteiger Jena nach einer 3:6-Niederlage gratulieren müssen, während das Bingener Team Weinheim, das mit Bruna Takahashi angetreten war, mit eben diesem Ergebnis besiegte, dabei von den Doppeln an richtig Gas gab und um jeden Ball mit so viel Herzblut kämpfte, als gäbe es kein Morgen. Natürlich waren es enge Partien, rassige Duelle auf Augenhöhe, bei denen letztlich marginale Unterschiede den Ausschlag gaben und die jeweils auch in die andere Richtung hätten laufen können. Bingen zehrte von den unglaublich guten Doppeln und einer Lea Rakovac in der Form ihres Lebens. Und Jena nützte den kleinen personellen Engpass bei Kolbermoor, das ohne Kristin Lang und Swastika Ghosh an die Tische gegangen war, gnadenlos aus, agierte zudem in den engen, spielentscheidenden Situationen geradezu abgebrüht und profitierte von einer Misuzu Takeya und einer Valerija Mühlbach, die sich nicht zum ersten Mal in dieser noch jungen Saison in überragender Form präsentierten. Dann kam auch noch ein bisschen Pech bei den Oberbayern in einigen Schlüsselmomenten hinzu, sodass die Punkte weggingen.

Die Oberbayern werden gegen die Rheinhessen gewiss wieder Spitzenspielerin Kristin Lang an Bord haben, ob auch die bisher ungeschlagene Inderin Swastika Ghosh wieder dabei sein kann, ist noch offen. Auf jeden Fall hat Trainer Michael Fuchs wieder mehr Spielerinnen zur Auswahl als gegen Jena. Sein Team dürfte alles daransetzen, gerade vor heimischer Kulisse die Scharte des Jena-Spiels auszuwetzen. Am Wochenende zuvor hatte man ja gegen Dachau und Weinheim gezeigt, welche Qualität der Kader auch in dieser Saison, trotz der Abgänge von Linda Bergström und Solomiya Brateyko, aufweist.

Für Kolbermoor wäre es gewiss von Vorteil, wenn Swastika Ghosh wieder dabei wäre (Foto: Armin Schimkat).

Kolbermoors Trainer und Abteilungsleiter Michael Fuchs rechnet keineswegs damit, dass sein Team den Gegner aus der Halle schießt. „Ich erwarte ein ähnliches Spiel wie gegen Jena, mit offenem Ausgang“, erklärt Fuchs. „Bingen hat letzte Woche gezeigt, was sie zu leisten imstande sind. Dennoch wollen wir diesmal Punkte holen und werden personell auch wieder verändert an den Start gehen.“

„Never change a winning team“ dürfte für die Gäste aus Rheinhessen gelten. Vermutlich wird man wieder auf die gegen Weinheim so starke Lea Rakovac, Katerina Tomanovska, Elena Kuzmina und Karoline Mynarova setzen, was den Vorteil hat, dass mit Rakovac/Mynarova und Tomanovska/Kuzmina zwei prächtig harmonierende Doppel-Formationen aufgeboten werden können. Bingens Doppelbilanz nach drei Partien: 5:1. Eine personelle Änderung würde sich allenfalls ergeben, wenn Diya Chitale zum ersten Mal in dieser Saison zur Verfügung stünde oder aber die junge US-Amerikanerin Sally Moyland, deren Bundesligadebüt ja noch bevorsteht, plötzlich dabei wäre.

„Der Sieg gegen eine komplette Weinheimer Mannschaft hat unserem Team natürlich viel Selbstvertrauen gegeben“, ist TTG-Vorstand Joachim Lautebach überzeugt. „Trotzdem sehen wir uns aber zumindest ein bisschen als Außenseiter. Natürlich hängt, wie immer, sehr vieles von den Aufstellungen ab. Wenn Kolbermoor mit kompletter Mannschaft spielt, wird es nicht einfach für uns.“ Lautebach ergänzt: „Unser Team wird natürlich alles versuchen und seine positive Einstellung und die gute Kameradschaft in die Waagschale werfen, um Kolbermoor Paroli zu bieten. Ich rechne jedenfalls mit einem interessanten Spiel.“

Starkes TTG-Doppel: Elena Kuzmina (rechts) / Katerina Tomanovska (Archivfoto Roscher).

Links

1. Bundesliga Damen auf tischtennis.de

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Beitragsbild oben: Noch unklar ist, ob die Langstädterin Franziska Schreiner gegen Jena im vorderen oder hinteren Paarkreuz aufschlägt (Foto Roscher).

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