Bundesliga-Highlights mit Derby-Charakter in Bingen und Weinheim

Von Stephan Roscher|Oktober 3, 2025|bundesliga

Nach Berlin und Dachau greifen am Sonntag vier weitere Teams ins Bundesliga-Geschehen ein, sodass danach nur noch Kolbermoor auf den ersten Saisoneinsatz wartet. Während man beim Duell Bingen vs. Langstadt kaum Prognosen treffen kann, ist Weinheim nach der tollen Saison 2024/25 in der Favoritenrolle gegen den Play-off-Halbfinalgegner Weil, wobei der ESV zumindest letzte Saison den Nimbus des Favoritenschrecks besaß. Doch am Sonntag muss man mit Anna Hursey auf die absolute Topspielerin verzichten.

Sonntag, 14 Uhr: TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – TSV Langstadt

In Bingen und Langstadt freut man sich auf den Saisonstart am Sonntag. Eine über all die Jahre immer attraktive Partie steht an – auch wenn 100 Kilometer und die Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen dazwischen liegen, fühlt es sich immer wie ein Derby an, wenn beide die Klingen kreuzen. Möglich erscheint alles, wobei natürlich viel davon abhängt, wer seinen optimalen Kader aufbieten kann. Aufgrund der neuen Play-off-Regelung werden alle Teams versuchen, so häufig wie möglich in Bestbesetzung an die Tische zu gehen – doch umsetzen lässt sich das gewiss nicht immer.

Für beide wäre es, neben den von Anfang an wichtigen Punkten, gerade auch psychologisch ein gutes Signal, zum Saisonstart einen Sieg vorzulegen. Besonders für den Gastgeber, der letzte Saison als einziges Team der Liga die Play-offs verpasst hatte, wäre es wichtig, sich selbst, den Sponsoren, den Fans und der gesamten Tischtennis-Community zu zeigen: Wir sind wieder da und diesmal wird alles ganz anders!

Auch Langstadt hat ein wenig Wiedergutmachungsbedarf. Das unerwartete Ausscheiden bereits im Viertelfinale, wo man Favoritenschreck Weil trotz Bestbesetzung hatte gratulieren müssen, war für die Südhessen doch ziemlich unbefriedigend gewesen.

Für Bingen war besonders die letzte Vorrunde total danebengegangen, während man in der Rückserie, allerdings viel zu spät, durchaus wieder ansehnliches Tischtennis geboten hatte. In den letzten drei Partien hatte man gegen starke Teams 4:2 Punkte erspielt. Vier von fünf Punkten insgesamt.

Man hat reagiert und mit der 27-jährigen südkoreanischen Abwehrspielerin Yelin Choi eine interessante Neuverpflichtung präsentiert. Die übrigen Spielerinnen sind an Bord geblieben, lediglich die Tschechin Katerina Tomanovska ist nicht mehr dabei. Unter dem Strich dürfte das neue Bingener Team jedenfalls stärker sein als das alte, zumal die kroatische Spitzenspielerin Lea Rakovac, bei der in der Vorrunde 2024/25 wenig zusammengelaufen war, bereits in der Rückrunde wieder zur alten Form zurückgefunden hat.

Lea Rakovac ist nach wie vor Bingens Nummer eins (Foto Roscher).

Zum Kader zählen, neben Choi und Rakovac, Shi Qi, Elena Kuzmina und Karolina Mynarova. Die Inderin Diya Chitale könnte ebenfalls zum Einsatz kommen, doch nur, wenn ihr Verband grünes Licht gibt und Choi nicht zur Verfügung steht, da bekanntlich immer nur eine Nicht-EU-Ausländerin auflaufen darf. Wir rechnen damit, dass zumeist die Koreanerin, die keine internationalen Verpflichtungen mehr hat, am Tisch stehen wird. Für die Mannschaft gewiss nicht schlecht, zumal sie mit einer Defensivspielerin für die Gegner schwieriger auszurechnen ist.

Bingens Sportvorstand Joachim Lautebach sagt: „Yelin Choi wird häufig spielen. Europa und die 1. Bundesliga sind allerdings Neuland für sie. Man sollte ihr deshalb auch eine Eingewöhnungszeit zubilligen.“

Lautebach hält den Gegner für den Favoriten, sofern dieser in Bestbesetzung anreist. Man hat sich jedoch einiges vorgenommen: „Nach den guten Auftritten unseres Teams in den letzten Heimspielen der vergangenen Spielrunde hoffen wir, dass unsere Spielerinnen an diese zuletzt gezeigten Leistungen anknüpfen können, damit die Zuschauer attraktiven und spannenden Tischtennissport zu sehen bekommen.“

