Bad Driburg glücklicher Sieger in Böblingen, Langstadt mit Remis gegen den Meister

Von Autor|Oktober 15, 2018|bundesliga

Die beiden Begegnungen des Sonntags in Deutschlands Topliga waren an Spannung wahrlich nicht zu überbieten – Dramatik pur in Böblingen und Langstadt. Eigentlich hatte es keines der vier Teams verdient, die Halle als Verlierer zu verlassen, doch lediglich in Langstadt kam es tatsächlich zur Punkteteilung. Böblingen zog nach großem Kampf gegen Bad Driburg – wie fast immer – knapp den Kürzeren. So oder so: Eine Werbung für die Damen-Bundesliga waren beide Partien allemal.

SV Böblingen – TuS Bad Driburg 4:6

Als die dreieinhalb Stunden später angesetzte Partie in Langstadt begann, stand das Match in Böblingen noch auf des Messers Schneide. Fast vier Stunden dauerte dieses packende Duell zweier so gut wie gleichwertiger Teams mit dem besseren Ende für die Ostwestfälinnen.

Vor der Partie hatte TuS-Manager Franz-Josef Lingens auch auf die Tradition spekuliert: „Die letzten Jahre haben wir immer knapp in Böblingen gewonnen.“ Er sollte Recht behalten, am Ende lief es genau so, wie es eben in der Regel läuft, wenn sich beide Klubs gegenüberstehen, so wie vor einigen Wochen ganz ähnlich auch im Pokal.

Dabei zahlte sich letztlich aus, dass der Gast furios gestartet war. In den Doppeln hatten nämlich sowohl Britt Eerland/Sarah de Nutte mit einem 3:0 über Qianhong Gotsch/Rosalia Stähr als auch Nadine Bollmeier/Sophia Klee durch ein hauchdünnes 3:2 gegen Yanhua Yang-Xu/Theresa Kraft für den Zwei-Punkte-Abstand gesorgt, von dem Bad Driburg bis zum Schluss zehrte, auch wenn den Böblingerinnen zwischenzeitlich der Ausgleich zum 4:4 gelang.

Zudem erwies sich das hintere Paarkreuz des TuS als Trumpfkarte. Nadine Bollmeier (3:1 gegen Theresa Kraft, 3:2 gegen Rosalia Stähr) punktete doppelt, wobei die Satzergebnisse dokumentieren, wie eng es an jenem Sonntag zuging: Bollmeier vs. Kraft 13:11, 9:11, 15:13, 11:9; Bollmeier vs. Stähr 8:11, 13:11, 2:11, 11:6, 12:10. Auch Sophia Klee wusste zu gefallen, nicht nur im Doppel. Zwar unterlag Bad Driburgs „Nesthäkchen“ Defensivkünstlerin Rosalia Stähr noch in fünf umkämpften Sätzen, gegen Theresa Kraft gelang ihr am Ende jedoch ein nervenstarkes 3:0, das den Gästesieg perfekt machte. Vorne konnte der TuS nur einen Punkt verbuchen: Britt Eerland sicherte sich diesen durch ein 3:2 gegen die erfahrene Yanhua Yang-Xu.

Für Böblingen war einmal mehr Qianhong Gotsch doppelt erfolgreich. Gegen Sarah de Nutte, der sie im Pokalkrimi sensationell mit 0:3 unterlegen war, siegte sie in vier Durchgängen, gegen Britt Eerland gab die SVB-Ikone keinen Satz ab. Neben Stähr konnte sich noch Yanhua Yang-Xu in die Siegerliste eintragen (3:1 gegen Sarah de Nutte).

Doch es reichte eben nicht trotz 410:386 Bällen zugunsten Böblingens in der Endabrechnung – bei allerdings 19:22 Sätzen. Der Ausgang war sicher bitter für die Baden-Württembergerinnen, doch sind solche extrem spannenden Spiele, egal wer am Ende die Nase vorn hat, zweifellos eine Werbung für die Damen-Bundesliga.

Böblingens Trainer Andrzej Kaim war denn auch nicht unzufrieden mit dem Auftritt seines Teams. „Klar, die Doppel waren nicht optimal, aber in den Einzeln haben unsere Spielerinnen starke Leistungen gezeigt und super gekämpft“, so Kaim. „Wir haben zum Teil sogar extrem gut gespielt. Yanhua hatte ein Klasse-Comeback. Ich bin stolz auf die Mannschaft.“ Auf dem Bogen stand jedoch die Niederlage. „Es war wie zuletzt immer gegen Bad Driburg. Die SV Böblingen ist auf Augenhöhe, steht aber am Ende mit leeren Händen da“, so Pressewart Manfred Schneider.

Franz-Josef Lingens war natürlich in guter Stimmung, räumte jedoch ein: „Das Spiel hatte keinen Verlierer verdient.“ Alles sei bis zuletzt offen gewesen: „Es wogte alles hin und her, genau so wie die Perspektive auf Sieg oder Niederlage, aber insgesamt hatten wir heute das Glück, das wir zuletzt gegen Anröchte nicht hatten.“ Für Lingens war es ein Wechselbad der Gefühle. „Als wir 4:1 führten, dachte ich an einem Sieg, aber bei 4:3 wäre ich schon wieder mit einem Remis zufrieden gewesen und bei 4:4 und dem 1:2-Start von Bollmeier gegen Stähr war die Niederlage möglich“, bekannte der TuS-Manager. „Aber dann gewann Nadine auch ihr zweites Einzel hauchdünn und die überragend spielende Sophia Klee schaffte dann tatsächlich ein nicht zu erwartendes 3:0 gegen Kraft.“

Die 15-jährige Sophia Klee überzeugte in Böblingen auf ganzer Linie.

