Play-off-Halbfinals, Hinspiele: Siege für die Favoriten
Die erste Halbfinalrunde ist gespielt, die Sensation ist ausgeblieben. Nicht allzu weit entfernt von einer Überraschung war der TSV Langstadt, der gegen den viermaligen Deutschen Meister ttc berlin eastside leichte Vorteil im oberen Paarkreuz hatte, hinten aber nicht mithalten konnte, so dass nach drei Stunden und zehn Minuten ein 4:6 auf dem Bogen stand. Klarer verlief die Angelegenheit in Bad Driburg, wo der SV DJK Kolbermoor früh schon die Weichen auf Sieg stellte und sich am Ende mit 6:2 durchsetzte. Am Freitag könnten Berlin und Kolbermoor vor heimischer Kulisse bereits die Finaltickets lösen.
TSV Langstadt – ttc berlin eastside 4:6
Langstadt führte vor 320 Fans in der restlos ausverkauften Eckehard-Colmar-Halle mit 3:1 und 4:3, doch die erfolgreichste deutsche Vereinsmannschaft der letzten Jahre war hinten zu stark besetzt für die tapfer kämpfenden Hessinnen, so dass am Ende doch noch ein 6:4 für den Hauptstadtklub heraussprang.
Bei Langstadt überragte unter den Augen von Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf einmal mehr Petrissa Solja, die Georgina Pota und Shan Xiaona jeweils mit 3:1 bezwang. Auch Cheng Hsien-Tzu bot vor der stimmungsvollen Kulisse eine starke Leistung und ließ Shan keine Chance, fand später aber ihre Meisterin in Pota, die im schnellen Konterspiel noch einen Tick besser war.
Nach Chengs Niederlage war klar, dass das von Langstadt erhoffte Remis kaum mehr möglich sein würde, da der ttc eastside auch im zweiten Durchgang nicht im Traum daran dachte, hinten etwas anbrennen zu lassen. Nina Mittelham (jeweils 3:1 gegen Alena Lemmer und Janina Kämmerer) und Matilda Ehkholm, die gegen beide keinen Satz abgab, waren an diesem Abend die Trumpfkarte des Mitfavoriten auf den Meistertitel. In den Doppeln hatte Langstadt durch Solja/Cheng (3:1 gegen Pota/Ekholm) gepunktet, während Berlins Duo Shan/Mittelham wenig Mühe mit Lemmer/Kämmerer hatte.
Letztlich kam es wie erwartet. eastside war einfach ausgeglichener besetzt – schließlich hatte man die aktuelle Nummer 28 der Welt an Position vier aufgeboten. Um zu gewinnen, hätte die Truppe aus Südhessen schon vier, mindestens aber drei Spielerinnen der Güteklasse Solja/Cheng aufbieten müssen – doch so etwas liegt natürlich außerhalb der Möglichkeiten eines Aufsteigers, der auf jeden Fall in seiner Premierensaison im Oberhaus für Furore gesorgt und neue Fans für die 1. Bundesliga Damen begeistert hat. Ausgeschieden ist man natürlich noch nicht, doch für das Rückspiel am Freitag (19.00 Uhr) liegen nun fast alle Trümpfe in Berliner Hand.
