Nervenstarke Langstädterinnen besiegen Berlin

Von Stephan Roscher|Oktober 8, 2023|bundesliga

TSV Langstadt – ttc berlin eastside 6:2

Natürlich war der amtierende Deutsche Meister und Pokalsieger nicht in Topbesetzung angereist – Nina Mittelham, Britt Eerland und Ding Yaping fehlten. Vier Stammspielerinnen hatte man aber schon aufgeboten und die spielten nicht einmal schlecht und waren lange auf Augenhöhe. Doch in den entscheidenden Momenten agierte der Hauptstadtklub ein wenig glücklos, während die Südhessinnen ihre Chancen eiskalt nutzten und Nervenstärke unter Beweis stellten. So hieß es am Ende 6:2 für Langstadt statt 5:5 – denn auch ein Remis hatte bis zuletzt im Bereich des Möglichen gelegen.

Alle im Vorfeld fraglichen Spielerinnen waren rechtzeitig vom WTT-Turnier in Stockholm zurückgekehrt und konnten eingesetzt werden, auf Langstädter Seite Franziska Schreiner und Izabela Lupulesku sowie bei Berlin Sabina Surjan.

Es entwickelte sich ein harter Fight zwischen den beiden Teams, kein Ball wurde verschenkt, die Motivation war von Anfang an auf beiden Seiten erkennbar. Langstadt war an diesem Tag den Gästen im vorderen Paarkreuz überlegen und gewann dort alle vier Matches.

Dabei siegten Chantal Mantz und Cheng Hsien-Tzu gegen das deutsche Nachwuchstalent Josi Neumann, das erstmals in der Bundesliga auf Position zwei hochrücken musste. Die überragende Cheng Hsien-Tzu siegte bei ihrem Heimspiel-Comeback an alter Wirkungsstätte zudem gegen die serbische Nationalspielerin Sabina Surjan mit 3:1 Sätzen. Drei Tage zuvor war sie ihr beim Turnier in Schweden noch mit 2:3 unterlegen.

Jessica Göbel coacht Sabina Surjan und Josi Neumann (Foto Roscher).

Mantz wehrt sechs Matchbälle ab und dreht Spiel gegen Surjan

Einen echten Krimi lieferte sich Chantal Mantz und Sabina Surjan beim Stand von 5:2 für die Hessinnen. Nach über weite Strecken ausgeglichenem Match schien Berlins Serbin im Entscheidungssatz klar auf der Siegerstraße zu sein. Sie hatte bis zum Stand von 10:4 geradezu perfekt gespielt und benötigte noch einen Punkt, um sich zu belohnen. Bei insgesamt sechs Matchbällen schien das nur noch eine Frage von Sekunden zu sein, zumal Chantal Mantz zwar zwei gute Sätze gespielt hatte, im abschließenden Durchgang jedoch kein Rezept zu finden schien und ratlos wirkte. Nervenstark holte Mantz aber Punkt für Punkt auf und ließ sich auch von einem Time-out ihrer Gegnerin nicht mehr beeindrucken. Unter dem tosenden Applaus der 140 Fans, die sich in der finalen Phase wie 300 anhörten, schnappte sie sich durch acht Punkte in Folge noch den Satz mit 12:10 und damit das Match zum 6:2-Sieg der Gastgeberinnen. „Ich hatte zweimal gegen Surjan gespielt und beide Male 2:3 verloren. Als es 4:10 stand, dachte ich nur, dass ich nicht schon wieder 2:3 verlieren will“, so Mantz eine halbe Stunde nach Spielende. „Ich wollte nochmal alles versuchen und auf einmal hat es bei mir geklappt, ich habe keine Fehler mehr gemacht und gemerkt, wie meine Gegnerin immer nervöser wurde. Wahnsinn, dass ich dieses Match noch umbiegen konnte! Klar war unser Gegner nicht in absoluter Topbesetzung angereist, doch ein Sieg gegen Berlin fühlt sich immer gut an.“

