Paukenschläge in der 1. Bundesliga Damen
SV Böblingen – TTC 1946 Weinheim 2:6, TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – ttc berlin eastside 4:6, TSV Langstadt – SV DJK Kolbermoor 6:2
Die Sonntagsspiele im Damen-Oberhaus hatten es wahrlich in sich. Hatten sich am Vortag noch die Favoriten durchgesetzt – Berlin in Böblingen, Langstadt in Bingen – setzte es diesmal einige Paukenschläge. Dazu zählen gewiss der deutliche Sieg der Langstädterinnen gegen Kolbermoor im Verfolgerduell, jedoch auch der historische erste Bundesligasieg der Weinheimerinnen überhaupt – und das auch noch im so wichtigen Auswärtsspiel in Böblingen. Beinahe hätte Bingen für den dritten Coup des Wochenendes gesorgt, aber eben nur beinahe. Man schien Ligaprimus berlin eastside lange „im Schwitzkasten“ zu haben, doch am Ende machten die Hauptstädterinnen eben doch das, was sie seit Jahr und Tag am besten können, nämlich gewinnen.
SV Böblingen – TTC 1946 Weinheim 2:6
Die gegen Berlin noch so unbekümmert aufspielenden Böblingerinnen kamen in dem richtungsweisenden Match gegen Weinheim unter die Räder und unterlagen den Nordbadenerinnen mit 2:6, der erste und somit ein historischer Sieg des TTC in der 1. Bundesliga überhaupt.
Die SVB muss sich spätestens jetzt ernsthafte Sorgen um den Klassenerhalt machen – trotz der allzeit starken Qianhong Gotsch und der international von Erfolg zu Erfolg eilenden Annett Kaufmann und trotz des Umstandes, dass deren Schwester Alexandra gegen Weinheim das erste Mal in der 1. Bundesliga als Siegerin eines Einzels vom Tisch ging. Es lief bei ihr im Match gegen Luisa Säger richtig rund und sie wurde mit einem 3:0 (12:10, 11:8, 11:9) belohnt.
Die Brasilianerin Bruna Takahashi erwies sich als die Trumpfkarte der Gäste, da sie nicht nur Annett Kaufmann, sondern auch Qianhong Gotsch besiegen konnte, letztere in einem spannenden Fünfsatz-Match nach zwischenzeitlichem 0:2-Satzrückstand. Stark auch die Weißrussin Daria Trigolos, die nicht nur „Hongi“ Gotsch beim 2:3 bis zum Schluss alles abverlangte, sondern auch das extrem wichtige Match gegen die jüngere der Kaufmann-Schwestern in fünf Sätzen gewann.
In Böblingen hatte man sich das natürlich ganz anders erhofft. „Es war ein verdienter Sieg für Weinheim. Die Umstände für uns waren diesmal aber auch nicht gut. Yoshi (Mitsuki Yoshida) hat Probleme mit dem Ellbogen, Annett ist überspielt. Der Blick auf die Tabelle tut jetzt natürlich weh“, kommentierte SVB-Coach Sönke Geil den „gebrauchten“ Sonntag.
Weinheims Chef Christian Säger war vollauf begeistert: „Für uns historisch. Erster Sieg in Liga 1!“ Säger geizte dementsprechend nicht mit Lob: „Überragend der Teamgeist und natürlich der Gewinn beider Doppel. Danach dann eine wieder super spielende Bruna Takahashi, die für uns enorm wichtig ist. Auch Daria Trigolos und Sophia Klee holten wichtige Punkte. Am Schluss ein toller Sieg, der für das Selbstvertrauen sehr wichtig ist.“
TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – ttc berlin eastside 4:6
Drei Stunden und 35 Minuten tolles, spannendes Damen-Tischtennis, wer hätte das gedacht! Die meisten waren von einer schnellen, einseitigen Partie ausgegangen, zumal nach der Bingener Schlappe gegen Langstadt am Abend zuvor. Tja, in der Sporthalle am Binger Mäuseturm hätte es beinahe einen Paukenschlag gegeben, aber eben nur beinahe. Am Ende kassierte eine frei und ungehemmt aufspielende TTG aber gegen Triple-Sieger Berlin, bei dem Deutschland-Debütantin Lin Ye schwer zu kämpfen hatte, aber trotzdem an diesem Wochenende alle vier Einzel und zwei Doppel gewann, doch noch die erwartete Niederlage. Mit 4:6 fiel diese denkbar knapp aus.
