Böblingen gewinnt umkämpfte Partie in Bingen, Langstadt mit erstem Saisonsieg und gelungenem Minnie-Soo-Debüt

Von Stephan Roscher|November 6, 2022|bundesliga

Wie erwartet, bekamen die Fans des Damen-Tischtennis am Sonntag zwei packende, hochklassige Bundesligaspiele zu sehen. Besonders umkämpft war die Partie in Bingen, bei der die SV Böblingen am Ende mit 6:4 die Nase vorn hatte. Der TSV Langstadt schlug den ESV Weil mit 6:3, das erste Erfolgserlebnis der Hessinnen in der noch jungen Saison. Minnie Soo feierte eine erfolgreiche Bundesliga-Premiere. Die 24-jährige Hongkong-Chinesin war auf Anhieb an drei Punkten beteiligt. Sie gewann ihre beiden Einzel deutlich und geriet auch im Doppel mit Chantal Mantz nicht in Gefahr.

TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – SV Böblingen 4:6

Bei den Rheinhessen kam überraschend die Inderin Diya Chitale zu ihrem ersten Bundesliga-Einsatz in dieser Saison. Ein guter Griff, denn die 19-Jährige gewann ihr Doppel an der Seite von Lea Rakovac sowie beide Einzel und besiegte nicht nur Leonie Hartbrich (3:0), sondern sogar Böblingens Taiwan-Ass Lin Chia-Hsuan (3:2 nach 0:2-Satzrückstand). Lin hatte ihrerseits das erste Einzel gegen Katerina Tomanovska nach einem 5:8-Rückstand im Entscheidungsdurchgang durch sechs Punkte in Folge noch gewonnen.

Es gab viele enge Matches, was 20:21 Sätze und 391:389 Bälle in der Endabrechnung dokumentieren und ein Remis wäre sicher auch kein ungerechtes Ergebnis gewesen. Im Tischtennis zählt aber auch die Nervenstärke und man kann es nicht nur auf den Faktor Glück schieben, wenn die Böblingerinnen vier der fünf Fünfsatz-Krimis nach Hause brachten.

Außer Diya Chitale konnte bei Bingen in den Einzeln eben nur noch die erneut starke Lea Rakovac für die TTG punkten, die es tatsächlich schaffte, einer Annett Kaufmann in vier Sätzen das Nachsehen zu geben. Im ersten Durchgang hatte die Kroatin Böblingens Spitzenspielerin Qianhong Gotsch lange schwer zu schaffen gemacht und erst im Entscheidungssatz knapp verloren.

Qianhong Gotsch machte in dem Thriller von Bingen letztlich den kleinen aber feinen Unterschied (Foto: Petra Steyer).

Gotsch war auf Böblinger Seite eifrigste Punktesammlerin, gewann sie doch auch ihr zweites Einzel – 3:0 gegen Elena Kuzmina bei allerdings engen Sätzen – sowie ihr Doppel mit Lin, das nach einem 0:2 in den Sätzen gegen Kuzmina/Tomanovska noch gedreht werden konnte. Neben Böblingens Defensiv-Ikone und Lin in ihrem ersten Einzel trugen sich noch Annett Kaufmann (3:0 gegen Kuzmina) und Leonie Hartbrich (3:2 gegen Tomanovska) auf Seiten der Gäste in die Siegerliste ein.

Insgesamt ein tolles Spiel zweier starker Teams, die sich vom ersten bis zum letzten Ball nichts schenkten, und eine Werbung für die 1. Bundesliga Damen. Die Böblingerinnen haben sich durch den heutigen Erfolg zumindest vorübergehend auf die Spitzenposition geschoben, auch wenn 5:3 Punkte eher für eine gute Mittelfeldmannschaft sprechen. Da berlin eastside aber auch am kommenden Wochenende spielfrei ist, könnten die Schwäbinnen dann mit einem Sieg in Weil ihre Tabellenführung untermauern.

„Das war eine sehr gute Mannschaftsleistung. Besonderes Lob an Hongi und auch an Leonie, dass sie am Schluss die Nerven behalten hat. Dass die SV Böblingen als Favorit in so eine Partie geht und diese Rolle auch bestätigen kann, ist eine ganz neue Erfahrung für uns“, meinte eine rundum zufriedene SVB-Trainerin Evelyn Simon nach den hoch spannenden dreieinhalb Stunden in der Sporthalle am Binger Mäuseturm.

Bingen fiel einstweilen mit 2:6 Zählern, punktgleich mit den Weilerinnen, auf den letzten Platz zurück, aber das hat in dieser frühen Saisonphase noch nicht viel zu sagen.

„Das war natürlich ein hochklassiges und dramatisches Spiel bis zum letzten Ballwechsel“, sagte der TTG-Vorsitzende Joachim Lautebach eine halbe Stunde nach der Partie. „Die Mannschaft hat sehr gut gespielt und gut mitgehalten. Leider haben wir wieder in den entscheidenden Phasen die Punkte nicht gemacht, es waren insgesamt vier Fünfsatz-Spiele, die an Böblingen gingen. Das zieht sich im Moment schon ein bisschen so durch, in Weil war es ja ähnlich gelaufen.“ Lautebach fuhr fort: „Die Mannschaft zeigt wirklich ein gutes Gesicht und ist jederzeit in der Lage mitzuhalten, sie hätte langsam auch mal wieder einen Sieg verdient. Wir sind über das Ergebnis jetzt ein bisschen enttäuscht, aber auch zufrieden mit den Leistungen. Unser Cheftrainer Peter Engel ist davon überzeugt, dass solche Spiele demnächst auch wieder zu unseren Gunsten ausgehen werden. Wir werden auf diesem Weg weitermachen.“ Sehr positiv reagierten die Fans und Sponsoren auf die gezeigten Darbietungen: „Es waren sehr, sehr gute Spiele, die auch die Zuschauer begeistert haben. Unser Hauptsponsor Lotto war mit seinem Geschäftsführer vertreten, der sehr angetan war von den Leistungen beider Teams. Auch der Präsident des Landessportbundes Rheinland-Pfalz war anwesend, der ebenfalls begeistert war.“

TSV Langstadt – ESV Weil 6:3

Etwas über 130 Zuschauer in der Langstädter Eckehard-Colmar-Halle wurden Zeugen eine hochklassigen Bundesligaspiels, an dessen Ende ein verdienter Sieg der Südhessinnen stand, die in den beiden vorhergehenden Partien, allerdings in schwächerer Aufstellung, vergeblich auf ein Erfolgserlebnis gewartet hatten.

Zwar stand Petrissa Solja verletzungsbedingt noch nicht wieder zur Verfügung, doch die auf der Spitzenposition aufgebotene Hongkongchinesin Minnie Soo war mehr als bloß Solja-Ersatz. Direkt vom WTT-Turnier in Slowenien nach Langstadt gereist, erwies sich die 24-Jährige auf Anhieb als Volltreffer. Minnie war an drei Punkten beteiligt, ihr gelang also die volle Ausbeute. Besser kann man ein Bundesliga-Debüt nicht gestalten. Sie gewann ihre beiden Einzel deutlich – ihre Gegnerinnen Polina Dobreva und Izabela Lupulesku kamen in keinem Satz auf mehr als sieben Punkte, blieben also vollkommen chancenlos. Auch im gemeinsamen Doppel mit Chantal Mantz geriet Langstadts Asiatin nicht in Gefahr. Zwar ging der erste Satz gegen Weils eingespieltes Duo Dobreva/Sozoniuk noch verloren, doch dann hatten sich die beiden gefunden und alles gut im Griff.

Hatte allen Grund zu strahlen: Langstadts Neuzugang Minnie Soo (Foto: Lars Monzheimer).

Natürlich bestand die gesamte Partie nicht bloß aus Minnie Soo. Während Tanja Krämer gegen die Ukrainerin Ievgeniia Sozoniuk einen Punkt beisteuern konnte, ging Chantal Mantz, die beim hochkarätig besetzten Turnier in Slowenien noch tolle Leistungen gezeigt hatte, in den Einzeln leer aus.

Neben Minnie Soo wusste Franziska Schreiner, die aufgrund der starken TSV-Aufstellung erstmals in der Saison hinten aufschlagen konnte, besonders zu gefallen. Auch sie verbuchte zwei Siege in den Einzeln. Gegen Vivien Scholz hatte das 20-jährige DTTB-Talent beim 3:0 nur im dritten Durchgang (12:10) größere Mühe, während sie im letzten Match des Tages gegen Kurznoppenspielerin Sozoniuk doch mächtig kämpfen musste. Doch „Franzi“ ist inzwischen stabil genug, auch in schwierigen Matches bis zum letzten Ball die Übersicht zu behalten und nicht zu verkrampfen. Zweimal legte sie nach Sätzen vor, zweimal konnte Sozoniuk egalisieren, die im Entscheidungsdurchgang mit 7:4 und 9:7 führte und kurz darauf bei 11:10 einen Matchball vergab. Schreiner gewann den Satz noch mit 14:12 und somit ihr Match, was gleichbedeutend mit dem von 130 Fans bejubelten ersten Langstädter Saisonsieg war.

Der ESV Weil enttäuschte keineswegs und hielt die Entscheidung sehr lange offen. Hätte Ievgeniia Sozoniuk den Krimi gegen Franziska Schreiner gewonnen, hätte das letzte Match zwischen Tanja Krämer und Vivien Scholz – nach Sätzen stand es dort 1:1 – den Südbadenerinnen noch ein Remis bescheren können. Scholz punktete im Doppel gemeinsam mit Izabela Lupulesku, eine Kombination, die sehr gut passt, gegen Schreiner/Krämer, letzte Saison noch Langstadts bestes Doppel. In den Einzeln gelangen „Izi“ Lupulesku und Polina Dobreva jeweils Siege gegen Chantal Mantz, wobei Lupuleskus 3:0-Erfolg nie wirklich in Frage stand, während Dobrevas 3:2-Sieg am seidenen Faden hing.

„Das war heute ein toller Einstieg für mich in Langstadt“, sagte eine übers ganze Gesicht strahlende Minnie Soo unmittelbar nach der kurzweiligen Partie. „Die Fans haben super Stimmung gemacht und uns toll unterstützt. Ich bin mit meiner Leistung sehr zufrieden.“ Sehr zufrieden mit Minnies Bundesliga-Premiere war natürlich auch Langstadts Sportlicher Leiter Manfred Kämmerer: „Sensationell der Einstieg unseres Neuzugangs Minnie Soo. Sie hat auf Anhieb gezeigt, dass sie eine enorme Verstärkung für uns ist.“ Auch Franziska Schreiner lobte ihre neue Kollegin und sagte über das Spiel: „Wir sind froh, dass wir heute endlich die ersten Punkte für den TSV geholt haben. Weil hat heute sehr gut gespielt, doch unser Neuzugang Minnie hat sehr souverän ihre Spiele gewonnen, das hat uns zusätzlich motiviert. Ich denke, zum Schluss war es auch ein verdienter Erfolg.“

“Endlich die ersten Punkte! Die waren hart erarbeitet und zum Schluss auf Messers Schneide“, fiel Langstadts Coach Thomas Hauke ein Stein vom Herzen. „Weil hat uns alles abverlangt. Neben Minnie, nach nur drei Tagen in Deutschland, war auch Franzi in Topform. Das größte Dankeschön geht aber an unsere Zuschauer, die haben alles gegeben und uns immer wieder Feuer gemacht.“

„Die Niederlage gegen eine stark aufgestellte Mannschaft von Langstadt geht zwar in Ordnung, trotzdem haben wir die Chance auf ein Unentschieden verpasst“, kommentierte Weils Abteilungsleiterin Doris Spiess die Partie. „Wir haben zwar alles versucht, aber am Ende hat es nicht ganz gereicht. Die gute Leistung des Teams wurde nicht belohnt. Aber Kompliment an Langstadt, die sich vor heimischer Kulisse den ersten Sieg holten.“

Auch von Vivien Scholz liegt uns ein Kommentar vor. Zu Langstadts Debütantin stellte die Nummer vier des ESV fest: „Minnie Soo war auf ihre eigene Art und Weise recht überzeugend. Bei eigenem Aufschlag machte sie 50 Prozent ihrer Punkte direkt mit dem Service und 50 Prozent mit dem Nachschuss. Lange Ballwechsel, Fehlanzeige.“ Natürlich ist dies absolut legitim, nicht jede Spielweise ist auf lange Ballwechsel ausgelegt, zudem ist es sehr ökonomisch, wenn man für sich ein System entwickelt, bei dem man häufig zu schnellen Punkten kommt – auch das muss man erst einmal beherrschen. Zum Spiel und zu ihren eigenen Leistungen meinte Scholz: „Eigentlich alles wie zuletzt. Im Doppel waren wir stark dabei, im Einzel brauchte ich meine Zeit, um in Gang zu kommen. Leider schaffte ich es nicht mehr rechtzeitig auf Betriebstemperatur. Im zweiten Einzel hingegen düste ich los, doch dann war es leider auch schon mit dem Punktspiel vorbei. Ein 3:6 am Ende, ich denke hier wäre auch mal ein 5:5 fair gewesen.“

Beitragsbild ganz oben: Überzeugte bei Bingen auf ganzer Linie: Diya Chitale, die erstmals in dieser Saison zum Einsatz kam (Foto: Petra Steyer).

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