Lupulesku überzeugt bei Heimdebüt und lobt die Fans

Vorher hatte im hinteren Paarkreuz Neuzugang Izabela Lupulesku bei ihrem Sieg über Kathrin Mühlbach eine gute Premiere vor dem Langstädter Publikum gefeiert. „Das war Wahnsinn, wie die Fans gleich hinter mir gestanden haben, ich hatte ja bisher die Atmosphäre in Langstadt nur als Gegner kennengelernt“, freute sich die 23-jährige Serbin. „Wir haben heute gewonnen, weil die Zuschauer uns nach vorne gepeitscht haben und wir alle vier füreinander gekämpft und einen tollen Team Spirit gezeigt haben. Dass ich dann auch noch mein Doppel und mein Einzel gewinnen konnte, macht den Tag perfekt. Das hat Spaß gemacht, am liebsten hätte ich immer Heimspiele.“

Josi Neumann: Im Doppel stark, in den Einzeln durchwachsen

In den Doppeln wurden die Punkte geteilt. Mantz/Lupulesku siegten mit 3:1 gegen Li-Kath/Mühlbach und Cheng/Schreiner verloren 2:3 gegen Surjan/Neumann.

Sabina Surjan (links) und Josi Neumann spielten einmal mehr ein starkes Doppel (Foto Roscher).

Wobei die beiden Berlinerinnen sehr stark spielten und prächtig harmonierten. Josi Neumann übernahm mit ihren 13 Jahren sogar erkennbar die Führungsrolle in dem Doppel und zeigte tolle Angriffsschläge, während sie in den Einzeln unter ihren Möglichkeiten blieb. „Das Doppel war einfacher zu spielen“, sagte Neumann später. „Da war die Last auf zwei Spielerinnen verteilt. In den Einzeln war ich viel nervöser und war auch vom Kopf her nicht so gut heute. Ich habe eigentlich erkannt, wie ich gegen meine Gegnerinnen spielen muss, doch habe ich es nicht gut umgesetzt und immer wieder was anderes probiert, statt bei meiner Linie zu bleiben. Insgesamt finde ich aber auch, dass wir heute etwas Pech hatten.“

Ran Li-Kath in Galaform

Einen sehr starken Eindruck auf Seiten der Gäste hinterließ Defensivspielerin Ran Li-Kath, die Franziska Schreiner recht gut im Griff hatte, clever die Bälle verteilte, mit viel Schnittwechsel agierte und auch immer wieder erfolgreiche Angriffsschläge einstreute. Manfred Kämmerer, Sportlicher Leiter des TSV, erkannte die gute Leistung der erfahrenen Berlinerin neidlos an, meinte aber auch: „Franzi waren die Strapazen vom Turnier in Schweden noch anzumerken. Sie war erst kurz vor dem Spiel aus Stockholm angereist, wo sie um ein Haar Gold im Mixed gewonnen hätte.“ In der Tat wirkte die 21-jährige DTTB-Nationalspielerin nicht so frisch wie sonst und hatte Mühe, die passende Taktik zu finden, was aber auch an ihrer starken Gegnerin lag, die kultiviertes Defensivtischtennis der Extraklasse zeigte.

An ihr hat es nicht gelegen: Ran Li-Kath (Foto Roscher).

Kathrin Mühlbach spielte keineswegs schlecht, aber ein wenig glücklos. Sowohl im Doppel mit Li-Kath als auch in ihrem Einzel gegen Lupulesku war sie lange auf Augenhöhe und verlor unglücklich. In ihrem zweiten Match gegen Schreiner schien sie auf der Siegerstraße zu sein, doch aufgrund des Zielfinish-Sieges von Mantz über Surjan wurde es nicht mehr zu Ende gespielt. „Es ging irgendwie immer hin und her, wir waren nicht wirklich schlecht, aber auch nicht richtig gut heute“, so Mühlbach. „So war es auch bei meinen Spielen. Auf jeden Fall sind wir heute unter Wert geschlagen worden, das 2:6 spiegelt nicht wider, wie eng es vielfach zuging. Wir hatten unsere Chancen, haben sie aber leider nicht nutzen können.“

