Packende Duelle am Samstag und zwei Unentschieden

Von Stephan Roscher|Februar 11, 2024|bundesliga

Am Samstagnachmittag duellierten sich die ersten Vier der Tabelle in der 1. Bundesliga Damen. „Klare Sache, das riecht förmlich nach zwei Unentschieden“, so jedenfalls die Prognose eines Kenners der Liga am Vormittag. Er sollte Recht behalten, doch bis es zu den Punkteteilungen in den Partien Berlin – Langstadt und Dachau – Weinheim kam, sollte eine Menge passieren. Alle vier Teams und natürlich auch die Fans bangten bis zum letzten Ballwechsel, für alle war es ein Wechselbad der Gefühle. Tolle Matches, reichlich Spannung, hochklassiges Tischtennis: Einmal mehr definitiv eine Werbung für das Damen-Mannschaftstischtennis und die stärkste Liga Europas.

ttc berlin eastside – TSV Langstadt 5:5

Der Serienmeister ohne Nina Mittelham und Ding Yaping, jedoch mit Shan Xiaona, Britt Eerland, Sabina Surjan und Josi Neumann dennoch in einer guten, vielversprechenden Aufstellung. Langstadt, bis zum letzten Wochenende monatelang Tabellenführer, wie angekündigt in Bestbesetzung. Aus dieser personellen Konstellation konnte etwas werden – und das trat auch ein. Eine tolle Partie mit wechselnden Führungen und einer leistungsgerechten Punkteteilung am Ende.

Bei den Gästen wartete Cheng Hsien-Tzu mit einer Topleistung auf und konnte nicht nur Britt Eerland, sondern sogar Shan Xiaona bezwingen, die bekanntlich ganz selten mal ein Einzel in der Liga verliert – in der gesamten Saison 2022/23 inklusive Play-offs und Pokal war Berlins Penholder-Ass ein einziges Mal als Verliererin vom Tisch gegangen und beim diesjährigen Cup-Wettbewerb hatte sie auch geglänzt.

Dafür zeigte sich die 14-jährige Josi Neumann in Galaform und zudem ausgesprochen nervenstark. Schon beim 2:3 gegen Franziska Schreiner war das Nachwuchs-Ass des DTTB auf Augenhöhe, doch im entscheidenden Match, als es für ihr Team um den Punkt ging, wuchs Neumann über sich hinaus. Im fünften Satz wehrte der Tischtennis-Teenager zwei Matchbälle gegen Izabela Lupulesku, mit einer 15:3-Bilanz im hinteren Paarkreuz ins Match gegangen, ab, um dann ihrerseits den zweiten Matchball zum umjubelten 14:12 zu verwandeln.

Zuvor war natürlich auch schon eine Menge passiert. Zunächst die Doppel, da war der ttc eastside eindeutig obenauf. Britt Eerland/Shan Xiaona gaben sich beim 3:1 über Cheng Hsien-Tzu/Franziska Schreiner keine Blöße, während Sabina Surjan/Josi Neumann ihren Gegnerinnen Chantal Mantz/Izabela Lupulesku beim ungemein synchron wirkenden 11:9, 11:9, 11:9 nicht einen Satzgewinn gönnten.

Erwartungsgemäß gab sich Shan Xiaona bei ihrem Debütmatch in der Liga gegen Chantal Mantz keine Blöße. Die Langstädterin schnappte sich zwar den ersten Satz nach 6:10-Rückstand noch mit 12:10, doch danach hatte Berlins Spitzenspielerin das Geschehen gut im Griff. Die gute Nachricht für die Gäste: Das lädierte Knie ihrer Nummer eins hielt. Die schlechte Nachricht: 0:3-Rückstand beim amtierenden Meister und Pokalsieger. Das klang nicht gerade vielversprechend und gab wenig Grund zum Optimismus.