Dabei hätten die Rheinhessinnen, die nun fünfmal in Folge verloren haben, einen Punkt so dringend im Kampf um den Klassenerhalt gebrauchen können – und es wäre einer gewesen, der nahezu doppelt gezählt hätte, weil ihn eben die Konkurrentinnen kaum holen dürften. In überragender Verfassung präsentierte sich die erfahrene Dänin Mie Skov, die sensationell Ding Yaping und Britt Eerland bezwingen konnte – jeweils in vier Sätzen und nicht wirklich knapp. Bis zum 4:3 hatte Bingen immer wieder in Front gelegen und das komplette Quartett des Außenseiters hatte wirklich gut gespielt, am Ende aber erwies sich der Klassenprimus als das nervenstärkere, abgebrühtere Team, das die erstrebten 4:0 Punkte an diesem insgesamt denkwürdigen Tischtenniswochenende eintütete.
In Bingen haderte man ein wenig mit dem Schicksal. „Es war eine unverdiente Niederlage“, so Teamcoach Frank Liesenfeld. „Unser Team hat alles gegeben. Mie Skov hat überragend gespielt und Giorgia Piccolin etwas unglücklich agiert. Karolina Mynarova hat gegen Lin, die ja immerhin die Nummer 61 der Weltrangliste ist, ein tolles Match gespielt. Archana Girish Kamath hat ihr Talent beim deutlichen Sieg gegen Göbel und der knappen Fünf-Satz-Niederlage gegen Lin eindrucksvoll unter Beweis gestellt.“ Liesenfeld bekräftigte nochmals: „Also allergrößten Respekt vor der Einstellung, Willenskraft und Leistung des gesamten Teams am heutigen Sonntag, gerade nach der deutlichen Niederlage 17 Stunden zuvor gegen Langstadt.“
eastside-Manager Andreas Hain lobte auch den Gegner. „Bingen hat heute sicher eine ganz starke Leistung hingelegt“, so Hain. „Trotzdem sind wir ruhig geblieben und als sich die Chancen ergaben, haben wir diese immer eiskalt genutzt. Die Kunst ist es, auch zu gewinnen, wenn es nicht gut läuft. Letztlich eine starke Leistung unserer Mannschaft, wenngleich Bingen sicher auch zumindest einen Punkt verdient gehabt hätte.“
TSV Langstadt – SV DJK Kolbermoor 6:2
Langstadt ließ Kolbermoor im Verfolgerduell keine echte Chance und besiegte erstmals den „Angstgegner“ aus Oberbayern – und das mit 6:2 auch noch deutlich. Vor circa 100 Fans knüpften die Gastgeberinnen nahtlos an die überragende Leistung vom Vorabend in Bingen an und zeigten fraglos eines ihrer besten Bundesligaspiele der letzten Jahre.
Die Doppel (2:0) – die Formationen Solja/Mantz und Krämer/Schreiner harmonieren immer besser – wiesen die Richtung, Kolbermoor musste stets hinterher laufen. Eine überragende Petrissa Solja konnte Yuan Wan und – das erste Mal seit Langem – Kristin Lang schlagen. Einen starken, hoch motivierten Eindruck hinterließen jedoch alle Langstädterinnen. Nur Lang (3:2 gegen Chantal Mantz) und Svetlana Ganina (3:1 gegen Franziska Schreiner) konnten für den Vizemeister und Vizepokalsieger der Saison 2020/21 punkten.
Das Team aus Südhessen schob sich auf den zweiten Tabellenplatz vor und ist momentan Berlin-Verfolger Nummer eins. Diese beiden Teams sind auch die einzigen, die in der laufenden Saison noch ohne Niederlage sind. Kolbermoor ist mit 7:5 Zählern Vierter des Ligaklassements, hat aber den Kampf um den direkten Halbfinaleinzug noch lange nicht aufgegeben – noch hat man acht Partien vor sich, um diesen zu realisieren. Langstadt und Schwabhausen werden die Hauptkonkurrenten um Platz 2 sein.