Langstadt freut sich über geglückten Saisonstart

In Langstadt bejubelte man dagegen ausgelassen den tollen Saisonstart. 5:5 in Weinheim, 6:2 gegen Berlin – 3:1 Punkte aus dem schweren Auftaktprogramm gegen den Meister und Vizemeister der Saison 2022/23, das kann sich sehen lassen. Auch wenn beide Gegner nicht in allerbester Besetzung antraten, am Ende zählen nur die Punkte und diese drei hatte man sich verdient. „Mit diesem tollen Erfolg können wir die kommenden Aufgaben gelassen angehen“, meinte Manfred Kämmerer. „Es war ein hart erkämpfter Sieg. Auf jeden Fall war das Spiel enger, als es das Ergebnis ausdrückt. Die Fans haben sicher dazu beigetragen, dass Chantal Mantz das letzte Spiel nach 4:10 noch gedreht hat. Wir sind froh über die Punkte und über den guten Saisonstart.“

Glückselige Langstädterinnen bejubeln ihren Erfolg (Foto Roscher).

Auch Langstadts Trainerin Anna Rauch betonte: “Das war ein hart erkämpfter Erfolg“ und zollte ihrem Team Respekt: „Die Mannschaft hat das super gemacht. Es freut mich sehr für Chantal, dass sie das Spiel noch gedreht hat. Das zeigt, dass sie sich auch im mentalen Bereich stark verbessert hat und immer an ihre Chance glaubt. Sehr stark war heute auch Cheng Hsien-Tzu mit zwei klaren Einzelsiegen, die in Weinheim noch leer ausgegangen war.“

Cheng selbst gab zu Protokoll: „Das war heute ein tolles Erlebnis für mich, endlich wieder in Langstadt spielen zu können. Es war nicht irgendein Spiel für mich, es war wie eine Heimkehr nach Hause. Ich habe mich richtig wohl dabei gefühlt und habe es genossen, wie die Fans hinter mir und meinen Teamkolleginnen gestanden haben. Ich denke, dass wir hier noch viele Siege feiern können und dass ich auf einem guten Weg bin, wieder meine alte Form zu erreichen.“

Berlins Manager Andreas Hain analysierte das Spiel: „Wir haben etwas unglücklich verloren, leider kann Sabina an ihre guten internationalen Ergebnisse noch nicht in der Bundesliga vorne anknüpfen und dann können wir halt nicht gewinnen. 0:4 ist für sie schon ernüchternd nach zwei Spielen. Nächste Woche gegen Jena steht uns dann auch Britt nach ihrer Babypause wieder zur Verfügung und dann wollen wir auch wieder punkten. Aber trotzdem hat unsere Mannschaft in Langstadt eine gute Leistung gezeigt.“

Insgesamt war dem Gastgeber die Erleichterung anzumerken, endlich wieder eine komplette Mannschaft zu haben, im Gegensatz zur letzten Saison, in der man nie die Stammbesetzung aufbieten konnte. Der Serienmeister Berlin konnte in Langstadt personell nicht aus dem Vollen schöpfen, auch wenn man den eingesetzten Spielerinnen keinen Vorwurf machen kann, die alles versucht haben. Zu Anfang der Runde ist eine solche Niederlage kein Beinbruch. Richtig interessant wird es für die Hauptstädterinnen ohnehin erst in den Play-offs, in denen sie sicher wieder in hochkarätiger Besetzung an die Tische gehen können. Am 15.10. bei Aufsteiger Jena hat man die Chance, sich zu rehabilitieren. Die Langstädterinnen sind am selben Tag in Bingen gefordert, wo sie sich in der Vergangenheit öfters schwergetan haben.

Links

1. Bundesliga Damen auf tischtennis.de

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Beitragsbild ganz oben: Langstadt macht die Welle, v.l. Chantal Mantz, Cheng Hsien-Tzu, Izabela Lupulesku, Franziska Schreiner (Foto Roscher).

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