TSV Langstadt – SV DJK Kolbermoor 5:5

In Langstadt erlebten fast 300 Tischtennisfans ein echtes Spitzenspiel, auch wenn natürlich mit dem ttc berlin eastside der erst einmal an die Tische gegangene Meisterschaftsfavorit Nummer eins derzeit noch im Tabellenmittelfeld lauert und vermutlich bald nach vorne preschen wird.

„Ein Wahnsinnsspiel auf ganz hohem Niveau mit vielen tollen Ballwechseln“, freute sich TSV-Teammanager Manfred Kämmerer. „Die Stimmung war fantastisch, die Wände haben gewackelt.“ Letzteres bestätigte auch Kolbermoors Trainer Michael Fuchs: „Die Stimmung in der Langstädter Halle war sehr gut, das Spiel und das Ergebnis war sicher auch ein Highlight für die Zuschauer, die die Halle zu einem echten Hexenkessel gemacht haben.“

Auch Champion Kolbermoor musste die Erfahrung machen, dass der Aufsteiger den Großen auf Augenhöhe begegnet, wenn Petrissa Solja und Cheng Hsien-Tzu dabei sind. Chengs Einsatz war von Anfang an eingeplant, Soljas Engagement wurde dagegen erst durch einen verschobenen Bundeswehrlehrgang möglich.

Dreieinviertel Stunden schenkten sich beide Teams nichts Vom Doppel an ging es in jedem Paarkreuz remis aus, nie konnte sich eine Mannschaft absetzen. Bei den Südhessen glänzte Alena Lemmer mit zwei Einzelsiegen. Solja und Cheng gewannen ihr gemeinsames Doppel und besiegten jeweils Sabine Winter, unterlagen beide aber der Doppel-Europameisterin Kristin Lang. Kurios: Bei Chengs 3:1 über Winter endete der vierte und letzte Satz mit sage und schreibe 23:21 zugunsten der Taiwan-Chinesin, die erst ihren zehnten Matchball zum Sieg verwerten konnte.

Sogar ein TSV-Sieg lag im Bereich des Möglichen, auch wenn es, laut Kämmerer, vermessen wäre, von einem verlorenen Punkt zu sprechen. Hätte Solja in ihrem ersten Einzel gegen die bärenstarke Lang im Entscheidungssatz eine 6:0-Führung zum Matchgewinn nutzen können anstatt mit 8:11 den Kürzeren zu ziehen, wären es wohl zwei Punkte für den TSV geworden, auch wenn man das in jenem frühen Stadium der prickelnden Partie noch nicht ahnen konnte. Den „Zweier“ hätte es auch gegeben, wenn Janina Kämmerer im Duell der Vierer ihren Matchball gegen Katharina Michajlova beim Stand von 2:0 Sätzen und 11:10 hätte verwerten können, doch ihre Gegnerin zog den Kopf aus der Schlinge, gewann den Satz noch sowie das Spiel zum Remis für Kolbermoor.

Andererseits stand zur gleichen Zeit auch Alena Lemmers zuvor nicht erwarteter 3:2-Erfolg gegen Svetlana Ganina auf wackligen Beinen. In diesem Herzschlagmatch hatte die 21-jährige Hessin mit 1:2 Sätzen hinten gelegen und konnte im vierten Durchgang reihenweise Satzbälle zum Ausgleich nicht nutzen, so dass ihre Gegnerin plötzlich Matchball hatte. Lemmer jedoch behielt die Nerven, gewann den Satz noch und hatte auch im Entscheidungsdurchgang das bessere Ende auf ihrer Seite, wo sie mit 6:8 zurücklag und dann unter dem frenetischen Jubel der Zuschauer fünf Punkte in Folge machte. „Ich bin überglücklich, dieses Spiel noch gewonnen zu haben“, sagte eine freudestrahlende Lemmer. „Die Fans haben mich zum Sieg geschrien.“

„Insgesamt muss man sagen, dass es wohl ein leistungsgerechtes Unentschieden war, auch wenn wir jetzt direkt nach dem Spiel etwas enttäuscht sind“, sagte Michael Fuchs. „Unser Plan ging eigentlich ganz gut auf. Ein 1:1 in den Doppeln und versuchen, im vorderen Paarkreuz nicht negativ zu spielen und dann im hinteren Paarkreuz ein 3:1 zu schaffen.“ Aber eben nur fast, einer Alena Lemmer in Topform geschuldet. „Kristin hat eine herausragende Leistung gezeigt, sowohl gegen Peti Solja, als auch gegen Cheng Hsien-Tzu, wo sie teilweise größere Rückstände mit starkem Kampfgeist noch drehen konnte“, lobte Fuchs seine Europameisterin. Weniger günstig ist es für Sabine Winter gelaufen. „Sabine konnte in einem Spiel auf Messers Schneide gegen Cheng mit reihenweise Wahnsinnsballwechseln leider ihre Chancen im vierten Satz nicht verwerten. Ebenso in den ersten zwei Sätzen gegen Solja, wobei man die Leistungen der Langstädterinnen auch einfach anerkennen muss. Solja und Cheng gehören für mich zu den Besten der Liga.“

Alena Lemmer überragte beim TSV Langstadt mit zwei Einzelerfolgen.

 

Beitragsbild oben: Kristin Lang war die herausragende Spielerin im Team des Deutschen Meisters und konnte gegen Petrissa Solja sogar einen 0:6-Rückstand im 5. Satz noch umbiegen.

Text & Fotos: Dr. Stephan Roscher

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