“Ein Titel sollte es schon jedes Jahr werden“

Von Stephan Roscher|April 24, 2025|bundesliga, champions league, Pokal

Großes Interview mit Ex-DTTB-Präsident Andreas Hain, Manager der ttc berlin eastside

Andreas Hain war von November 1923 bis September 2024 Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes und danach, nach einer Strukturänderung in der Führung, bis 28. Februar 2025 Vorstandschef des zehntgrößten olympischen Spitzenverbandes. Seit 1. März ist sein Nachfolger Dr. Wolfgang Dörner im Amt.

Der 58-jährige Hain ist inzwischen wieder als Vorsitzender des Hessischen Tischtennis-Verbandes sowie Manager des fünfmaligen Champions-League-Siegers ttc berlin eastside tätig, Ämter, die er während seiner Zeit beim DTTB ruhen ließ.

Eigentlich wollten wir ihn lediglich zum Champions-League-Halbfinal-Rückspiel seines Klubs am 25.04. in Tarnobrzeg befragen, doch dann stellte sich heraus, dass wir eine Menge weitere Fragen hatten. Wir haben interessante, teilweise auch unerwartete Antworten erhalten.

———————————————-

Herr Hain, wie bewerten Sie rückblickend Ihre Zeit beim DTTB? Was konnten Sie für den Tischtennissport in Deutschland bewegen, was ist unter Ihrer Führung an Weichenstellungen erfolgt?

„Meine Aufgabe war ziemlich klar definiert, ich sollte den Übergang in die neue Struktur hin zu einem hauptamtlichen Vorstand moderieren und vorbereiten. Weiterhin sollten die Turnierlizenz auf den Weg gebracht werden und erste Maßnahmen zur finanziellen Konsolidierung des Verbandes angegangen werden. Die Turnierlizenz ist umgesetzt und wird trotz aller Kritik ein Erfolg sein. Bisher sind rund 22.000 Lizenzen verkauft sowie rund 3.500 Veranstaltungslizenzen. Wenn man bedenkt, dass wir bisher immer nur etwa 30.000 Turnierspieler hatten und die Saison mit vielen Turnieren erst noch losgeht, glaube ich, dass wir hier zumindest keine Spieler verlieren werden. Mit der neuen Turnierwelt wird man aus meiner Sicht sogar noch weitere hinzugewinnen. Die Einnahmen für den DTTB belaufen sich dann auf rund 250.000 Euro. Dieses Geld wird dringend für weitere Maßnahmen, zum Beispiel im Bereich der Digitalisierung, benötigt. In verschiedenen AGs wurden die Finanzen eingehend thematisiert, und es ist jetzt zumindest deutlicher definiert von den Verbänden, welche Aufgaben der DTTB in Zukunft wahrnehmen soll. Was das finanziell bedeutet, wird jetzt gemeinsam mit den Verbänden erarbeitet.“

Klingt gut, gibt es weitere wichtige Aspekte aus Ihrer Tätigkeit an der Spitze des DTTB?

„Natürlich, ich greife jetzt nur einige Punkte noch heraus. Eine Umstrukturierung der TMG wurde von mir forciert und wird vermutlich zum Jahresende umgesetzt. Änderungen im Vertrag mit der WTT zum Champions-Turnierformat wurden angegangen und werden nun zum finanziellen Vorteil des DTTB umgesetzt. Eine von den Verbänden seit langem geforderte AG Digitalisierung mit Fachleuten aus diesem Bereich wurde eingerichtet und arbeitet erfolgreich. Die WM-Bewerbung des DTTB für 2029 in Berlin wurde von mir bei der ITTF durch eine Regeländerung vorbereitet und auch mit dem Senat in Berlin auf den Weg gebracht. Es wurde vieles im Hintergrund neu strukturiert und so bereits jetzt in die Zukunft gedacht. Mit Wolfgang Dörner hat der DTTB jemanden gewinnen können, der als Vorstandsvorsitzender jetzt nochmals Gas gibt und weitere Ideen einbringt. Ich denke, der DTTB ist auf dem richtigen Weg – genau dies waren die Ziele meiner Tätigkeit gewesen, die ich auch gegen so manchen Widerstand durchgeboxt habe.“

Gab es keinerlei Überschneidungen mit Ihren bisherigen und nun auch wieder aktuellen Tätigkeitsfeldern? Hat sich das alles konsequent ausklammern lassen?

