Die Saison geht auf die Zielgerade: Vier Teams kämpfen um den Titel

Von Stephan Roscher|Juni 1, 2023|bundesliga

Halbfinal-Play-offs am Freitag und Sonntag

Es ist eine Saison auf Raten, den straffen internationalen Turnierplänen geschuldet. Die Geduld der für die Play-offs qualifizierten Vereine, der Spielerinnen sowie der Fans wurde auf eine harte Probe gestellt. Am 22. März war die Punktrunde beendet. Vom 5. bis 7. Mai wurden die Viertelfinal-Play-offs gespielt, und erst jetzt, am 2. Juni, beginnen die Meisterschafts-Halbfinals der 1. Bundesliga Damen. Wenige Tage nach der WM in Südafrika geht es aber richtig los – ohne Kompromisse. Jetzt gilt es, wer nun nicht auf den Punkt topfit und hoch fokussiert an die Tische gehen kann, wird scheitern. Neun spannende, vielleicht sogar dramatische Tage bis zur Titelentscheidung liegen vor uns, die Endspiele sind auf den 9. und 11. Juni terminiert. Ab Freitag duellieren sich zunächst im Bundesliga-Klassiker der SV DJK Kolbermoor und der ttc berlin eastside sowie Überraschungs-Halbfinalist SV Böblingen und Punktrunden-Gewinner TTC 46 Weinheim um den Einzug in die Finalrunde.

Freitag, 18.00 Uhr: SV DJK Kolbermoor – ttc berlin eastside

Sonntag, 13.00 Uhr: ttc berlin eastside – SV DJK Kolbermoor

Rekordmeister ttc berlin eastside will den zweiten Titel der Saison nach dem souverän herausgespielten Pokalsieg im Januar und dem etwas enttäuschenden Viertelfinal-Aus in der Champions League. Zweimal ganz oben auf dem Treppchen zu stehen, wäre auch für einen Klub mit hohen Ansprüchen wie den ttc eastside in Ordnung, bliebe es dagegen bei einem Titel, wäre es nicht das, was man sich von der Saison versprochen hat. Somit lastet also schon ein gewisser Druck auf den Hauptstädterinnen, die im Normalfall aber nervlich stabil genug sind, mit hohen Erwartungshaltungen zurechtzukommen.

Der SV DJK Kolbermoor, Meister des Jahres 2018, will nach Möglichkeit den Berliner Triumph verhindern und dem alten Rivalen ein Bein stellen. Die Runde schlossen die Oberbayern nur aufgrund des schlechteren Spielverhältnisses hinter dem punktgleichen Hauptstadtklub auf Platz drei ab, was aber den Vorteil hatte, dass man nicht – wie die Berlinerinnen – seit zehn Wochen ohne Mannschaftswettkampf ist. Vor einem Monat behauptete man sich in der ersten Play-off-Serie nach starker Leistung mit 6:1 und 6:3 recht ungefährdet gegen den TSV Langstadt.

Ein Duell der klangvollen Namen ist es auf jeden Fall mit dem Favoriten Berlin, ohne dass eine Überraschung komplett auszuschließen wäre. Natürlich müssen eine Nina Mittelham und eine Shan Xiaona, die beide eine sehr gute WM gespielt haben, erst einmal geschlagen werden. In Durban hatte Shan die Runde der besten 32 erreicht, während Mittelham sogar ins Achtelfinale vorstieß, wo sie der Weltklasse-Chinesin Wang Manyu nach heftiger Gegenwehr unterlag.

Auch Kolbermoor ist stark besetzt und kann auf Spielerinnen der Extraklasse wie Linda Bergström oder Kristin Lang zurückgreifen. Und die erfahrene Defensivspielerin Svetlana Ganina ist im hinteren Paarkreuz für jede Gegnerin eine echte Herausforderung.

Kristin Lang will mit Kolbermoor den Berlinerinnen das Leben so schwer wie möglich machen (Foto Roscher).

In den Punktspielen kassierten die Berlinerinnen eine 4:6-Heimniederlage gegen Kolbermoor in der Vorrunde, doch da waren weder Shan noch Mittelham dabei, die zu dieser Zeit noch in Japans T-League aufgeschlagen haben. Das Rückspiel Anfang März gewann der Titelverteidiger in Topbesetzung mit 6:3 in Kolbermoor.

Zunächst trifft man sich am Freitagabend in Oberbayern, 650 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Der ttc berlin eastside möchte natürlich in der ROFA-Arena einen Sieg vorlegen, um dann zwei Tage später in der heimischen ASP.5-Sporthalle am Anton-Saefkow-Platz alles klarmachen zu können. Man darf gespannt sein, ob Kristin Lang und Kolleginnen diesen Plan durchkreuzen können.