„Bingen hat sich deutlich verstärkt und ist somit mit dem Team aus der vergangenen Saison nicht mehr zu vergleichen“, so Langstadts Trainerin Anna Rauch. „Beim Saisonauftakt spielen jedoch immer auch einige „Unbekannte“ mit. Keiner kann so recht die Form der Spielerinnen einschätzen. Unser Team wird sich unter der Woche mit einem gemeinsamen Sondertraining auf das Spiel vorbereiten. Wir wollen erfolgreich in die neue Saison starten und machen uns auf einen harten Fight gefasst.“

Auch Sophia Klee rechnet mit einem heißen Tanz am Mäuseturm: „Bingen dürfen wir auf keinen Fall unterschätzen. Wir müssen alles reinwerfen, um zwei Punkte mit nach Hause zu nehmen. Aber genau das ist unser Ziel.“ “Franzi” Schreiner bekräftigt dies und sagt: “Bingen war seit jeher ein sehr unangenehmer Gegner für uns. Die Spiele der Vergangenheit waren immer eine 50/50-Nummer. Ich kenne die Koreanerin nicht, aber ich bin mir sicher, dass sie den Gegner verstärkt. Demnach schätze ich Bingen vor allem im vorderen Paarkreuz als sehr stark ein. Nichtsdestotrotz werden wir alles geben, um mit zwei Punkten in die neue Saison zu starten. Das sollte unser Ziel sein.“

Man wird sehen, wer zur Verfügung steht, ob Langstadt mit Orawan Paranang und Bingen mit Yelin Choi auflaufen kann. Diese beiden Personalien könnten jedenfalls einiges beeinflussen. Bingens Südkoreanerin wird vermutlich auflaufen, während Langstadt, wie immer, seine Aufstellung im Vorfeld nicht bekannt gibt. Dem Kader gehören ansonsten Chantal Mantz, Franziska Schreiner, Izabela Lupulesku, Sophia Klee und Lorena Morsch an – ein recht ausgeglichenes Quintett. Man hat alle beisammen gehalten und setzt auf den Faktor personelle Kontinuität, während sich die allermeisten Ligakonkurrenten namhaft verstärkt haben.

Es könnte ein heißer Tanz werden am Sonntag in Bingerbrück in der Sporthalle am Mäuseturm.

Sonntag, 14 Uhr: TTC 1946 Weinheim – ESV Weil

Es ist tatsächlich ein Derby, nämlich ein Baden-Derby, obwohl satte 260 Kilometer zwischen der nordbadischen Bergstraße und dem südbadischen Dreiländereck liegen.

Letzte Saison bekam Weinheim zu spüren, dass man selbst als absolutes Topteam die Weilerinnen niemals unterschätzen darf. Zwar konnte man im Punktrunden-Hinspiel am 24.11. die ohne Anna Hursey angereisten Südbadenerinnen dank eines überragenden Spitzenpaarkreuzes mit 6:2 besiegen, doch das Rückspiel bei den „Eisenbahnern“ am 19. Januar ging gründlich daneben. Anna Hursey, Ievgeniia Sozoniuk und Daniele Ortega brillierten beim ESV, der sensationell mit 6:2 siegte.

Der TTC 46 war gewarnt, auch aufgrund des bärenstarken Auftretens von Weil in den Play-off-Viertelfinals gegen Langstadt, als man Ende Mai erneut ins Dreiländereck reisen musste, diesmal zum Meisterschafts-Halbfinale. Erneut gab es mit 6:2 das Standard-Ergebnis zwischen den badischen Rivalen, doch diesmal wieder zugunsten der Weinheimerinnen, die außerordentlich fokussiert auftraten, von den Doppeln an wie die Feuerwehr loslegten und auch die engen Matches für sich entschieden. So konnte etwa die während der gesamten Saison überragende Taiwanerin Chien Tung-Chuan das Match gegen Anna Hursey nach anfänglich klarem Rückstand noch drehen und mit 16:14 im Entscheidungssatz gewinnen. Yuan Wan schlug danach noch Ievgeniia Sozoniuk ganz knapp, ebenfalls in fünf umkämpften Sätzen. Im Rückspiel am 1. Juni ging es dagegen auch vom Ergebnis richtig eng zu. Der TTC 46 gewann zwar wieder beide Doppel, doch in den Einzeln waren die Weilerinnen gleichwertig. Ortega und Hursey, die diesmal sogar Chien bezwingen konnte, gewannen ihre sämtlichen Matches, sodass am Ende „nur“ ein knappes 6:4 zugunsten der Weinheimerinnen zu Buche stand. Somit hatte man das Finale eingetütet und sicherte sich später den Titel.

Starke Spitzenspielerin des TTC 46 Weinheim: Chien Tung-Chuan (Foto: Armin Schimkat).

Man sieht jedenfalls, dass sich Weinheim und Weil letzte Saison in vier Duellen nichts schenkten und wie eng es teilweise zuging, wenn beide die Klingen kreuzten. Allerdings muss man in Rechnung stellen, dass dem ESV nunmehr mit Daniela Ortega eine echte Leistungsträgerin fehlt, die nach Spanien gewechselt ist. Die vom Zweitligisten Langen gekommene Martine Toftaker soll die Lücke schließen, ob dies der Norwegerin allerdings gelingen wird, muss sich erst noch zeigen. Ortega hatte ein glanzvolles Jahr, es sind große Fußstapfen, in die Toftaker treten muss.

