Derby-Wochenende im Damen-Oberhaus

Von Stephan Roscher|Oktober 24, 2024|bundesliga

Kolbermoor empfängt Dachau, Langstadt gastiert in Weinheim

Die 1. Bundesliga Damen erhöht die Frequenz. Nach dem Auftaktspiel am vorletzten Sonntag in Weil stehen am kommenden Wochenende schon zwei Partien auf dem Spielplan, beide äußerst attraktiv. Am Samstag steigt das Bayern-Derby zwischen Kolbermoor und Dachau, tags darauf duellieren sich Vizemeister Weinheim und Langstadt – auch dies eine Art Derby, da man nur 65 Kilometer auseinander liegt.

Samstag, 14 Uhr: SV DJK Kolbermoor – TSV Dachau 65

Der TSV Dachau reist aufgrund des 6:2-Erfolgs in Weil als erster Tabellenführer der 1. Bundesliga Damen zum Bayern-Derby ins 95 Kilometer entfernte Kolbermoor. In Weil hatten nicht nur die bekannten Stammkräfte Sabine Winter und Tin-Tin Ho überzeugt, sondern auch die Neuzugänge. Die Südkoreanerin Byun Seoyoung hatte auf Anhieb zwei klare Siege eingefahren sowie an der Seite von Winter eine ganz starke Leistung im Doppel gezeigt. Und die aus Kolbermoor gekommene, 19-jährige Naomi Pranjkovic hatte nervenstark das enge Match gegen die Litauerin Riliskyte gewonnen. Läuft Dachau erneut in dieser Aufstellung auf, wird auch der SV DJK Kolbermoor alles hineinwerfen müssen, was möglich ist, um Revanche zu nehmen für die beiden unerwartet deutlichen Niederlagen im Play-off-Viertelfinale der letzten Saison.

Doch seitdem hat sich in Kolbermoor personell einiges getan. Man wird von allen Ligarivalen zu den Titelfavoriten gerechnet und kann ein komplett neues Spitzenpaarkreuz ins Rennen schicken. Mit der 18-jährigen Annett Kaufmann, die im deutschen Olympiateam von Paris so viel Glanz ausstrahlte, und der 56-jährigen Defensivstrategin Qianhong Gotsch hat man die beiden Topkräfte der SV Böblingen übernommen, die sich nach dem Tod von Frank Tartsch aus dem Profitischtennis zurückgezogen hat.

Gerade Gotsch verkörpert Bundesliga-Geschichte wie keine andere Spielerin, mittlerweile blickt sie auf über drei Jahrzehnte im Oberhaus und mehr als 600 gewonnene Einzel zurück. Am gestrigen Mittwoch sagte sie der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung im Interview, wie sehr sie sich auf die neue Herausforderung freue, zumal noch ein sehnlicher Wunsch offen sei. In ihrer langen Karriere sei ihr nämlich noch nie ein deutscher Mannschaftsmeister-Titel vergönnt gewesen: „Das ist natürlich noch ein unerfüllter Traum, mit Böblingen und Betzingen habe ich es schon einmal ins Halbfinale geschafft, mit diesem Team in Kolbermoor ist die Chance unterm Strich aber am größten.“

Das vordere Paarkreuz des SV DJK an sich ist schon erlesen, wenn man sich dann aber anschaut, wer dadurch hinten aufschlagen kann, ist das der pure Luxus. Einige Namen verdeutlichen dies: Hana Arapovic, Dina Meshref, Kristin Lang, Swastika Ghosh. Da sollte auch der Weggang von Naomi Pranjkovic sowie der routinierten Abwehrspielerin Svetlana Ganina, die es zum ambitionierten Zweitligisten Uentrop zog, nicht sonderlich ins Gewicht fallen.

SV DJK Kolbermoor 2024/25 (es fehlen Dina Meshref u. Swastika Ghosh), Foto Verein.

„Wir freuen uns sehr auf das Derby“, so Kolbermoors Cheftrainer und Abteilungsleiter Dr. Michael Fuchs. „Wir erwarten ein schweres Spiel gegen Dachau. Die letzten Begegnungen gingen an Dachau, aber seitdem hat sich eben auch viel getan. Der Dachauer Neuzugang Seoyoung Byun aus Korea hat im ersten Spiel mit einem klaren 2:0 einen starken Eindruck hinterlassen, aber auch wir haben uns bekanntermaßen verstärkt. Es wird auf jeden Fall umkämpft werden.“ Auch nach der Partie wird noch etwas geboten: „Wir würden uns natürlich sehr freuen, möglichst viele Zuschauer am Samstag begrüßen zu dürfen. Als besondere Aktion wird es nach dem Spiel noch eine Art „Meet the Team“ geben, bei dem vor allem Kinder, aber auch alle anderen Fans, die Möglichkeit haben, mit unseren Spielerinnen ein paar Bälle zu spielen, Fragen zu stellen, Fotos zu machen oder sich Autogramme zu holen.“ Für den Samstag ist der Trainer optimistisch: „Die Stimmung bei uns im Team ist hervorragend, aktuell sind alle Spielerinnen fit und wir wollen die Saison mit einem Sieg starten.“