Kolbermoors Trainer und Abteilungsleiter Michael Fuchs rechnet sich durchaus eine Chance für sein Team aus. “Die Spielerinnen sind gut von der WM wieder zurückgekehrt und werden am Freitag hoffentlich fit sein”, so Fuchs. “Berlin ist am kommenden Wochenende der Favorit, aber wir sehen auch unsere Chancen und wollen den Favoriten “ärgern“. Wir können ohne großen Druck in die Partien gehen, was ein Faktor sein könnte, der nicht zu unterschätzen ist.“ Fuchs sieht zumindest einen kleinen Vorteil darin, zuerst vor heimischer Kulisse aufschlagen zu können: „Für uns ist es eigentlich ganz gut, dass wir dieses Mal zuerst zu Hause spielen, da ich das für uns schon als einen Vorteil sehe, weil wir immer viele Fans vor Ort haben. Und ein gutes erstes Spiel kann auch den nötigen Schwung und den Tick extra Selbstvertrauen für das zweite Spiel bringen.“

“Wir freuen uns, dass es nach über zweimonatiger Pause endlich wieder weitergeht”, erklärt Berlins Präsident Alexander Teichmann. “Die Spiele gegen Kolbermoor sind immer eine besondere Herausforderung. Gerade in den Play-offs. Natürlich ist es unser Ziel, das Finale zu erreichen.” Optimistisch stimmen Teichmann auch die Eindrücke von den Welttitelkämpfen in Durban: “Nina und Nana haben sich bei der WM in sehr guter Form präsentiert. Entscheidend für uns wird sein, wie unsere Spielerinnen die Strapazen der WM verkraftet haben. Bringen unsere Spielerinnen ihre Leistung, sollten wir knapp die Nase vorne haben.“

Ein etwaiges drittes Spiel würde übrigens am kommenden Montag um 15 Uhr stattfinden, dann aber im Sportkomplex Berlin, Paul-Heyse-Straße 25.

Beide Partien kann man in Topqualität im Internet via Livestream verfolgen. Das Hinspiel am Freitag in Kolbermoor kann man über diesen Link anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=Cq2k1N3sOsk

Für das Rückspiel am Sonntag kündigt Alexander Teichmann einen ebenfalls kostenlosen Livestream an: “Wir streamen im Rückspiel beide Tische auf unserem YouTube Kanal.”

Livestream Tisch 1: https://www.youtube.com/watch?v=rf3CGQ2cpII

Livestream Tisch 2: https://www.youtube.com/watch?v=u6W77Bg8LBs

Freitag, 19.00 Uhr: SV Böblingen – TTC 1946 Weinheim

Sonntag, 14.00 Uhr: TTC 1946 Weinheim – SV Böblingen

Neu im Konzert der Ligabesten ist der TTC 46 Weinheim, der eine überragende Punktrunde gespielt und diese als Erster abgeschlossen hat. Nun möchte man den nächsten Schritt gehen und ins Finale einziehen. Gegner SV Böblingen, der sich Anfang Mai in zwei engen, hart umkämpften Partien gegen den TSV Schwabhausen behauptete (5:5, 6:4), ist zwar viel länger in der Bundesliga vertreten als der Newcomer aus Nordbaden, stand aber erst einmal in der Vereinsgeschichte, vor 26 Jahren, in einem Play-off-Halbfinale. Beide Teams betreten somit gewissermaßen Neuland. Legt man die Leistungen der Punktrunde zugrunde, ist Weinheim in der Favoritenrolle, doch die Frage stellt sich, was die Spielerinnen nach so langer Bundesligapause und direkt nach einer nervenaufreibenden WM am Freitag und Sonntag an den Tisch bringen können – und das ist schwer einzuschätzen, besonders bei den direkt fürs Halbfinale qualifizierten Teams, die zuletzt vor zehn Wochen Mannschaftswettkämpfe bestritten haben.

Starke Nummer 2 des TTC 46 Weinheim: Yuan Wan (Foto: Armin Schimkat).

Es ist natürlich schon jetzt die mit Abstand beste Saison des erst vor zwei Jahren ins Oberhaus aufgestiegenen TTC 46 Weinheim in der Vereinsgeschichte und von daher schon ein großer Erfolg. Aber wenn man unter den letzten Vier steht und die Runde als beste Mannschaft beendet hat, will man natürlich noch mehr. Mit Bruna Takahashi, die mit einer 16:4-Bilanz hinter der Berlinerin Shan die zweitbeste Spielerin der Bundesliga-Punktrunde war, und Yuan Wan verfügt man über ein herausragendes vorderes Paarkreuz. Doch da muss sich der Play-off-Gegner auch nicht verstecken, der mit der erfahrenen Qianhong Gotsch und der immer besser werdenden DTTB-Nationalspielerin Annett Kaufmann ebenfalls zwei Top-Asse in den Ring schicken kann. Auf den weiteren Positionen scheint Weinheim einen Tick besser aufgestellt zu sein mit Mateja Jeger, Giorgia Piccolin und Sophia Klee, doch die Unterschiede sind nicht so groß, sodass letztlich die Tagesform ausschlaggebend sein dürfte.