„Wir wollten in erster Linie dieses Spiel vor unseren tollen Fans nach einer super Saison genießen und haben es genossen“, so Langstadts Spitzenspielerin Petrissa Solja nach der kurzweiligen, phasenweise spannenden Partie, in der der Aufsteiger alles andere als Kanonenfutter für die „Übermannschaft“ war. „Wir wussten natürlich, wie schwer es werden würde, gegen Berlin etwas zu holen, und hatten uns höchstens eine minimale Chance auf ein Unentschieden ausgerechnet“, so die Weltranglisten-24. weiter. „Viel hat ja nicht gefehlt, nur hätten wir vorne dazu halt alle vier Spiele gewinnen müssen. Aber wir sind auch so zufrieden und haben den vielen Zuschauern heute nochmal etwas bieten können.“
Dies unterstreicht auch Manfred Kämmerer. „Sollten wir ausscheiden, und damit müssen wir natürlich rechnen, haben wir heute unseren Zuschauern gegen Ende einer großartigen Premierensaison nochmal ein tolles Event geboten“, so der Sportliche Leiter des TSV. „Wir haben uns gut präsentiert und waren nicht weit von einem Unentschieden entfernt. Besonders im vorderen Paarkreuz waren wir sehr stark. Hinten war uns Berlin natürlich überlegen.“ Natürlich hat Kämmerer noch das Rückspiel im Auge: „Abschenken werden wir das bestimmt nicht. Wir wollen auch in Berlin nochmal alles geben und einen guten Eindruck hinterlassen.“ Und Petrissa Solja pflichtet ihm bei: „Natürlich geben wir jetzt nicht auf und werden am Freitag im Rückspiel nochmal alles versuchen. Klar, Berlin ist weit, ich hoffe aber, dass trotzdem einige Fans von uns mitkommen und uns anfeuern.“
Sehr zufrieden war Alexander Teichmann, Präsident des ttc berlin eastside, dessen Sorgenfalten nach dem zwischenzeitlichen 1:3-Rückstand seines Teams sich schnell wieder gelegt hatten. „Das war ein tolles Halbfinale vor vielen Zuschauern in entsprechender Atmosphäre. Ein spannendes, umkämpftes Spiel ist natürlich auch für die Liga besser als wenn alles einseitig abläuft“, so Teichmann. „Langstadt war vorne sehr stark, doch wir hatten hinten klare Vorteile. Wir haben die bessere, ausgeglichener besetzte Mannschaft. Von daher war es ein verdienter Sieg für uns.“ Am Ziel ist der ttc noch nicht: „Wir wollen natürlich ins Finale und unsere Chancen stehen sehr gut, wir müssen aber auch das Rückspiel aufmerksam und fokussiert angehen, dann wird es uns auch gelingen“, ist Teichmann überzeugt.
TuS Bad Driburg – SV DJK Kolbermoor 2:6
Es kam wie erwartet. Der Titelverteidiger wollte kein Risiko eingehen und hatte Ex-Europameisterin Liu Jia auf der Spitzenposition aufgeboten. Doch es war nicht so, dass „Susi“ die Sache im Alleingang zugunsten der Oberbayern entschieden hätte. dem Erfolg lag vielmehr eine geschlossene Mannschaftsleistung des Favoriten, zugrunde, dem natürlich zugute kam, dass man mit der Österreicherin besser stand und Sabine Winter hinten spielen konnte.
Zudem spielte Kolbermoor der perfekte Start in den Doppeln in die Karten, mit dem man nicht unbedingt rechnen konnte, da das Duo Liu Jia/Katharina Michajlova schon ein Experiment darstellte. Doch es funktionierte, das „Zufalls-Duo“ besiegte überraschend Bad Driburgs taktisch an zwei gestellte Topformation Britt Eerland/Sarah de Nutte mit 3:1, während Kristin Lang/Sabine Winter beim 3:0 über Nadine Bollmeier/Sophia Klee nur im ersten Satz Mühe hatten. Da auch das obere Paarkreuz der Gäste im ersten Durchgang glänzte – Lang schlug Eerland mit 3:2, Liu besiegte de Nutte in drei glatten Sätzen –, lag Kolbermoor zur Pause fast schon uneinholbar mit 4:0 in Front.
Doch der Gastgeber bäumte sich vor 160 Fans gegen das drohende Debakel auf und verkürzte durch Bollmeier, die die nur im Einzel eingesetzte Defensivkünstlerin Svetlana Ganina in fünf Durchgängen in die Schranken wies. Sabine Winter ließ im Anschluss der 15-jährigen Sophia Klee aber keine Chance, so dass der alte Abstand wiederhergestellt war. Die Ostwestfälinnen gaben sich indes immer noch nicht geschlagen. Nach starker Leistung gewann Britt Eerland das Duell der Spitzenspielerinnen mit 3:2 gegen Liu Jia. Kristin Lang machte dann aber den Deckel drauf, indem sie Sarah de Nutte mit 3:1 das Nachsehen gab. Nach knapp drei Stunden war der erste Play-off-Sieg des Meisters und Cupsiegers in trockenen Tüchern.