Doch die Südhessinnen präsentierten sich ganz und gar nicht resignativ, sondern hellwach und schafften das Kunststück, vier Einzel in Folge zu gewinnen, was die Zuschauer in der Sporthalle am Anton-Saefkow-Platz eher selten erleben. Cheng Hsien-Tzu zeigte beim 3:1 gegen Britt Eerland, dass mit ihr an diesem Tag unbedingt zu rechnen war. Izabela Lupulesku schlug, ebenfalls in vier Sätzen, mit viel Selbstvertrauen und dem Rückenwind ihrer Topbilanz Sabina Surjan. „Franzi“ Schreiner wollte da nicht nachstehen und holte den Punkt gegen Josi Neumann, die aber beim 2:3 bereits andeutete, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man sie mal so einfach im Vorübergehen besiegen konnte. Wer heute noch im hinteren Paarkreuz gegen Berlins „Nesthäkchen“ punkten will, muss schon Topleistungen abrufen. Es folgte das dramatische Duell zwischen Shan Xiaona und Cheng Hsien-Tzu mit der Überraschungssiegerin aus Taiwan – 11:7, 5:11, 9:11, 12:10, 9:11, so das Ergebnis aus Sicht der deutschen Nationalspielerin. Hinzufügen muss man, das Shan im Entscheidungsdurchgang nach sieben Punkten in Folge zwischenzeitlich mit 9:4 geführt hatte, doch von da an nur noch ihre Gegnerin, ebenfalls siebenmal hintereinander, punktete, die vielleicht ihr bestes Spiel überhaupt im Dress des TSV Langstadt machte.

In toller Form: Cheng Hsien-Tzu (Foto Roscher).

Britt Eerland stellte für den ttc eastside gegen Chantal Mantz den Ausgleich zum 4:4 her. Beim 3:1-Sieg der 29-jährigen Niederländerin waren die ersten beiden Sätze (jeweils 12:10) sehr umkämpft, der dritte ging an die Hessin, doch Eerland hatte in Durchgang vier klar die Nase vorn. Mantz‘ Knie war weiter den Umständen entsprechend okay und sie hatte ihrem Team geholfen, denn ohne ihr Mitwirken hätte Franziska Schreiner nicht im hinteren Paarkreuz aufschlagen können. Und die 22-jährige Aschaffenburgerin gewann dort auch ihr zweites Match. Nach überzeugender Leistung ließ sie Sabina Surjan beim 3:1 (11:7, 11:9, 3:11, 11:2) keine echte Chance. Doch es folgte die 30-Minuten-Gala von Josi Neumann, die die eastside-Fans für alles entschädigte. Fast vier Stunden packendes, teilweise dramatisches Toptischtennis, mehr konnte man nicht verlangen.

Gäste-Trainerin Anna Rauch beklagte den schwachen Start, lobte aber die Spitzenspielerin, die wirklich brillierte: „Wieder mal ein Auf und Ab. Die vielen Unentschieden sind etwas nervig. Wieder sind wir schlecht ins Spiel gekommen. Dann hat uns Cheng ins Spiel zurückgebracht. Ohne Übertreibung muss man ihr heute eine Weltklasse-Leistung attestieren.“ Langstadts Sportlicher Leiter Manfred Kämmerer kann mit dem Remis gut leben: “Ein Punkt in Berlin ist immer ein Erfolg. Zum Schluss wäre sogar noch ein Sieg möglich gewesen, als Izabela zwei Matchbälle hatte.“ Was Kämmerer weniger gefällt: „Dass wir derzeit keine Doppel gewinnen, macht uns etwas ratlos. Da müssen wir uns definitiv etwas einfallen lassen.“ Vielleicht ja bereits am Sonntag, denn da steht das schwere Spiel in Kolbermoor, nicht gerade Langstadts Lieblingsgegner, an. Würde man auch dort mit einem 0:2 aus den Doppeln herausgehen, könnte es extrem schwierig werden für Mantz und Co.

TSV Dachau 65 – TTC 1946 Weinheim 5:5

Eine Stunde später als in der Hauptstadt fiel der Startschuss zu einer Partie im 600 Kilometer enbtfernten oberbayerischen Dachau, die der ersten Begegnung des Samstags in nichts nachstand, weder an spielerischer Klasse noch an Dramatik. Kein Zuschauer, der erschienen war, bereute sein Eintrittsgeld – im Gegenteil, für ein solches Match hätte man den doppelten Tarif erheben dürfen, was allerdings nicht als Aufforderung an die Verantwortlichen des TSV Dachau missverstanden werden sollte. Keinem wurde nur eine Minute der insgesamt deutlich über vier Stunden langweilig.

Bruna Takahashi musste Yuan Wan gratulieren, konnte jedoch Sabine Winter besiegen (Foto: Armin Schimkat).