„Zunächst einmal: Mein Amt als Präsident des Verbandes internationaler Tischtennismarken (FIT) habe ich in Abstimmung mit dem DTTB weiter ausgeführt. Ich war auch Mitglied der ITTF Task Force zum Thema WTT, was ja auch die deutschen Profivereine betrifft. Hier gab es aber nur wenige konkrete Berührungspunkte. Natürlich war ich auch in diese Themen im Hessischen Verband und im Verein involviert. Das lässt sich ja kaum vermeiden, da diese auch immer beim DTTB ein Thema sind oder waren. Aber ich habe letztlich nicht operativ eingegriffen.“

Was haben Sie aus ihrer Zeit an der DTTB-Spitze mitgenommen, einer Zeit, in der ja absolute Neutralität und Objektivität gefordert waren und sie einen der wichtigsten Verbände des Welttischtennis auch nach außen repräsentiert haben?

„Grundsätzlich ist man nie neutral oder objektiv. Daraus habe ich auch nie einen Hehl gemacht. Natürlich habe ich gehofft und mich auch gefreut, wenn eastside Titel gewinnen konnte und auch bei den Finals in Erfurt habe ich für die Hessischen Sportler gehalten. Das schüttelt man ja nicht ab für ein paar Monate beim DTTB. Interessant war für mich, dass international, insbesondere in Europa, von den anderen Nationen eine klare Führung durch den DTTB geradezu verlangt wird. Selbst Frankreich drängt uns dazu. Aber derzeit nehmen wir dies noch nicht so an. So sind wir international mit keinem einzigen hauptamtlichen Vertreter irgendwo präsent, ob bei ETTU, ITTF oder WTT. Kein Deutscher! Wir müssen hier deutlich präsenter werden und dies nicht nur in der zweiten Reihe. In Hessen haben wir es erreicht, dass alle Kreise zwar rege miteinander diskutieren, immer aber den gegenseitigen Respekt zeigen, sich Ideen anhören und dann gemeinsam eine hoffentlich gute Entscheidung treffen. Im DTTB wird viel zu oft, gerade von den kleineren Verbänden, ohne eigene Ideen vorzubringen einfach dagegen gestimmt. Ein unglaublich destruktives Verhalten, was mich persönlich immer wieder nur den Kopf schütteln lasst. Ich hoffe, dass wir im DTTB hier künftig mehr an einem Strang ziehen werden.“

Ist das Kapitel DTTB nunmehr für Sie komplett beendet oder sind Sie in anderer Form weiter für den Verband tätig?

„Derzeit und bis zum Jahresende führe ich für den DTTB auf Honorabasis noch einige Projekte zu Ende, wie zum Beispiel die Turnierwelt, und bin in weitere Themen als Berater eingebunden.“

Jetzt stehen Sie wieder an der Spitze des HTTV und sind wieder als Manager des ttc berlin eastside im Geschäft. War dieser Wechsel für Sie eine Art emotionales „Coming Home“ oder eher „Business as usual“?

„Eher Business as usual. Langfristig war und ist die Arbeitsbelastung als CEO beim DTTB für mich nicht erstrebenswert und man hat mit dem eigentlichen Sport fast nichts zu tun. Von daher freue ich mich, jetzt wieder näher oder sogar mittendrin beim Tischtennis zu sein und eben nicht nur Projekte im Hintergrund zu betreuen.“

Nun können Sie wieder in jeder Hinsicht Klartext reden, ein gutes Gefühl?

„Warum? Habe ich ich mich in den letzten Monaten zurück gehalten? Ich denke, ich habe auch in meiner Zeit beim DTTB immer gesagt, was Sache ist.“

Auch als Coach gefragt: Andreas Hain bei den German Open 2019 in Bremen, wo er Quadri Aruna betreute, der gegen Fan Zhendong gut mithielt.

Nun aber endlich zum ttc berlin eastside: Der Pokalsieg wurde im Januar recht souverän unter Dach und Fach gebracht, muss in jedem Fall noch etwas nachkommen, oder wäre für den Verein zur Not auch mal eine Saison mit „nur“ einem Titel akzeptabel?

„Ein Titel sollte es schon jedes Jahr werden. Das ist unser Minimalziel. Von daher ist ein Titel schon ganz okay. In erster Linie zählt für uns eigentlich nur noch der Champions-League-Titel, alles andere haben wir in den letzten zehn, zwölf Jahren ja eh fast immer gewonnen.“

Wie wichtig ist dieses Jahr die Meisterschaft für den ttc eastside – die Play-offs beginnen ja bald?

