Tischtenniskrimi in Oberbayern: 5:3 in Schwabhausen – Weil überraschend im Halbfinale
TSV Schwabhausen – ESV Weil 3:5
Der ESV Weil, dem am Ostersonntag in Schwabhausen mit dem 5:3-Sieg im dritten Play-off-Viertelfinale der größte bisherige Erfolg der Vereinsgeschichte gelang, war im Vorfeld von vielen unterschätzt worden. Sie glaubten, dass dem Aufsteiger aus dem Dreiländereck nach guter Vorrunde und dem überraschenden Einzug ins Pokal Final Four gegen Ende der Saison die Luft ausgehen würde und der TSV Schwabhausen in den Viertelfinals leichtes Spiel haben würde – und der Beginn mit dem 6:2-Sieg der Oberbayern in Weil schien dies zu bestätigen.
Doch dann kam alles ganz anders. Die Südbadenerinnen gewannen zunächst das Rückspiel in der „Höhle des Löwen“ mit 5:3 und erzwangen damit ein drittes Play-off. Und in diesem machten Sie am Sonntag genau da weiter, wo sie tags zuvor aufgehört hatten und machten sich mit dem neuerlichen 5:3-Erfolg das schönste Ostergeschenk überhaupt. Nun stehen sie in den Halbfinals gegen den Champions-League-Sieger ttc berlin eastside und können ihr Glück kaum fassen. Doch es war eigentlich kein Glück, sondern die verdiente Belohnung für zwei ganz starke Auftritte am Ostersamstag und Ostersonntag. Dennoch war es eine ganz enge Kiste: 18:16 Sätze zugunsten Weils, Schwabhausen nach Bällen mit 328:325 vorne. Beide Teams waren eigentlich gleichwertig.
Überragende Trifonova führt Weil zum Erfolg, auch Lupulesku stark
Überragende Spielerin in einer im Grunde überaus ausgeglichenen Weiler Mannschaft war die 29-jährige Polina Trifonova. Die Bulgarin, abseits des Tischtennistischs ein Multitalent, das sechs Sprachen beherrscht, brachte das Kunststück fertig, mit einer 1:9-Rückrundenbilanz (Gesamtbilanz Punktrunde: 6:14) in die Play-offs zu gehen, dort ein Resultat von 5:1 zu erspielen und dabei unglaubliche dreimal in Folge die bis dahin in der Bundesliga als nahezu unschlagbar geltende Sabine Winter zu besiegen. Jene Sabine Winter, die zuvor eine makellose 16:0-Bilanz aufwies und beste Spielerin der Punktrunde war. Und jene Sabine Winter, die Trifonova in den beiden Ligamatches noch förmlich deklassiert hatte (11:4, 11:5, 11:3 und 11:2, 11:8, 11:6). Dabei zeigte Trifonova eine imponierende Nervenstärke. Alle drei Matches gegen die DTTB-Nationalspielerin holte sie sich im Entscheidungssatz und zwar mit – in dieser Reihenfolge – 15:13, 11:9 und 12:10.
Doch natürlich wäre der große Coup der Weiler Tischtennisfrauen auch nicht ohne die Punkte der übrigen drei Spielerinnen geglückt. Izabela Lupulesku (4) Sophia Klee (2) und Ievgeniia Sozoniuk (1) steuerten wichtige Punkte bei. Und im Hintergrund drückte Vivien Scholz die Daumen, die die beste Punktrundenbilanz erzielt hatte, doch wegen einer Verletzung in den Viertelfinals nicht am Tisch stehen konnte.
Für den TSV Schwabhausen ist es natürlich dumm und unglücklich gelaufen. Jenen TSV, der eine so starke Runde gespielt hatte, punktgleich mit dem TSV Langstadt ins Ziel gekommen war und nach dem ersten Play-off-Match gegen die Weilerinnen klar auf Halbfinalkurs zu sein schien. Jene TSV-Damen, die beim Pokal-Final Four so dicht vor dem Einzug ins Endspiel gestanden hatten und denen in Person von Sabine Winter der eine fehlende Ball zum Glück einfach nicht gelingen wollte. Eine tolle Mannschaft, die nächste Saison erneut angreifen wird mit dann sicher einem Tick mehr Fortune und Kaltschnäuzigkeit in den entscheidenden Momenten. Der TSV Schwabhausen trug das Ausscheiden mit Fassung, zeigte sich als fairer Verlierer und erkannte die tolle Leistung des Gegners neidlos an.
Nichts für schwache Nerven
Dabei war es eine Partie, die an den Nerven aller Beteiligten zehrte. Es knisterte förmlich vor Spannung. Zunächst 2:0 für Weil: Polina Trifonova schlug Sabine Winter hauchdünn und Ievgeniia Sozoniuk erstmals in der Play-off-Serie Mateja Jeger (3:1). Mercedesz Nagyvaradi brachte ihre Farben durch ein 3:0 über eine völlig chancenlose Sophia Klee, gegen die sie tags zuvor noch verloren hatte, heran. Doch dann war wieder Weil dran: Die Serbin Izabela Lupulesku besiegte die diesmal von Schwabhausen anstelle der Ungarin Orsolya Feher als Nummer vier aufgestellte weißrussische Abwehrspielerin Alina Nikitchanka mit 3:1.