Am letzten Spieltag hatte der so wackelig in die Saison gestartete TTC 46 Weinheim nach fünf Siegen in Folge erstmals die Tabellenführung übernommen. Man wusste, dass der Tabellenvierte Dachau ein starker und unberechenbarer Gegner ist, den man nur mit einer Topleistung würde bezwingen können. Man war aber gut vorbereitet, auch mental, und wollte die Poleposition in der Liga um keinen Preis schon nach sechs Tagen wieder hergeben. Der Gast spielte in der Aufstellung Takahashi, Wan, Trigolos, Klee. Auf Mateja Jegers Einsatz, die 29-jährige Kroatin hatte sich bei der Partie in Langstadt verletzt, verzichtete man zur Sicherheit noch in den Einzeln. Im Doppel spielte sie aber. Der Gastgeber stellte seine beiden Topstars Sabine Winter und Liu Yangzi sowie die Penholder-Engländerin Tin-Tin Ho und Weißrusslands Abwehr-Ass Alina Nikitchanka dagegen.

Auch hier trennte man sich am Ende mit einem leistungsgerechten Remis und auch an der Tabellenkonstellation änderte sich nichts. Doch bis der Schlussvorhang fiel, sollte auch in Dachau eine Menge geschehen, wie man es Herzinfarktgefährdeten nicht unbedingt empfehlen konnte.

Doppel 1:1: Yuan Wan/Sophia Klee schlugen Alina Nikitchanka/Tin-Tin Ho in fünf Sätzen, während Sabine Winter/Liu Yangzi ihren Kontrahentinnen Bruna Takahashi und Mateja Jeger keinen Satz überließen. Es folgte der erste richtige Krimi zwischen Sabine Winter und ihrer Nationalmannschaftskollegin Yuan Wan. Winter hatte bei 10:9 im vierten Satz Matchball, konnte diesen aber nicht verwerten und musste in den fünften Durchgang. Da führte sie zwar mit 7:3, doch dann war wieder die stark spielende Wan am Zug, gewann acht der zehn nachfolgenden Ballwechsel und siegte mit 11:9. Liu Yangzi bewies im Anschluss, weshalb sie bilanztechnisch derzeit noch besser dasteht als Winter. Gegen Bruna Takahashi spielte die australische Nationalspielerin chinesischer Herkunft sehr effektiv und machte die Bigpoints in dem engen Match (11:9, 12:10, 13:11), wobei ihre brasilianische Gegnerin in den Durchgängen zwei und drei insgesamt drei Satzbälle nicht nutzen konnte. 2:2 zur Pause – noch war nichts Wesentliches passiert.

Danach ging es aber richtig ab, die Weinheimerinnen spielten plötzlich wie entfesselt auf. Drei 3:0-Siege und schon lag der Ligaprimus scheinbar uneinholbar mit 5:2 in Front – Sophie Klee hatte Tin-Tin Ho unerwartet klar im Griff, Daria Trigolos dominierte gegen Alina Nikitchanka und Bruna Takahashi ließ sich nicht ein zweites Mal an diesem Tag die Butter vom Brot nehmen und gewann gegen Sabine Winter mit 13:11, 11:7 und 11:9.

Die Dachauerinnen dachten aber nicht daran, die Flinte vorzeitig ins Korn zu werfen und kämpften sich zurück in die Partie. Das Schlüsselspiel war das Duell der „Zweier“, Liu Yangzi vs. Yuan Wan. Liu verlor den ersten Satz in der Verlängerung, gewann die beiden nachfolgenden Durchgänge recht deutlich, konnte den vierten Satz aber nicht ins Ziel bringen (9:11). Der Entscheidungssatz hatte es in sich. 8:1 und kurz darauf 9:3 für die Weinheimerin, die das 6:2 für ihr Team vor Augen hatte. Und was geschah dann? Es punktete erst einmal nur noch Liu – und das siebenmal im Folge zum 10:9. Ihren ersten Matchball vergab die Dachauerin noch, der nächste saß aber zum 12:10.