Zunächst duelliert man sich am Freitagabend in der Böblinger BBG-Arena am Silberweg. Das Rückspiel steigt am Sonntag in Weinheim vor höchstwahrscheinlich ausverkauftem Haus. Ein etwaiges drittes Spiel würde bereits am Montag um 19 Uhr ebenfalls in Weinheim stattfinden.

Beide Partien der regulären Saison gewannen die Weinheimerinnen relativ deutlich, nämlich mit 6:3 und 6:2.

Vor 26 Jahren stand die SV Böblingen schon einmal in einem Play-off-Halbfinale. 1997 hieß der Gegner TSG Dülmen. Qianhong Gotsch trug schon damals das Böblinger Dress, für den Finaleinzug langte es trotzdem nicht. Diesmal sind es Gotsch, Annett Kaufmann, Mitsuki Yoshida und Leonie Hartbrich, die mit der Sportvereinigung ins Endspiel wollen.

Annett Kaufmann war letzte Woche bei der WM in Durban am Start und verlor in der zweiten Runde gegen die Japanerin Miu Hirano, die Nummer 19 der Weltrangliste. Im Doppel kam Kaufmann an der Seite von Sabine Winter sogar bis ins Achtelfinale. Leonie Hartbrich startete bei der WM für Ungarn, kam jedoch über die erste Runde nicht hinaus. In aller Ruhe bereiteten sich derweil „Hongi“ Gotsch und Mitsuki Yoshida im Böblinger Tischtenniszentrum auf die Partien gegen Weinheim vor.

SVB-Manager Frank Tartsch sieht sein Team im Kampf um den Finaleinzug nicht chancenlos: „Wenn Weinheim in Bestbesetzung antritt, sind wir sicherlich Außenseiter. Weinheim hat mit Takahashi und Wan ein ausgezeichnetes Spitzenpaarkreuz. Das kann leicht 0:4 gegen uns ausgehen. Aber auch 3:1, wenn Hongi und Annett einen ihrer Sahnetage erwischen. Wäre halt super, wenn wir nicht mit einer Niederlage im Gepäck am Sonntag nach Weinheim fahren müssen.“

Eine „Hongi“ Gotsch in Galaform wird nötig sein, wenn Böblingen gegen Weinheim eine Überraschung gelingen soll (Foto Roscher).

In Weinheim, das das Kunststück fertigbrachte, in der Punktrunde zweimal den ttc berlin eaastside zu schlagen, fiebert man den zwei oder womöglich gar drei Partien entgegen.

“Wir sind alle sehr gespannt, weil für uns alles neu ist”, betont Macher und Manager Christian Säger. “Organisatorisch wird es auch eine Herausforderung. Über 300 Zuschauer werden erwartet.“ Dass es am Sonntag in der Sporthalle des Werner-Heisenberg-Gymnasiums die bisher größte Zuschauerzahl der laufenden Saison überhaupt werden wird, steht schon jetzt außer Frage. 350 Zuschauer können Einlass finden und am Pfingstsonntag lagen laut Christian Säger bereits 319 Ticket-Reservierungen vor. Nach menschlichem Ermessen wird die Halle restlos ausverkauft sein. „Sportlich werden wir alle fünf Spielerinnen an Bord haben und versuchen, wie in der Hauptrunde zu gewinnen, um für das Rückspiel eine gute Ausgangsposition zu haben“, gibt der Manager das Ziel für den Freitag vor. Säger ist durchaus optimistisch: „Unser Trainer hat das Team auf alles gut vorbereitet und daher gehen wir guten Mutes in die Duelle mit Böblingen.“ In Weinheim hofft man darauf, mit zwei Siegen das Finale zu erreichen. Eine dritte Partie möchte man möglichst vermeiden, „da der Montag kein guter Spieltag für Zuschauer ist”, wie Christian Säger erklärt.

Auch Weinheims Topstar Bruna Takahashi zeigt sich optimistisch: “Wir haben in der Liga in Böblingen 6:3 und zu Hause 6:2 gewonnen. Jetzt werden die Karten zwar neu gemischt, aber wir haben gezeigt, dass wir diesen Gegner schlagen können. Die Atmosphäre in unserer Halle ist toll und wir werden mit unserem Spirit die Spiele extrem genießen.”

Beitragsbild oben: Nach ihrer starken WM-Leistung in Südafrika möchte Nina Mittelham nun auch in den Play-off-Halbfinals gegen Kolbermoor Akzente setzen (Foto Roscher).

Diesen Beitrag teilen: