Jetzt wird es richtig ernst: Halbfinalauftakt in Südhessen

Von Stephan Roscher|April 7, 2021|bundesliga

Freitag, 19.00 Uhr: TSV Langstadt – SV DJK Kolbermoor

Halbfinale: Jetzt steigen auch die beiden großen Meisterschaftsfavoriten ttc berlin eastside und SV DJK Kolbermoor ein. Den Anfang macht Kolbermoor am Freitagabend und der Deutsche Ex-Meister und Ex-Pokalsieger hat mit dem TSV Langstadt keine ganz einfache Aufgabe vor der Brust. Tags darauf geht auch der Titelverteidiger zum ersten Mal in den Play-offs an die Tische, wenn der ESV Weil seine Aufwartung in der Hauptstadt macht. Doch wir befassen uns zunächst nur mit der Partie in Langstadt. Die Südhessen sind – ohne anderen Klubs zu nahe zu treten – im Windschatten der „Big Two“ inzwischen zur Nummer drei in Deutschland avanciert. Und eine Nummer drei kann einer Nummer zwei fast immer gefährlich werden, wenn alles passt. Um das Risiko zu minimieren, werden die Oberbayern allerdings mit „voller Kapelle“ anreisen und auch Topspielerin Fu Yu mitbringen.

Hohe Hürde für die Hessinnen

Die Viertelfinalpartien gegen Böblingen (7:1 und 8:0) waren für die Langstädter Bundesligafrauen fast ein Osterspaziergang unter erschwerten Bedingungen, doch nun ist Schluss mit lustig. Ab Freitag türmt sich eine richtig hohe Hürde auf. Will man tatsächlich zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte das Finale um die Deutsche Meisterschaft erreichen, muss man mit Kolbermoor einen der beiden Giganten des deutschen Mannschaftstischtennis aus dem Weg räumen.

Tanja Krämer will gegen Kolbermoor ihre ganze Routine in die Waagschale werfen.

Das Team aus Oberbayern in Topbesetzung wird von vielen qualitativ nur minimal hinter berlin eastside eingestuft, also beinahe auf dem Niveau des Champions-League-Siegers. Eigentlich liegt die Truppe aus dem Süden den TSV-Assen nicht sonderlich gut, die noch nie in drei Jahren Bundesliga eine Partie gegen Kristin Lang und Kolleginnen gewinnen konnten. Dennoch wäre es in der normalen Kolbermoorer Punktspielbesetzung vermutlich eine 50:50-Angelegenheit. Doch mit Fu Yu ergibt sich eine völlig neue Konstellation: In der zu erwartenden Aufstellung Fu, Kristin Lang, Yuan Wan und Svetlana Ganina steht der Gast extrem gut und alle Langstädterinnen müssten schon einen traumhaften Tag erwischen, wenn etwas Zählbares herausspringen soll.

Langstadt sieht sich als Außenseiter

„Die Vorzeichen sind diesmal genau anders. Gegen Böblingen waren wir der Favorit, jetzt sind wir der Außenseiter“, blickt der Sportliche Leiter des TSV, Manfred Kämmerer, nicht unbedingt siegesgewiss auf die anstehenden zwei, maximal drei Duelle mit dem Berliner Dauerrivalen. „Kolbermoor und eastside berlin dominieren seit Jahren die Bundesliga“, fährt Kämmerer fort. „Wir haben uns mit dem 3. Platz in dieser Saison nach vorne gearbeitet und möchten uns jetzt natürlich so teuer wie möglich verkaufen.“

Yuan Wan will mit Kolbermoor die Hürde Langstadt elegant nehmen. Da Fu Yu spielen wird, kann sie im hinteren Paarkreuz aufschlagen.

In der Punktrunde setzte es zwei Niederlagen. Besonders in der Vorrunde hatten sich die Langstädterinnen mehr ausgerechnet. „Wir waren komplett angetreten, bei Kolbermoor fehlte mit Fu Yu die Spitzenspielerin, Kristin Lang kam nach längerer Krankheit gerade erst wieder zurück. In der Rückrunde waren wir ohne Petrissa Solja chancenlos“, lässt Kämmerer die beiden Partien (3:5 und 2:6) Revue passieren.

Diesmal wird die 42-jährige Fu Yu wie geschildert am Tisch stehen. Die Penholderspielerin ist zwar inzwischen in der Weltrangliste auf Position 55 abgerutscht, doch ihr Spielsystem ist extrem schwer auszurechnen, auch für eine TOP 20-Spielerin wie Petrissa Solja. Bis jetzt hat Fu nur beim Pokal Final Four gespielt und mit zwei Siegen im Finale gegen Berlin gezeigt, wie stark sie ist.

TSV will sich ins Spiel hineinkämpfen

Dennoch wird der Gastgeber alles versuchen, am Freitag nicht mit einer Niederlage aus der Halle zu gehen, um eine vernünftige Ausgangsposition für das Rückspiel am Sonntag in Kolbermoor (13 Uhr) zu besitzen. Wie schon im Viertelfinale zählt die Höhe eines Sieges nicht. Gewinnt ein Team Spiel eins mit 8:0 und das andere die zweite Begegnung mit 5:3, gibt es dennoch eine dritte, alles entscheidende Partie. Diese würde übrigens am Dienstag in Kolbermoor steigen.

Zwar macht Langstadt wie immer keine Angaben zur Aufstellung, doch auch der TSV dürfte in Bestbesetzung auflaufen, also mit dem eingespielten Quartett Petrissa Solja, Dina Meshref, Tanja Krämer, Franziska Schreiner, das zuletzt so unbarmherzig mit den Böblingerinnen umgesprungen ist. Man will von ersten Ball an den Kampf aufnehmen und sich so teuer wie möglich verkaufen.

Franziska Schreiner äußert sich im Vorfeld der Auftaktpartie optimistischer, als sie auf diesem Coachingfoto, das sie zusammen mit ihrer Mutter Yunli zeigt, wirkt.

„Das wird natürlich eine sehr schwere Aufgabe für uns, doch wir haben mit den Siegen gegen Böblingen genug Selbstvertrauen getankt, um den Favoriten zu ärgern“, blickt die 19-jährige Franziska Schreiner, Langstadts Entdeckung der Saison, trotz allem den Halbfinals nicht ohne Zuversicht entgegen.

Michael Fuchs erwartet Duell auf Augenhöhe

Kolbermoors Trainer Michael Fuchs geht davon aus, dass die Karten komplett neu gemischt werden und frühere Duelle beider Teams wenig Aussagekraft haben: „Ein Vergleich mit den bisherigen Spielen ist, so finde ich, schwer, da entweder einzelne Spielerinnen nicht gespielt haben beziehungsweise verletzt oder in schlechter Verfassung waren.“ Für den Freitag hat er eine klare Botschaft und bestätigt auch, dass Fu Yu an Bord ist: „Ich erwarte ein Spiel auf Augenhöhe. Wir werden uns sehr gut auf dieses Spiel vorbereiten und werden auch in Bestbesetzung antreten.“

Beitragsbild oben: Ein starkes, ambitioniertes Team: SV DJK Kolbermoor (v.l. Kristin Lang, Yuan Wan, Anastasia Bondareva, Trainer Michael Fuchs, Fu Yu, Svetlana Ganina).

Text: Dr. Stephan Roscher

Fotos; Dr. Stephan Roscher (2), Marco Steinbrenner, SV DJK Kolbermoor

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