„Es war klar kommuniziert, dass wir mit Mia Griesel, Josi Neumann und Sabina Surjan die komplette Bundesligasaison spielen. Hinzu sollte noch ein junge Taiwanesin oder aber Yuka Kaneyoshi kommen, die auch erst 18 Jahre alt ist. Zudem hat in der Vorrunde eine 15-jährige Amerikanerin gespielt. Mittelham, Shan und Yaping sind in den Play-offs nicht startberechtigt und können folglich gar nicht eingesetzt werden. Doch ich glaube, dass wir in komplette Besetzung mit den vorgenannten Spielerinnen in jedem Spiel mindestens eine 50-prozentige Chance haben, zu gewinnen. Dazu muss man sich nur einmal die Ergebnisse der Mannschaft anschauen. Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, muss man manchmal einen vermeintlichen Schritt zurück gehen, damit die Erfolge bestand haben. Im übrigen ist unsere junge Mannschaft nicht so schlecht, wie sie von vielen gemacht wird, das ist teilweise schon unverschämt gegenüber diesen Spielerinnen.“

Im letzten Ligaspiel gegen Kolbermoor kamen eine 11-jährige und eine 13-jährige Nachwuchsspielerin zum Einsatz. Wird die Entwicklung solcher jungen Talente in der Bundesliga künftig ein besonderes Aufgabenfeld für den Verein sein?

„Wann immer es die Möglichkeit gibt, versuchen wir auch einmal ganz jungen Spielerinnen die Möglichkeit eines Einsatzes in der Bundesliga zu geben. Dies ist für diese eine Motivation, aber auch Belohnung für ihren Trainingseinsatz und zudem eine gute Gelegenheit, Verein und Bundesligamannschaft noch besser zusammenzubringen.“

Thema Champions League: Der Verein konnte in den K.o.-Runden nicht auf alle gemeldeten Spielerinnen zurückgreifen. Ärgerlich?

„Wir hatten das Problem, dass He Zhuojia kurzfristig zu stark geworden ist und dann nicht mehr bei uns spielen durfte. Unsere andere Chinesin wiederum war nicht in der Verfassung, dass sie uns entscheidend helfen konnte. So läuft das manchmal. Nächste Saison werden wir stärker und solider sein.“

Das 1:3 gegen Titelverteidiger Tarnobrzeg im Halbfinal-Hinspiel ist im Rückspiel am 25.04. sicher nicht leicht wettzumachen. Trauen Sie der Mannschaft zu, unter Druck ihr bestes Tischtennis abzurufen?

„Natürlich traue ich das dem Team zu. Es war ein 50/50-Spiel und das wird auch in Polen so sein, davon bin ich überzeugt. Von daher haben wir noch alle Chancen. Insbesondere wenn wir die Aufstellung etwas besser treffen sollten als beim Hinspiel.“

Was halten Sie vom Modus mit der Möglichkeit einer Entscheidung im Golden Match?

„In der Bundesliga spielen wir das ja mittlerweile auch so. Für die Zuschauer ist es sehr spannend. Es ist halt wie Elfmeterschießen im Fußball. Wenn man gewinnt, ist es geil, wenn man verliert, sch….“.

Wird es aufgrund der hohen Beanspruchung der Spielerinnen auf der WTT-Tour immer schwieriger, die Besten bei den wichtigen Events aufzubieten? Sind die Vereine nicht letztlich die Leidtragenden, die zum großen Teil den Lebensunterhalt der Spielerinnen garantieren?

„Nein, ich bin da durchaus optimistisch. Man muss halt vernünftige Verträge mit den richtigen Spielerinnen machen und als Verein flexibel sein. Wenn die WTT, wie in der Task Force besprochen, im August den Plan für 2026 vorlegt, sollte das Problem zu beheben sein. Die WTT ist mittlerweile ja auch auf die Ligen zugegangen.“

Braucht man zwingend immer größere Kader, um über die Saison gesehen überhaupt konkurrenzfähig zu sein?

„Haben wir ja längst, es ist fahrlässig, nicht mit sechs bis acht Spielerinnen zu planen.“

Andreas Hain mit Shan Xiaona bei den 3B Pokalfinals 2024 in Berlin.

Abschließend nochmals zur 1. Bundesliga Damen, in der sehenswertes Toptischtennis geboten wird. Doch die Resonanz der Fans ist oft nicht berauschend. Muss man sich damit abfinden oder sehen Sie Chancen und Wege, mehr Zuschauer in die Hallen zu locken?

„Die Vereine müssen sich selbst Gedanken machen und dann an einem Strang ziehen. Der DTTB wird hier nicht tätig werden können. Ich bin da auch gerne bereit, mich wieder stärker einzubringen. In Berlin werden wir jetzt mit Borussia Düsseldorf kooperieren und Ende des Jahres ein großer Tischtennis-Festival auf die Beine stellen. Die Borussia spielt ein TTBL-Match und wir ein Champions-League-Match an einem Tag in einer Halle. Es wird ein großes Rahmenprogramm geben und wir werden gemeinsam ein riesen Tischtennis-Fest daraus machen. Doch was machen andere Vereine? Sie spielen Bundesliga und das war’s. Da muss halt auch mal mehr kommen ….“.

Interview & Fotos: Dr. Stephan Roscher

Diesen Beitrag teilen: