Dem neunten Meistertitel einen Schritt näher: Berlin legt ein 6:1 vor

Von Stephan Roscher|Juni 10, 2023|bundesliga

Dem ttc berlin eastside ist am Freitagabend in heimischer Halle ein erster Schritt in Richtung Titelverteidigung gelungen. Kein kleiner Schritt und zudem ein Schritt mit Symbolkraft – ein 6:1 nach toller Leistung ist schließlich eine deutliche Ansage –, aber auch noch kein riesengroßer Schritt, zumal bei einem schwer erkämpften 6:4 die Lage keine andere wäre. Der TTC 46 Weinheim kann nach wie vor Deutscher Meister werden, muss allerdings das Rückspiel am Sonntag zwingend gewinnen, um das ersehnte dritte Match zu erhalten.

ttc berlin eastside – TTC 1946 Weinheim 6:1

Von jetzt an kann es nur noch Heimspiele für die Nordbadener geben und zu Hause sind sie schon die ganze Saison eine Macht. Allerdings muss die Leistung der Berlinerinnen im Hinspiel gelobt werden. Die spielerische Klasse und Nervenstärke von Shan und Kolleginnen exakt auf den Punkt waren geradezu mitreißend und ganz großes Kino. Man darf gespannt sein, ob sie es am Sonntag in Weinheim (14 Uhr) wiederholen können. Auf jeden Fall war es die beste bisherige Saisonleistung und abgeklärt ohne Ende, was die Berlinerinnen am Freitagabend den circa 170 Fans geboten haben. Das war es auch, was wir im Vorfeld mit der großen Erfahrung des ttc eastside in Finalsituationen gemeint hatten. Vielleicht trifft dies nicht auf die 13-jährige Josi Neumann zu, auf die anderen Spielerinnen aber sehr wohl.

Keiner weiß die Zahl ihrer Endspiele genau, sie selbst am allerwenigsten: Ding Yaping.

Josi Neumann mit weiteren Superlativen

Apropos Josi Neumann – und nun kommen wir zu den einzelnen Stationen des Hinspiels: Was die 13-Jährige im Doppel mit Sabina Surjan zeigte, war erste Sahne und so gewiss nicht zu erwarten gewesen. Der hart erkämpfte 3:2-Erfolg über das nur aus taktischen Motiven an Position zwei gestellte Weinheimer Topdoppel Bruna Takahashi/Mateja Jeger hatte Signalwirkung. Er stellte die Weichen, auch psychologisch, war also gewissermaßen der Türöffner für Berlin und bedeutete den Traumstart in diese Partie, denn am anderen Tisch hatten Shan Xiaona/Nina Mittelham (gegen Yuan Wan/Sophia Klee) ebenfalls in fünf Sätzen die Oberhand behalten – der Berliner Matchplan war aufgegangen, das Weinheimer Konzept hatte dagegen einen argen Dämpfer erhalten.

Freude über das gewonnene Doppel: Josi Neumann (rechts) und Sabina Surjan.

Natürlich wusste man, dass das Spielsystem von Takahashi/Jeger der Berliner Links-Rechts-Kombination Surjan/Neumann im Grunde liegt, die im Bundesliga-Rückspiel am 27. Januar prima mitgehalten und erst im Entscheidungssatz mit 8:11 den Kürzeren gezogen hatte. Doch das war eine Sache, aber in einem Endspiel um die Deutsche Meisterschaft dann tatsächlich gegen zwei international so erfahrene Spielerinnen zu gewinnen, eine ganz andere. Als Takahashi/Jeger nach 2:5-Rückstand im letzten Durchgang auf 7:5 davongezogen waren, dachte so gut wieder jeder in der Halle, dass die Weinheimerinnen nun auf der Siegerstraße wären, doch Surjan/Neumann, die die ersten beiden Sätze gewonnen hatten, blieben fokussiert und konzentriert. Über 8:7 und 10:8 gelang den Berlinerinnen schießlich mit dem dritten Matchball der Siegpunkt.

Bruna Takahashi konnte lediglich den Ehrenpunkt für Weinheim verbuchen.

Bei der an Superlative gewöhnten Josi Neumann gibt es seit dem Abend des 9. Juni zwei neue Superlative: Jüngste Spielerin aller Zeiten in einem Endspiel um die Deutsche Meisterschaft und jüngste Spielerin aller Zeiten, die in einem solchen Endspiel ein Match gewinnt.

Wir haben nun einmal schon zu Rundenbeginn mit den Superlativen in Bezug auf das Berliner Toptalent, der jüngsten Bundesligaspielerin aller Zeiten, begonnen und führen es nun auch konsequent zu Ende. Es war übrigens der sage und schreibe 13. Pflichtspieleinsatz des 13-jährigen Tischtennis-Teenagers in dieser Spielzeit, zwölf davon in der Bundesliga. Auch dies ein sensationeller Wert, hatte man vor der Saison allgemein doch angenommen, das aus der 3. Liga gekommene Tischtennis-Küken des ttc eastside würde nur zu ganz wenigen Einsätzen kommen – und nun wird das “Nesthäkchen” bereits im ersten Jahr ganz oben auch noch zum “Besthäkchen”.