Die Freude beim Gewinner war riesengroß. „Ich bin stolz auf die super Mannschaftsleistung. Es wurde Zeit, dass wir Kolbermoor einmal geknackt haben“, sagte Petrissa Solja. „Wir waren ja in der Vergangenheit schon öfters knapp dran, heute hat alles gepasst.“ Teamkollegin „Franzi“ Schreiner pflichtete bei: „Zum Glück konnte ich mit einem guten Doppel zum Sieg beitragen. Für mich persönlich lief die Vorrunde bisher sehr durchwachsen, dafür läuft es bei meinen Mannschaftskolleginnen umso besser. Solange das so bleibt, kann ich zufrieden sein.“ „Im neunten Anlauf endlich der erste Sieg gegen Kolbermoor. Tolle Spiele, tolle Stimmung in der Halle: heute hat einfach alles gepasst“, freute sich Manfred Kämmerer. „Wir haben starke Doppel, das hat das Wochenende gezeigt. Somit waren wir immer in Front, das hat uns Sicherheit gegeben und Kolbermoor unter Druck gesetzt. Jetzt wollen wir nächste Woche gegen Böblingen nachlegen und die Vorrunde ungeschlagen abschließen.“ Auch TSV-Coach Thomas Hauke meldete sich nach der kurzweiligen Partie zu Wort: „Die Mannschaft hat in den zwei Tagen richtig starke Lösungen gefunden und diese auch seriös und diszipliniert durchgezogen. Wieder ein kleiner Entwicklungsschritt nach vorne.“
Kolbermoors Trainer war natürlich nicht begeistert. „Leider sind wir 0:2 in den Doppeln gestartet. Yuan und Kristin hatten nicht ihren besten Tag und sind nicht gut ins Spiel gekommen“, so Michael Fuchs. „Naomi und Svetlana haben besser gespielt und hatten ihre Chancen, auch wenn sie gegen das bessere Langstädter Doppel gespielt haben.“ Fuchs analysierte auch die Auftritte seiner Spielerinnen in den Einzeln: „Kristin hatte sicher nicht ihren besten Tag und hat das gegen Chanti (Chantal Mantz) eher herüber gezittert, hat gegen Peti Solja dann besser gespielt, aber da muss man gegen sie dann auch eine Topleistung abrufen, dass das funktioniert. Svetlana war megastark gegen Franzi, die immer wieder dran war. Naomi hat auch gut gegen Tanja gespielt, zwei Sätze waren knapp. Da waren auch Chancen da. Bei Yuan war es, wie bei Kristin, auch nicht ihr bester Tag, kaum Spielfluss drin, sie hat auch zu wenig selbst angegriffen. Chanti hat aber auch gegen beide gut gespielt. Bei den klassischen Standard-Ballwechseln war der Gegner heute besser.“ Das Resümee des Tischtennislehrers: „Ich hatte es ja schon vorher gesagt: Langstadt ist ein unangenehmer, guter Gegner, wenn sie 2:0 nach den Doppeln vorne sind, ist es halt schwer. Wir sind enttäuscht, aber es ist auch kein Beinbruch, wir haben noch das Spiel in Schwabhausen nächsten Sonntag, da müssen wir jetzt nochmal angreifen.“
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Und das war es noch nicht im alten Jahr. Noch ist die Vorrunde in der Damen-Eliteliga nicht beendet. Erst vier Klubs haben alle sieben Begegnungen hinter sich: Berlin, Weil, Bingen und Weinheim. Langstadt und Kolbermoor müssen noch je einmal an die Tische, Schwabhausen und Böblingen sogar noch zweimal. Und das steigt alles am kommenden Wochenende mit den Partien Schwabhausen vs. Böblingen (Samstag, 14 Uhr) sowie Böblingen vs. Langstadt (Sonntag, 10.30 Uhr) und Schwabhausen vs. Kolbermoor (Sonntag, 14 Uhr). Man könnte meinen, dass nach den Megaspielen des dritten Advents-Sonntags nicht mehr viel kommen kann. Doch die Liga ist bekannt für ihre überraschenden Wendungen und es wird vermutlich auch in einer Woche nochmals hoch hergehen. Das Oberbayern-Derby etwa – und nicht nur das – verspricht reichlich Spannung. Diese Liga birgt Suchtpotenzial, wer einmal auf den Trip gekommen ist, kann nicht mehr aufhören. Wir freuen uns jedenfalls auf das Wochenende vor Heiligabend, denn danach gibt es erst wieder Damen-Bundesliga-Tischtennis im Jahr 2022 zu sehen – und natürlich das spektakuläre Pokalturnier in Hannover am 08./09.01.
Titelfoto: Bruna Takahashi überragte im Team des TTC 46 Weinheim beim Sieg in Böblingen (Fotocredit: Armin Schimkat).