Nach dem zweiten Durchgang im vorderen Paarkreuz stand es 4:2 für die Gäste: Zwar hatte Sabine Winter durch das erwartete 3:1 über Ievgeniia Sozoniuk den Anschluss zum 2:3 bewerkstelligt, doch die überragende Polina Trifonova wie tags zuvor wieder Mateja Jeger, mit deren Spiel sie sich eigentlich schwertut, geschlagen – 3:2 hieß es am Ende für die ESV-Bulgarin, die zum Beginn des fünften Satzes mit 0:4 hinten lag und dann elf Punkte in Folge machte. Weil musste noch eines der beiden Matches im hinteren Paarkreuz gewinnen, um im Halbfinale zu stehen. Anderenfalls hätten bei einem 4:4 die Sätze gezählt – und da war es eng und hätte durchaus auf einen Gleichstand hinauslaufen können – und falls nötig sogar die Bälle.
Und dann war es um 16.55 passiert: Der ESV Weil führte mit 5:2 und stand im Halbfinale der Deutschen Meisterschaft 2020/21! Izabela Lupulesku erkämpfte sich gegen Mercedesz Nagyvaradi in einem wirklich engen Match ein 3:1 und sicherte ihrem Team vorzeitig den Sieg. Das letzte Spiel zwischen Alina Nikitchanka und Sophia Klee (3:2) hatte dann nur noch statistischen Wert. Endstand Schwabhausen-Weil 3:5 – die Freunde bei den erschöpften Weilerinnen war unbeschreiblich.
„Dass wir gleich zweimal gewinnen, ist unglaublich!“ – Stimmen zum Viertelfinal-Thriller
„Nach dem Erreichen des Final Four ist das jetzt wirklich der größte Erfolg unserer Vereinsgeschichte“, freute sich Doris Spiess. „Dass wir gleich zweimal gegen Schwabhausen gewinnen, ist unglaublich! Es war aber ganz sicher kein Selbstläufer. Jedes Spiel war hart umkämpft. Unsere Spielerinnen waren nach dem gestrigen Erfolg top motiviert und sind wieder über sich hinausgewachsen.“ Die ESV-Abteilungsleiterin ergänzte: „Wir hatten vielleicht den Vorteil, dass wir frei aufspielen konnten. Der Druck lag mehr bei Schwabhausen. Ein Kompliment aber auch an unsere Gegner, die sich trotz erbitterter Gegenwehr immer fair gezeigt haben.“
Auch die zum Zuschauen verurteilte Vivien Scholz kommentierte erfreut das Geschehen: „Das war ja nun wirklich ein Krimi! Und vor allem, wer hätte das im Vorfeld gedacht. Wenn man sich nur die Bilanzen aus der Runde anschaut, hätte es Weil nie schaffen können. Aber hier sind wirklich alle über sich hinausgewachsen. Vor allem Polina ist eine absolute Wettkampfspielerin.“
„Eigentlich ist es einfach erklärt“, so TSV-Trainer Alexander Yahmed nach den elektrisierenden 200 Minuten. „Weil war zu 100 Prozent fokussiert, sie hatten Blut geleckt nach dem Samstag und haben es wieder geschafft, uns im vorderen Paarkreuz Paroli zu bieten beziehungsweise waren da heute sogar besser. Wir hatten uns vorne Vorteile erhofft, aber eine in super Form spielende Polina war wohl der entscheidende Faktor.“ Yahmed bilanzierte und gratulierte: „Wir hatten gestern und heute unsere Chancen, den Sack zu zumachen, aber ich finde, Weil hat zu Recht gewonnen, da sie es einfach super gemacht haben. Deswegen meine Gratulation an den Sieger.“
„Natürlich sind wir alle zusammen enttäuscht, weil wir die Chance auf das Halbfinale nicht nutzen konnten. Aber wir haben immer gesagt, dass Weil kein leichter Gegner sein wird und dass die Viertelfinalspiele enge Matches auf Augenhöhe sein werden“, so Helmut Pfeil, Abteilungsleiter des TSV Schwabhausen. „Insgesamt gesehen war Weil das bessere Team und ist nun zu Recht im Halbfinale gegen Berlin. Auch heute fehlten nur einige wenige Punkte, um den einen oder anderen Satz und damit ein Spiel mehr zu gewinnen. Wären wir ins Halbfinale eingezogen, dann wäre das ebenfalls verdient gewesen. Beide Teams haben in drei Begegnungen absoluten Supersport geboten, der viele Zuschauer verdient gehabt hätte.“
Beitragsbild oben: Auch Izabela Lupulesku überzeugte beim Sieger. Sie gewann vier ihrer sechs Play-off-Matches und war im entscheidenden Spiel am Ostersonntag doppelt erfolgreich.
Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher
Teamfoto TSV Schwabhausen: Verein