Allerdings hat auch Weinheim mit Ece Harac eine wichtige Spielerin eingebüßt, die es zurück in die Türkei zog. Mit der Chinesin Liu Weishan ist eine namhafte Spielerin nicht mehr an Bord, die allerdings nur zu zwei Punktspieleinsätzen gekommen war. Sie verstärkt nunmehr den Rivalen aus Berlin, ist aber zunächst nur in der Champions League einsetzbar, könnte aber in der Rückrunde auch im Bundesliga-Kader der Hauptstädterinnen stehen. Und die Taiwanerin Cheng Hsien-Tzu, die die Erwartungen nicht zu 100 Prozent erfüllen konnte, ist auch nicht mehr dabei. Neu im Kader steht die erst 15-jährige Bao Chau Elisa Nguyen, die vom Zweitliga-Aufsteiger DJK SB Stuttgart an die Bergstraße gekommen ist. Die Jugend-Mannschaftseuropameisterin von Malmö 2024 gilt als eines der größten deutschen Talente und soll auf jeden Fall Einsätze in der ersten Liga erhalten. Zudem hat man die Ukrainerin Solomiya Brateyko, die schon in Kolbermoor aufgeschlagen hat, aus Frankreich in die Bundesliga zurückgeholt. Weiterhin hat man – als Backup für Chien Tung-Chuan – Seongjin Kim für das vordere Paarkreuz verpflichtet. Für die junge Spielerin aus Südkorea sind Europa und die deutsche Bundesliga absolutes Neuland, weshalb sie schwer einzuschätzen ist.

Nun genießt man zum Auftakt einer Saison, die ungeachtet der starken Konkurrenz möglichst mit der Titelverteidigung enden soll – offizielles Saisonziel ist das Erreichen der Play-offs -, zwar Heimrecht, doch von einem echten Heimvorteil kann noch keineswegs die Rede sein. Beiden Teams ist die Halle nämlich gleichermaßen fremd. Die Weinheimerinnen spielen von dieser Saison an nämlich nicht mehr in der Sporthalle des Werner-Heisenberg-Gymnasiums, sondern in der Dietrich-Bonhoeffer-Sporthalle (Breslauer Str. 60, 69469 Weinheim), die erst im September nach einer grundlegenden Sanierung feierlich wiedereröffnet wurde.

Dietrich-Bonhoeffer-Sporthalle ohne Tischtennistische (Quelle: weinheim.de).

„Wir sind alle gespannt auf die neue Saison“, freut sich Weinheims Macher und Manager Christian Säger darauf, dass es endlich losgeht. Es herrscht aber auch eine gewise Anspannung, gerade was das Organisatorische betrifft: „Wir spielen das erste Heimspiel gegen Weil und alle anderen in der neuen Halle. Diese ist für uns Neuland. Wir sind alle gespannt, wie alles zum Start passen wird.“ Bereits am Samstag passiert etwas in Weinheim: „Im sportlichen Bereich ist auch einiges neu bei uns. Wir haben am 4.10. Teamvorstellung mit den Sponsoren und der Presse.“ Zur möglichen Aufstellung gegen Weil macht Säger keine konkreten Angaben: „Das Team für Sonntag wird dann unser Trainer kurzfristig entscheiden.“ Man wird den ESV gewiss nicht unterschätzen: „Weil ist immer ein unangenehmer Gegner mit einer überragenden Nummer eins. Daher lassen wir uns mal überraschen, Ziel ist natürlich ein erfolgreicher Auftakt mit einem Sieg.“

Weils Abteilungsleiterin Doris Spiess gibt zu Protokoll: „Wir freuen uns natürlich, dass es jetzt wieder losgeht. Allerdings ist der Auftakt für uns nicht so glücklich. Wir müssen auf unsere Topspielerin Anna Hursey verzichten, die noch in China weilt. Gespannt sind wir aber auf das Auftreten unseres Neuzugangs Martine Toftaker, die erstmals im Weiler Trikot am Start ist. Unter den gegebenen Umständen sind unsere Erwartungen auch nicht ganz so hochgeschraubt. Trotzdem erhoffen wir uns ein spannendes Spiel und werden dem Titelverteidiger möglichst viel Gegenwehr entgegenbringen.“

Wird am Sonntag im Team des ESV Weil zum Einsatz kommen: Martine Toftaker, hier noch im Dress ihres alten Vereins TTC Langen (Foto Roscher).

Beitragsbild ganz oben: Will in Bingen mit ihrem Team erfolgreich in die Saison starten: Franziska Schreiner vom TSV Langstadt (Foto: Dr. Stephan Roscher).

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