Da es der erste Auftritt des neu formierten Kolbermoorer Teams ist, wollten wir von Fuchs wissen, mit welchen Zielvorstellungen man in die Saison geht. „Unser Saisonziel mit der neuen Mannschaft ist, um die Titel mitzuspielen und im besten Fall mal wieder einen Titel nach Kolbermoor zu holen“, sagt der Tischtennislehrer klipp und klar. „In kompletter Aufstellung und wenn alle ihre beste Leistung abliefern können, sind wir im Vergleich zu letztem Jahr meiner Meinung nach schon stärker, aber eine Garantie gibt es hierfür nie – gerade bei jungen Spielerinnen gehören gewisse Schwankungen einfach zur Entwicklung dazu. Als den Top-Favoriten sehen wir uns selber nicht, aber in Bestbesetzung sind wir sicher ein Team, das für jeden Gegner schwer zu spielen ist.“ Ein Selbstläufer sei nicht zu erwarten: „Die Liga ist nah zusammengerückt und wie wir in der letzten Saison gesehen haben, kann jeder jeden schlagen, sodass es meiner Meinung nach deutlich schwerer geworden ist, eine Prognose zu geben. Viel hängt wie immer von der Verfügbarkeit der Spielerinnen und auch von der Tagesform ab.“

Sabine Winter dürfte trotz der starken Gegnerinnen im vorderen Parkreuz nicht chancenlos sein, besonders Gotschs Spiel liegt ihr (Foto: Armin Schimkat).

„Derby Time, klar, das ist immer etwas Besonderes“, sagt Dachaus Trainer Alexander Yahmed im Vorfeld des bayrischen Duells, dessen Team ja in Weil so unproblematisch in die Saison gestartet ist. „Wir freuen uns und versuchen es wieder spannend zu machen. Aber eine ganz konkrete Aussage kann man dazu noch gar nicht treffen. Beide Teams haben ja personelle Veränderungen zu verzeichnen und in dieser Besetzung haben wir noch nie gegeneinander gespielt. Ein richtiges Gefühl für das Spiel würde man erst bekommen, wenn man sich schon öfters in der neuen Besetzung getroffen hätte. Und natürlich hängt sehr viel von den tatsächlichen Aufstellungen am Samstag ab. In diesem Sinne freuen wir uns und sind gespannt.“

Sonntag, 14 Uhr: TTC 1946 Weinheim – TSV Langstadt

Am Sonntag steigen mit dem TTC 46 Weinheim und dem TSV Langstadt nach Dachau, Weil und Kolbermoor die Teams Nummer vier und fünf in die neue Saison ein.

Besonders brisant an dem reizvollen Nachbarschaftsduell, das man auch als Beinahe-Derby bezeichnen könnte – nur 65 Kilometer und eine Landesgrenze trennen Weinheim und Langstadt –, sind die Wechsel zwischen beiden Klubs: Sophia Klee verließ die Nordbadener und schlägt nun für die Südhessen auf, während die Taiwanerin Cheng Hsien-Tzu den anderen Weg nahm und nun im Spitzenpaarkreuz des TTC 46 vertreten ist.

Neu-Langstädterin Sophia Klee (Foto Roscher).

Doch da war ja noch etwas, das erst vier Monate zurückliegt: Im Play-off-Halbfinale der letzten Saison standen sich die beiden Rivalen gegenüber mit dem besseren Ende für Weinheim, das dann Vizemeister wurde: Im Hinspiel hatte Langstadt zu Hause mit 4:6 das Nachsehen gehabt, um zwei Tage später in Weinheim mit demselben Ergebnis zu gewinnen. Golden Match – und da gelang dem Gastgeber alles, dem Gast nichts mehr (4:0).

Personell hat sich manches verändert. Weinheims langjährige Topspielerin Bruna Takahahi schlägt nun in Frankreich auf, dafür ist Cheng Hsien-Tzu jetzt an Bord. Steht sie einmal nicht zur Verfügung, könnte sogar eine Landsfrau von ihr vorne aufschlagen. An Position zwei und somit direkt vor ihr ist nämlich die 22-jährige Linkshänderin Chien Tung-Chuan, aktuelle Nummer 53 der Weltrangliste, gemeldet. Aus Jena dazugestoßen ist die Türkin Ece Harac. Geblieben sind die deutsche Nationalspielerin Yuan Wan, nunmehr die Nummer eins, und die Kroatin Mateja Jeger.

Yuan Wan wird bei Weinheim auf der Spitzenposition spielen (Foto Roscher).

Das Warten hat ein Ende zu einem Zeitpunkt, an dem in manchen anderen Ligen bereits die halbe Vorrunde gespielt ist. „Es geht wieder los“, freut sich Weinheims Manager Christian Säger. „Wir sind im Club sehr gespannt auf die neue Saison. Unser Saisonziel kann nur Play-offs lauten.“ Zunächst einmal gelte es, gegen Langstadt zu bestehen, „danach dann werden wir von Spiel zu Spiel neu schauen. Wir haben mit Bruna Takahashi eine der besten Spielerinnen der Bundesliga verloren und müssen erst mal schauen, wie das neue Team zusammenfindet.“

Nach den Hauptanwärtern auf die Titel in Meisterschaft und Pokal befragt, sagt Säger: „Topfavorit ist dieses Jahr wie immer Berlin, größter Konkurrent wird das stark verstärkte Team aus Kolbermoor sein.“ Alle Vereinsfunktionäre und Trainer betonen es, so auch Säger: „Immer wichtiger wird sein, mit welchem Team jede Mannschaft an den Spieltagen überhaupt antreten kann. Der normale Spielbetrieb in der Liga wird immer schwerer zu organisieren für die Vereine.“ Die Fülle der internationalen Verpflichtungen ist für die ambitionierten Spielerinnen gewaltig. Zunächst jedenfalls könne man in Bestbesetzung antreten: „Für Sonntag werden bei uns alle Spielerinnen zur Verfügung stehen. Unser Coach wird dann versuchen, gegen eine auf dem Papier sehr gut aufgestellte Mannschaft aus Langstadt die ersten Punkte in Weinheim zu behalten.“

Zu den Südhessen sind die Thailänderin Orawan Paranang, beständig unter den Top 50 der Welt notiert, und Sophia Klee gestoßen. „Mit unseren beiden Neuzugängen sehen wir unsere Mannschaft noch etwas besser aufgestellt als in der abgelaufenen Saison“, bekundet der Sportliche Leiter Manfred Kämmerer. “Unser Ziel war es, den Kader nicht nur in der Breite, sondern auch in der Spitze zu verstärken. Ich bin mir sicher, dass uns das gelungen ist.“ Natürlich hängt manches davon ab, wie häufig die neue Asiatin zur Verfügung steht: „Wie oft Orawan Paranang zum Einsatz kommt, ist derzeit noch nicht abzusehen, allerdings sollen es nach Möglichkeit mindestens so viele, eher mehr Einsätze als bei Cheng sein.“ Doch auch wenn sie nicht dabei ist, dürfte man in der Aufstellung Mantz, Schreiner, Lupulesku, Klee durchaus konkurrenzfähig sein. Das 16-jährige Toptalent Lorena Morsch soll auch nicht zu kurz kommen: „Lorena hat in der vergangenen Saison gezeigt, welch großes Potenzial in ihr steckt. Sie soll ebenfalls wieder Einsätze in der Bundesliga bekommen.“

„Wir setzen uns wieder ehrgeizige Ziele“, unterstreicht Kämmerer. „Gerne würden wir wieder ins Meisterschafts-Halbfinale einziehen und vielleicht auch dann einmal einen weiteren Schritt mit dem Finaleinzug machen. Und beim Pokalturnier am 4. und 5. Januar in Sinzheim wollen wir unsere Gruppe als Sieger beenden und ins Halbfinale kommen. Alles weitere wäre dann Bonus.“ Die Liga sei erneut sehr stark besetzt: „Berlin ist wie immer der große Favorit, Kolbermoor hat sich wahnsinnig verstärkt und Weinheim will sicher auch wieder ein Wörtchen mitreden“, so Langstadts „Chef“. „Da muss es für uns schon optimal laufen, um wieder im Konzert dieser großen Teams mitspielen zu können.“

Ohnehin ist der Saisonbeginn für die Südhessinnen happig, nach Weinheim geht es nämlich am 10.11. zu Titelverteidiger Berlin. Und eine Woche später spielt man erstmals vor heimischer Kulisse – dann gibt sich kein Geringerer als Kolbermoor die Ehre.

Es bleibe abzuwarten, welche Spielerinnen am Sonntag überhaupt zur Verfügung stünden. „Wir haben leider die gleiche Situation wie desöfteren im letzten Jahr“, so Kämmerer. „Franzi und Sophia sind diese Woche auf dem WTT-Turnier in Italien. Bei einem guten Abschneiden der beiden werden wir wohl auf Ersatz zurückgreifen müssen. Über die Aufstellung der Mannschaft kann somit überhaupt noch nichts gesagt werden.“

TSV-Trainerin Anna Rauch gibt sich jedenfalls kämpferisch: „Egal wie die Aufstellungen aussehen, wir möchten natürlich etwas Zählbares aus Weinheim mitnehmen. Wir sind nur ganz knapp in der letzten Saison im Golden Match des Halbfinales gegen sie ausgeschieden. Dafür möchten wir uns gerne revanchieren.“

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Beitragsbild oben: Luxus pur: Hana Arapovic kann in Kolbermoor aufgrund der starken Neuzugänge im hinteren Paarkreuz aufschlagen (Archivfoto: Dr. Stephan Roscher).

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