Doch zu Josi Neumann ist nun genug gesagt und geschrieben, wir lenken den Blick auf das weitere Geschehen in den denkwürdigen 150 Minuten von Berlin.

Yuan Wan ging komplett leer aus, sie muss im Rückspiel zulegen, soll ihr Team weiter im Rennen bleiben.

Nana” mit überragender Leistung: Shan Xiaona bezwingt Wan und Takahashi

2:0 lag der Titelverteidiger nach den Doppeln in Front und nun stieg Shan Xiaona in den Ring, die sich sowohl bei der WM in Durban als auch in den Halbfinals gegen Kolbermoor in Galaform präsentiert hatte.

Daran knüpfte die 40-jährige Penholderspielerin auch gegen Weinheim an und hatte ihre Nationalmannschaftskollegin Yuan Wan beim 3:0 (11:8, 11:5, 14:12) über weite Strecken gut im Griff. Dass Bruna Takahashis zeitgleiches 3:1 über Nina Mittelham am anderen Tisch lediglich der Weinheimer Ehrenpunkt sein würde, wusste zu diesem Zeitpunkt noch keiner.

Nach der Pause machte der Gastgeber genau da weiter, wo er eine Viertelstunde zuvor aufgehört hatte. Durch zwei Siege im hinteren Paarkreuz zog man auf 5:1 davon. Die erfahrene Ding Yaping gönnte der 20-jährigen Sophia Klee keinen Satzgewinn und die schon im Doppel so nervenstarke Sabina Surjan behielt gegen Mateja Jeger auch im Einzel kühlen Kopf. Surjan sicherte sich den heftig umkämpften Entscheidungssatz mit 11:9, nachdem ihre Gegnerin, die sich lange gegen die drohende Niederlage gestemmt hatte, noch drei Matchbälle abwehren konnte.

Auch Sabina Surjan präsentierte sich in Topform.

Die Frage stellte sich nun, ob es wenigstens Bruna Takahashi gelingen würde, die Entscheidung hinauszuschieben und sich im Spitzeneinzel gegen Shan Xiaona zu behaupten, wie es ihr am 27. Januar beim Punktspiel in Weinheim geglückt war. Doch auch das schlug fehl an diesem aus Sicht der Gäste gebrauchten Freitagabend. Shan, mit 40 in der Form ihres Lebens, siegte ohne Satzverlust (11:5, 11:9, 12:10) und die Messe war gelesen.

Weinheim will im Rückspiel nochmal richtig Gas geben

Nun bleibt den Weinheimerinnen, die fraglos mehr können als diesmal gezeigt, nur die Option, das Hinspiel möglichst rasch mental abzuschütteln, um dann am Sonntag und gegebenenfalls auch noch am Montag vor den eigenen Fans ein anderes Gesicht zu zeigen, eventuell dann mit dem zum Erfolg immer nötigen Quäntchen Glück, das ihnen in Berlin gefehlt hat. Doch es wird schwer werden, sehr, sehr schwer. Doch hohe, aber nicht unüberwindliche Hürden machen unseren Sport bekanntlich besonders reizvoll.

Sophia Klee will im Rückspiel punkten, was ihr diesmal nicht glückte.

In Berlin hält man sich nicht mit tiefschürfenden Interpretationen auf und will nun am Sonntag den Sack zumachen, ohne Wenn und Aber. “Klasse Mannschaftsleistung“, freute sich Jessica Göbel. „Trotz vieler enger Spiele haben unsere Mädels stets die bessere Antwort parat gehabt. Jetzt versuchen wir am Sonntag in Weinheim mit einer ähnlichen Leistung den Gewinn der Meisterschaft in trockene Tücher zu packen.“ Berlins Präsident Alexander Teichmann ergänzte: „Ein erster Schritt ist gemacht, es liegt aber noch reichlich Arbeit vor uns.“

Der Gegner denkt nicht daran, die Flinte vorzeitig ins Korn zu werfen. „Das Ergebnis ist erstens zu hoch ausgefallen und zweitens werden wir am Sonntag vor vollem Haus sicherlich alles geben, um zu gewinnen“, so Weinheims Macher und Manager Christian Säger. „Dass es möglich ist, haben wir schon bewiesen. Glückwunsch an Berlin, die heute das Quäntchen mehr Glück hatten, aber auch verdient gewonnen haben.“

Glänzend aufgelegt: Shan Xiaona.

Endspiele um die Deutsche Meisterschaft 2022/23

09.06.2023, 18:30 Uhr: ttc berlin eastside – TTC 1946 Weinheim 6:1
11.06.2023, 14:00 Uhr: TTC 1946 Weinheim – ttc berlin eastside
mögliches 3. Spiel: 12.06.2023, 19:00 Uhr: TTC 1946 Weinheim – ttc berlin eastside

Homepage ttc berlin eastside

Homepage TTC 46 Weinheim

Beitragsfoto ganz oben und ganz unten: Eine überragende Shan Xiaona steuerte drei Siege zum Berliner Erfolg bei.

Fotos (8): Maria Wohllaib.

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