3:5 – die Oberbayern war wieder mittendrin statt nur dabei. Und setzten nach. Tin-Tin Ho war gegenüber ihrem ersten Einzel nicht wiederzuerkennen und besiegte Daria Trigolos mit 3:1. Nun musste aber Alina Nikitchanka unbedingt gegen Sophia Klee punkten, damit die Aufholjagd nicht vergebens war. Die Defensivspezialistin war gehandikapt und hatte mit Krämpfen zu kämpfen. Ihre Angriffsschläge kamen nicht, folglich beschränkte sie sich ab einem gewissen Punkt aufs reine Abwehren – und mit dieser Strategieänderung kam die 20-jährige Nordhessin auf der anderen Seite des Tischs nicht gut zurecht. Nikitchanka ließ sich auch von einem 0:2-Satzrückstand nicht entmutigen und biss sich durch. Mit 11:9, 11:7 und 11:5 holte sie sich die Sätze drei bis fünf und ließ ihr Team jubeln.

Sicherte ihrem Team den Punktgewinn im letzten Match des Tages: Alina Nikitchanka (Foto Roscher).

Dachaus Trainer Alexander Yahmed war mindestens ebenso begeistert wie die rund 130 Fans in der Halle: „Ein super Spiel, wirklich ein super tolles Heimspiel!“. Yahmed beschreibt das Wechselbad der Emotionen. „Am Anfang dachte ich, hui, das läuft ja super, erstes Doppel 3:0, zweites mit Siegchancen. Dann aber doch 1:1“, so Yahmed. „Yangzi 3:0, Sabine führt mit 2:1 Sätzen, dann im Fünften mit 7:3 – wieder hatte ich das Gefühl, es läuft gut heute. Dann verändert Wan ihren Aufschlag und macht bis zum Ende nur noch den und gewinnt das Spiel. Okay, nicht schlimm, 2:2.“ Das war erst einmal der Bruch im Spiel der Dachauerinnen: „Ab dann waren wir klar schlechter und eigentlich hat uns Yangzi am Leben gehalten mit ihren drei Punkten. Alina hat gegen Trigolos gut gespielt, hatte aber eigentlich keine Chance. Tin-Tin gegen Sophia Klee ebenfalls keine Chance. Und schwupps stand es 2:5.“ Fast schon verloren, doch nur fast. „Wenn es 2:6 ausgeht, können wir uns auch nicht beschweren, denn Wan war eindeutig vorne und eigentlich muss sie es gewinnen, aber Yangzi zeigte, wie stark sie auch mental ist“, fährt Yahmed fort. „Tin-Tin dann mit gutem Spiel gegen Trigolos zum 4:5 und dann kommt Alina.“ Jetzt wurde es vollends zum Krimi: „Sie hatte zu Anfang des Matchs richtig mit Krämpfen zu kämpfen und war schnell hinten, aber hat sich ins Spiel hinein gebissen und gefightet. Angriff ging gar nicht mehr, da war sie bei jedem Ball zu spät, also war die Devise einfach, jeden Ball irgendwie auf den Tisch zu spielen. Das schafft sie und spielt sich von Ball zu Ball zu unserem 5:5.“ Dem TSV-Trainer fiel kein Stein, sondern ein ganzes Gebirge vom Herzen: „Ich bin sehr glücklich, auch weil ich weiß, dass Weinheim heute näher am sechsten Punkt war als wir am 5:5.“

Natürlich konnte Gäste-Manager Christian Säger die Begeisterung nicht teilen, zu dicht war sein Team an einem Sieg vorbeigeschrammt. „Es ist ein Spiel gewesen, das wir nach 5:2-Führung gewinnen müssen“, konstatierte Säger. „Zwei Siege gegen Sabine Winter im vorderen Paarkreuz und eine 8:1-Führung von Yuan Wan gegen Liu im fünften Satz und eine 2:0-Satzführung von Sophia Klee gegen Nikitchanja reichten leider nicht. Großen Respekt für Dachau, die super gekämpft haben und sich damit das 5:5 verdient haben.“

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Am Sonntag spielen in der 1. Bundesliga Damen: SV Böblingen – TTC 1946 Weinheim (10.30 Uhr), SV DJK Kolbermoor – TSV Langstadt (14 Uhr).

Links

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Beitragsbild oben: Josi Neumann konnte gegen Langstadt zeigen, wie stark sie inzwischen bereits geworden ist. Der knappen Niederlage gegen Franziska Schreiner folgte der wichtige Sieg über Izabela Lupulesku im letzten Match des Tages (Foto: Dr. Stephan Roscher).

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