Langstadt möchte auf der Spitzenposition „überwintern“

Von Stephan Roscher|Dezember 18, 2020|bundesliga

Die letzte Partie des alten Jahres in der 1. Bundesliga Damen steigt am kommenden Samstag im südhessischen Langstadt. Der gastgebende TSV empfängt als Ligaprimus die SV Böblingen und möchte auf dieser Position auch ins neue Jahr gehen, wozu ein Sieg benötigt wird. Dieser erscheint so unvorstellbar nicht, zumal das Team aus Baden-Württemberg mit einem personellen Handikap ins Match geht.

Eigentlich hätte am Sonntag die Begegnung zwischen der TTG Bingen/Münster-Sarmsheim und dem TSV Schwabhausen den Jahresabschluss darstellen sollen. Das Aufeinandertreffen wurde jedoch in die Rückrunde verschoben und muss erst noch terminiert werden – ebenso wie drei weitere Vorrundenpartien, die ebenfalls Corona-bedingt abgesagt worden waren.

Samstag, 13.30 Uhr: TSV Langstadt – SV Böblingen

Zum Vorrundenabschluss erwarten die zuletzt so erfolgreichen Tischtennis-Damen des TSV Langstadt mit der Sportvereinigung Böblingen den derzeitigen Tabellenvierten. Nach den guten Auftritten des letzten Wochenendes mit 6:2-Erfolgen in Schwabhausen und gegen Bingen haben sich Solja und Co. auf die Spitzenposition in Europas stärkster Liga geschoben und wollen dort auch das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel verbringen. Dazu ist „nur“ ein Sieg gegen den Klub aus dem „Ländle“ erforderlich – und der könnte gelingen, zumal die Begleitumstände für die Südhessinnen nicht ungünstig sind.

Normalerweise liegt Böblingen den Langstädterinnen nicht so gut, enge Spiele waren zumeist angesagt, wenn beide die Klingen kreuzten, und diese gingen auch schon verloren. Das lag im Wesentlichen an einer Spielerin, der 52-jährigen Defensivartistin Qianhong Gotsch, frühere chinesische Nationalspielerin und seit 22 Jahren deutsche Staatsbürgerin. Gotschs immer noch virtuoses Abwehrspiel ist für viele Gegnerinnen im Oberhaus „Gift“ und selbst von einer Petrissa Solja in Topform – und davon war sie zuletzt ein gutes Stück entfernt – nur schwer zu knacken. Die Ägypterin Dina Meshref, zwar zuletzt in guter Form, aber alles andere als eine „Abwehrkillerin“, hätte sich mit Gotsch wohl auch überaus schwer getan.

Doch die prominenteste Böblingerin – aktuelle Ligabilanz 7:3 – wird diesmal nicht spielen. „Sie informierte Böblingens Manager Frank Tartsch, dass sie in Zeiten des harten Corona-Lockdowns, auch mit Rücksicht auf ihre Familie, das Risiko einer Reise nach Langstadt nicht eingehen möchte“, lesen wir in der jüngsten Pressemitteilung der SVB.

Davon dürfte der TSV profitieren. Ein Sieg ist nun fast schon Pflicht, auch wenn die Württembergerinnen mit der 14-jährigen Linkshänderin Annett Kaufmann, Deutschlands mit Abstand bester Spielerin im Schülerinnen-Bereich, über ein weiteres Trumpf-Ass verfügen. Mit einer 8:2-Bilanz ist Böblingens „Nesthäkchen“ im hinteren Paarkreuz fast schon eine Bank. Die übrigen SVB-Spielerinnen liefern dagegen bisher keine positiven Bundesligaresultate. Mitsuki Yoshida (4:6) ist immerhin ab und zu erfolgreich, doch richtig gefährlich ist sie in der Regel dann, wenn sie hinten spielen kann. In Langstadt jedoch wird sie als Nummer zwei auflaufen. Nach Hessen werden – neben Yoshida und Annett Kaufmann – noch Yanhua Yang-Xu sowie Annetts ältere Schwester Alexandra reisen.

Böblingen hätte angesichts des Ausfalls seiner Leistungsträgerin die Partie absetzen lassen können, was aufgrund der Corona-Regelung des Deutschen Tischtennis-Bundes ohne weiteres möglich gewesen wäre. Doch darauf hatte das SVB-Management in Absprache mit Trainer Volker Ziegler verzichtet, auch um Langstadt nicht im Regen stehen zu lassen. Der TSV hatte das Spiel nämlich eigens von Sonntag auf Samstag vorgezogen, weil sich ein Kamerateam des Hessischen Rundfunks angesagt hat, der ausgiebig berichten will.

Nach drei Erfolgen zu Saisonbeginn, unter anderem konnte man sensationell den Champions-League-Sieger berlin eastside schlagen, musste Böblingen zuletzt zwei Niederlagen einstecken. Auch das „Momentum“ spricht demnach eher für Langstadt, das von den Böblingern im Übrigen – so Pressewart Manfred Schneider – „als eine Art Geheimfavorit auf die deutsche Meisterschaft“ angesehen wird. War in den letzten beiden Jahren eher das vordere Paarkreuz das Sahnestück des momentanen Spitzenreiters, ist man mittlerweile auch hinten richtig stark. Tanja Krämer (6:3) und die 18-jährige Franziska Schreiner (7:2) haben bisher die Erwartungen nicht bloß erfüllt, sondern sogar – zumindest im Fall Schreiners – deutlich übertroffen. Das Youngster-Duell am Samstag zwischen „Franzi“ Schreiner und Annett Kaufmann könnte besonders interessant werden und verspricht sportliche Qualität. Mit Volker Ziegler und Andrzej Kaim wird Böblingen auch in Langstadt wieder zwei erfahrene Trainer an Bord haben, die ihre Schützlinge taktisch gut einstellen werden.  

Annett Kaufmann: 14 Jahre jung und bereits eine Bank im unteren Paarkreuz.

„Wir möchten unsere Serie gerne fortsetzen“, so TSV-Coach Thomas Hauke. „Dass wir damit unseren Platz an der Tabellenspitze verteidigen würden, wäre natürlich eine tolle Sache.“ Zuschauer sind weiterhin nicht zugelassen. Der Sportliche Leiter Manfred Kämmerer bedauert das sehr: „Gerade jetzt, wo wir gute Spiele und Ergebnisse abliefern, hätten wir gerne unsere Fans dabei. Besonders bei engen Spielen haben sie uns immer super unterstützt. Diese Stimmung vermissen wir schon sehr.“ Dafür freut sich Kämmerer auf die bewegten Bilder im HR: „Dies ist natürlich eine schöne Gelegenheit, das Damen-Tischtennis der Öffentlichkeit gut zu präsentieren.“

Beitragsbild oben: Langstadts Nummer 2 Dina Meshref zeigt zurzeit gutes Tischtennis, ihre 5:5-Bilanz gegen die besten Spielerinnen der Liga kann sich durchaus sehen lassen.

Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher

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