Böblingen und Bingen mit Heimsiegen

Von Stephan Roscher|Oktober 16, 2022|bundesliga

SV Böblingen – SV DJK Kolbermoor 6:2

Unerwartet deutlich mit 6:2 hat die SV Böblingen bei ihrer Heimpremiere den SV DJK Kolbermoor geschlagen und damit angedeutet, dass man in dieser Saison eine gute Rolle spielen könnte. Allerdings fehlte den Oberbayern, die in einigen Matches etwas Pech hatten, mit Defensivstrategin Linda Bergström die Nummer eins, während der Gastgeber in Topbesetzung auflief.

Eine Gesamtspieldauer von fast drei Stunden und ein Satzverhältnis von 20:13 für Böblingen zeigen, dass es zumindest phasenweise doch enger zuging, als es das nackte Ergebnis vermuten lässt.

Von den Doppeln an lief es ungünstig für das Gästeteam. Beide gingen an die SVB, wobei die Erfolge von Annett Kaufmann/Leonie Hartbrich über Kristin Lang/Solomiya Brateyko (3:2) und von Qianhong Gotsch/Lin Chia-Hsuan über Svetlana Ganina/Naomi Pranjkovic (3:1) in heftig umkämpften Matches zustande kamen.

Lediglich Svetlana Ganina (3:1 gegen Leonie Hartbrich) und Kristin Lang (3:1 gegen ihre „Lieblingsgegnerin“ Qianhong Gotsch) konnten für Kolbermoor punkten, während sich auf Böblinger Seite in den Einzeln die prächtig aufgelegte Annett Kaufmann (jeweils 3:1 gegen Lang und Brateyko), Gotsch (3:2 gegen Brateyko) und Lin (3:0 gegen Pranjkovic) in die Siegerliste eintrugen.

„Mit Ausnahme von Berlin und Kolbermoor haben wir gegen alle Teams eine Chance“, war jahrelang die Maxime von SVB-Manager Frank Tartsch zu den Aussichten seiner Frauen in der Tischtennis-Bundesliga. Jetzt gewann die SV Böblingen ihr Heimspiel gegen den SV DJK Kolbermoor mit 6:2. Das neue Böblinger Team ist eben sehr stark und auf allen Positionen gut besetzt, sodass sich vermutlich noch mancher im Lauf der Saison die Zähne an der SVB ausbeißen dürfte.

„Kaufmann/Hartbrich und Lang/Brateyko boten sich im Doppel ein Hochgeschwindigkeits-Duell. Die Zuschauer kamen aus dem Staunen nicht heraus, konnten den Rallyes mit den Augen kaum folgen“, lesen wir im Newsletter des Böblinger Pressewartes Manfred Schneider über den Beginn der Partie. „Am Ende gewannen die Böblingerinnen mit 11:9 im fünften Satz. Da sich auch Gotsch/Lin durchsetzten, stand es überraschend 2:0 für die SV Böblingen, darauf ließ sich aufbauen.“ Schneider beschreibt auch das Match zwischen Gotsch und Brateyko recht einfühlsam: „Im Einzel traf dann Qianhong Gotsch auf Solomiya Brateyko, eine starke und sichere Topspin-Spielerin aus der Ukraine. „Hongi“ musste alles geben und sich völlig verausgaben, um in einem episch langen Duell im fünften Satz mit 11:8 gegen die 23-Jährige Kolbermoorerin zu triumphieren.“ Zu Kaufmanns zweitem Sieg ihrer Karriere gegen Lang, lesen wir dort: „Sie legte mit irrem Tempo los gegen die deutsche Ex-Meisterin Kristin Lang. Im dritten Satz war die Böblingerin allerdings zu wild. Im vierten brachte sie ihr Spiel wieder ins Lot und gewann 11:6.“ Tags zuvor war das hochgewachsene 16-jährige Megatalent, das gegen Kolbermoor absolut überzeugend agierte, noch in Düsseldorf für ihren zweiten Platz bei der Wahl zu Deutschlands Juniorsportlerin des Jahres geehrt worden. Mutter und Fahrerin Anna Kaufmann gab zu Protokoll: „Wir waren am Sonntag erst um 4 Uhr zu Hause in Bietigheim. Um 7.30 Uhr war Wecken, dann ging es schon wieder los nach Böblingen.“

„Das 4:0 zu Beginn war schon etwas glücklich“, räumte SVB-Coach Ingo Gotsch ein. „Es waren vier enge Spiele, es hätte auch 2:2 stehen können. Aber wir sind froh darüber, schließlich haben wir schon oft genug gegen Kolbermoor Pech gehabt. Anschließend lief es dann eher programmgemäß.“

War besonders gegen Gotsch nicht weit von einem Sieg entfernt: Solomiya Brateyko (Foto: Erik Thomas).

„Es wurde das erwartet schwere Spiel für uns und es ist auch ein bisschen unglücklich gelaufen“, sagt Michael Fuchs, Trainer und Abteilungsleiter in Kolbermoor. „Doch wenn wir ohne Bergström spielen und Böblingen komplett antritt, ist das ein Spiel, wo wir eher Außenseiter sind.“ Fuchs lässt die Partie Revue passieren: „Im Doppel jedenfalls können wir auf jeden Fall auch mit 1:1 rausgehen, da hatten sich Solomiya und Kristin gut zurückgekämpft und im 5. Satz 9:8 geführt. Svetlana und Naomi haben überraschend gut gespielt und hatten auch ihre Chancen gegen Gotsch und Lin. Im Einzel muss ich sagen, dass Annett gut gespielt und verdient gewonnen hat, auch wenn Kristin am Anfang nicht ihr bestes Tischtennis gezeigt hat. Ein, zwei kleine Fehler zu viel pro Satz und dann geht das weg, da ist Annett inzwischen auch einfach zu gut, sie nutzt solche Chancen. Solomiya hat eigentlich sehr, sehr gut gespielt, da hat es mir sehr leid getan, dass sie ihren Matchball gegen Gotsch im 4. Satz nicht nutzen konnte. Das hätte sie verdient gehabt und dann steht es nach vier Spielen eben nicht 0:4, sondern 2:2.“ Fuchs fährt fort: „Kristin dann sehr gut gegen Gotsch, das kann sie einfach, wie sie auch die letzten Jahre immer wieder bewiesen hat. Insgesamt sind wir aber schon ein bisschen enttäuscht.“

TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – TSV Langstadt 6:4

Kein guter Saisonauftakt für Vizemeister TSV Langstadt. Die Südhessinnen unterlagen bei der TTG Bingen/Münster-Sarmsheim mit 4:6, obwohl sie zur Pause bei einer 3:1-Führung noch auf gutem Kurs zu sein schienen. Doch die Gastgeber kamen mit frischem Elan aus der Kabine und drehten die bis zum Ende spannende Partie. Die TTG präsentierte sich ihren Fans als gut harmonierende, kampfstarke Truppe, die nie aufsteckt – überragend Neuzugang Elena Kuzmina, die vorne ebenso ihre beiden Einzel gewann wie Katerina Tomanovska im hinteren Paarkreuz.

Bingens Beste gegen Langstadt, hier im gemeinsamen Doppel aufgenommen: Katerina Tomanovska (links) und Elena Kuzmina (Foto: Petra Steyer).

Im Langstädter Lager war man am Ende etwas ratlos, wie man die Partie aus der Hand geben konnte. Doch 1:5 in den Einzeln nach der Pause war eben zu wenig, um zu punkten. Man hat auch gesehen, wie schwierig es in dieser ausgeglichenen Liga ist, ohne die Spitzenspielerin erfolgreich zu sein – Petrissa Solja stand wegen ihrer Rückenverletzung nicht zur Verfügung und Minnie Soo ist noch nicht in Deutschland.

Langstadt gewann beide Doppel, und das jeweils denkbar knapp im fünften Satz: Mantz/Lemmer besiegten Rakovac/Mynarova und Schreiner/Krämer ihre Gegnerinnen Kuzmina/Tomanovska. Nach dem ersten Durchgang oben stand es 3:1 für das Gästeteam: Elena Kuzmina hatte Franziska Schreiner geschlagen (3:2), während die frühere Bingenerin Chantal Mantz (3:1 gegen Lea Rakovac) für Langstadt punkten konnte.