Es käme nun schon einer Sensation gleich, wenn Bad Driburg am Freitag in Kolbermoor (18.30 Uhr) doch noch ein drittes Match erzwingen sollte. Doch man soll bekanntlich nie „nie“ sagen – schon gar nicht im Tischtennissport.
„Bei der Aufstellung von Kolbermoor war es kaum anders zu erwarten“, meint Nadine Bollmeier. „Eigentlich haben wir uns ganz wacker geschlagen. Wir wurden recht schnell auf den Boden der Tatsachen geholt, als beide Doppel verloren gingen, haben aber nie aufgegeben und weiter gekämpft, so dass auch die Zuschauer auf ihre Kosten kamen.“ Zu ihrem eigenen Spiel sagte die deutsche Ex-Nationalspielerin: „Als Abwehrspielerin liegt mir Svetlana Ganina eigentlich recht gut. was nicht heißen soll, dass ich perfekt gegen Abwehr spielen würde. Jedenfalls habe ich schon öfters gegen sie gewonnen, zuletzt in der Rückrunde. Wenn wir gegeneinander spielen, geht es aber fast immer knapp zu.“ Gefallen hat ihr die Leistung von Teamkollegin Britt Eerland gegen Liu Jia: „Das hat sie taktisch und kämpferisch hervorragend gemacht.“
„Die Niederlage war natürlich bei Kolbermoors Aufstellung zu erwarten“, so auch Franz-Josef Lingens. „Etwas ärgerlich war das 0:2 in den Doppeln, wodurch wir von Anfang an einem Rückstand hinterherlaufen mussten. Und bei 0:4 war es dann ganz schwer.“ Positiv bewertete der TuS-Manager: „Die Mannschaft hat Moral gezeigt und weiter gekämpft. Die Siege von Nadine gegen Ganina und von Britt gegen „Susi“ waren wichtig, dadurch konnten wir den Zuschauern noch etwas bieten.“
Nadine Bollmeier will das Finale beziehungsweise zunächst einmal ein drittes Spiel noch nicht ganz abschreiben, bleibt aber Realistin: „Eine winzig kleine Minimalchance ist immer da, aber es müsste im Rückspiel am Freitag schon traumhaft für uns laufen. Wir werden natürlich nochmal alles versuchen und machen die weite Fahrt nicht, um uns wehrlos in unser Schicksal zu ergeben. Aber es wird sehr, sehr schwer.“
Nichts auszusetzen am Auftritt seines Quintetts hatte Michael Fuchs. „Mit dem 2:0 in den Doppeln sind wir optimal ins Spiel gestartet, wobei hier Katharinas starke Leistung besonders zu erwähnen ist“, so der Trainer des SV DJK Kolbermoor. „Im oberen Paarkreuz – auch mit Liu Jia – ist es nicht einfach für uns. Umso höher ist die Leistung dort von Kristin und Susi mit drei Punkten einzuschätzen.“ Fuchs analysiert auch die weiteren Duelle: „Sabine hat sehr stark gegen Sophia Klee gespielt und auch taktisch so konsequent, dass ihr Sieg niemals auch nur annähern in Gefahr war. Svetlana gegen Nadine Bollmeier war das erwartet schwere Spiel, mit dem besseren Ende für Nadine, die mit ihrer Erfahrung sicher zu den guten Spielerinnen gegen Abwehr im hinteren Paarkreuz zählt. Auch das Match zwischen Susi und Britt Eerland war sehr ausgeglichen, wobei Susi am Ende ihre Chancen leider nicht nutzen konnte.“ Nun möchte man den Sack auch zumachen, geht aber davon aus, dass es kein Selbstläufer wird. „Insgesamt sind wir natürlich über den verhältnismäßig deutlichen Sieg sehr glücklich, dennoch gehen wir am Freitag wieder voll konzentriert ins Spiel“, kündigt Fuchs an. „Wir werden die Bad Driburger Mannschaft auch nach dem heutigen Sieg nicht unterschätzen und wieder voll auf Sieg spielen.“
Text & Fotos (6): Dr. Stephan Roscher