Nach der Pause startete die TTG durch: Katerina Tomanovska hatte keine Mühe mit TSV-Ersatzspielerin Alena Lemmer (3:0), Karolina Mynarova besiegte überraschend Tanja Krämer (3:1). Kuzmina brachte ihr Team durch ein hart erkämpftes 3:1 über Mantz erstmals in Führung. Zwar konnte „Franzi“ Schreiner nach 0:2-Satzrückstand in einem echten Krimi gegen Rakovac ausgleichen – mit 16:14 und 14:12 gewann die 20-jährige deutsche Nationalspielerin die Durchgänge vier und fünf –, doch im unteren Paarkreuz dominierte wiederum Bingen und machte den Sack zu. Tomanovska ließ Krämer keine Chance, während es Lemmer gegen Mynarova fast noch in den Entscheidungssatz geschafft hätte – beim 13:15 im vierten Durchgang konnte die Langstädterin, die mit 1:2 Sätzen hinten lag, zwei Satzbälle nicht verwerten, sodass schließlich Mynarova und mit ihr das komplette TTG-Team vor knapp 100 begeisterten Fans jubeln durfte.

Überaus zufrieden zeigte sich Bingens Vorsitzender Joachim Lautebach. „Nach den beiden sehr knapp verlorenen Doppeln schien alles auf einen Sieg von Langstadt hinauszulaufen“, so Lautebach. „Nach der Pause und dem 1:3-Rückstand hat sich die Mannschaft aber hervorragend präsentiert, stark gekämpft und super gespielt und dann auch verdient hinten die Punkte gemacht, wobei schon erstaunlich war, dass beide gegen Tanja Krämer gewonnen haben.“ Lautebach fuhr fort: „Auch Kuzmina, vorne mit zwei Punkten, hat taktisch sehr klug gespielt und schönen Sport geliefert, Lea hatte vielleicht nicht den besten Tag erwischt, hat aber nie aufgegeben, gut gekämpft und gerade auch gegen Schreiner alles versucht, gegen die sie insgesamt fünf Matchbälle vergeben hat. Auch bei Karolina wurde es zum Schluss nochmal eng bei drei Matchbällen gegen Lemmer, wobei sie dann gottseidank den letzten genutzt hat.“ Erfreut registrierte Lautebach zudem: „Für die Zuschauer war es ein sehr, sehr interessantes Spiel und die Stimmung war entsprechend gut, zumal wir endlich mal wieder an die 100 Leute in der Halle hatten. Hoffentlich geht es so positiv weiter für uns.“

Franziska Schreiner, auch im Doppel erfolgreich, konnte wenigstens noch ein Einzel in Bingen gewinnen (Foto: Petra Steyer).

Ernüchtert zeigte man sich dagegen im Langstädter Lager. „Sehr schade, dass wir verloren haben“, sagte Franziska Schreiner nach der Partie. „Wir wussten von vorneherein, dass es ein enges Spiel wird, weil „Peti“ noch verletzt ist, dennoch dachten wir, dass wir, wenn wir gut performen, einen Sieg oder mindestens einen Punkt nach Hause bringen würden. Es fing ja auch sehr gut an, aber in den Einzeln haben wir dann nicht so gespielt, wie wir es uns vorgestellt hatten.“ Trainer Thomas Hauke redete Klartext: „Das war heute für uns eine sehr ärgerliche Niederlage. Wir haben dreieinhalb Stunden viel investiert und standen am Ende doch mit leeren Händen da.“ Hauke ergänzte: „Knackpunkt war der Spielverlauf nach der Pause, da fanden wir keinen richtigen Zugriff mehr und fast alle knappen Situationen gingen an den Gegner. Kein Vorwurf aber an die Mannschaft, sie hat alles gegeben. Wir wissen jetzt, wo wir stehen. Es wird eine anstrengende und fordernde Saison.“ „Wir sind sehr enttäuscht“, räumte der Sportliche Leiter Manfred Kämmerer ein. „Nach dem guten Start mit 3:0 ist bei uns völlig der Faden gerissen. Warum, kann ich gar nicht sagen. Es hat sich gezeigt, dass man es in dieser Saison sehr schwer hat, wenn man nicht in Bestbesetzung antreten kann.“

Beitragsbild ganz oben: Gegen Kolbermoor in Topform: Annett Kaufmann (Foto: Joaquim Fereira).

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