Der Sonntag in der 1. Bundesliga Damen: Überraschungen und Paukenschläge

Von Stephan Roscher|Februar 20, 2022|bundesliga

Bingen gewinnt in Kolbermoor, Langstadt mit hart erkämpftem Remis in Weil

Nachdem faustdicke Überraschungen bei den drei Samstagsspielen ausgeblieben waren, hat sich der „Tischtennisgott“ für den Sonntag doch noch einiges einfallen lassen. Die abstiegsbedrohte TTG Bingen/Münster-Sarmsheim zeigte ausgerechnet beim Pokalsieger SV DJK Kolbermoor die wohl beste bisherige Saisonleistung und nahm durch ihren 6:4-Erfolg zwei extrem wichtige Punkte mit nach Rheinhessen. Viel fehlte nicht und der ESV Weil hätte dem Tabellenzweiten TSV Langstadt die erste Saisonniederlage beigebracht. Aufgrund einer bärenstarken Performance führten die Südbadenerinnen mit 5:3, doch der Gast aus Hessen schnappte sich schließlich doch noch die letzten beiden Einzel zum Remis.

SV DJK Kolbermoor – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim 4:6

In Kolbermoor war die glänzend aufgelegte 35-jährige Mie Skov „Woman of the Match“. Die Dänin konnte sowohl Yuan Wan als auch Kristin Lang in packenden Fünfsatz-Matches niederringen und gewann zudem noch ihr Doppel an der Seite der 19-jährigen Linkshänderin Anastasia Bondareva, die letzte Saison selbst noch für Kolbermoor aufgeschlagen hatte (3:1 gegen Ganina/Pranjkovic).

Doch es war natürlich nicht nur eine Spielerin, die dem Gästeteam die beiden Punkte bescherte, die geschlossene Mannschaftsleistung der TTG war das entscheidende Moment. Jede der drei übrigen Spielerinnen konnte jeweils einen wichtigen Einzelsieg beisteuern – Katerina Tomanovska gegen Yuan Wan (3:0) sowie Diya Chitale und Anastasia Bondareva, die beide ohne Satzverlust gegen die 17-jährige Naomi Pranjkovic gewannen. Für die 18-jährige Inderin Chitale der erste Bundesligasieg im Einzel. Für den Gastgeber punkteten Kristin Lang (3:2 gegen Tomanovska) sowie die einmal mehr bärenstarke Svetlana Ganina, die Chitale und Bondareva keine Chance ließ. Außerdem verbuchte man einen Punkt im Doppel durch Kristin Lang/Yuan Wan (3:2 gegen Tomanovska/Chitale)

Bingen hat eine echte Ansage im Kampf um den Klassenerhalt gemacht und darf neue Hoffnung schöpfen, zumal nach dieser Leistung, die sich irgendwie schon am Vortag bei dem unglücklichen 3:6 gegen in Topbesetzung angetretene Schwabhausener leise angedeutet hatte. Drei Pluspunkte beträgt jetzt der Vorsprung vor der SV Böblingen wieder, die allerdings eine Partie weniger ausgetragen hat. Und am 13. März in Böblingen kommt es ja dann zum großen Showdown SVB vs. TTG.

„Nach der gestrigen starken Leistung erneut eine sehr gute Mannschaftsleistung mit drei überzeugenden Einzelsiegen im vorderen Paarkreuz“, freute sich Bingens Vorsitzender Joachim Lautebach. „Ein verdienter Sieg und zwei wichtige sowie legale Punkte gegen den Abstieg.“

Kristin Lang glückte der einzige Punkt im vorderen Paarkreuz für Kolbermoor (Bild: Petra Steyer).

Für Kolbermoor war es dagegen ein bitteres, man könnte auch sagen gebrauchtes Wochenende mit zwei denkbar knappen Niederlagen vor heimischer Kulisse. Mit 9:17 Punkten steht das Team aus Oberbayern weit unter seinen Möglichkeiten auf dem fünften Tabellenplatz. Erst zwei Zähler gelangen dem Team in der Rückrunde. Nur noch eine Partie steht für den SV DJK in der regulären Punktrunde an, nämlich das Derby gegen den TSV Schwabhausen am 20. März. Vom Glück sind Kristin Lang und Kolleginnen derzeit wirklich nicht verfolgt. Erst das kampflose 0:6 in Böblingen, das unglücklicher nicht hätte zustande kommen können, jetzt zweimal 4:6 in Partien auf des Messers Schneide, in denen aber bei minimal günstigerem Verlauf auch Punkte möglich gewesen wären.

„Bingen hat heute sehr gut gespielt. Das vordere Paarkreuz war super stark“, so Kolbermoors Trainer Michael Fuchs. „Da muss ich unserem Gegner schon ein Kompliment machen und sagen, dass ich vorne eigentlich mindestens ein 3:1 für uns eingeplant hätte statt ein 1:3 – und das war sicher auch der Knackpunkt der ganzen Partie.“ Doch der Gegner agierte überaus konsequent: „Bei Bingen haben alle vier gut gespielt und wenn man dann seine Chancen nicht nutzt und vorne 1:3 spielt, wird es eben schwierig. Svetlana wie immer hinten gut, sonst war dort wenig heute zu holen. Glückwunsch nochmals an Bingen, die verdient gewonnen haben!“ Mit einer Punkteteilung hätte man angesichts des starken Bingener Auftritts ja durchaus leben können, meinte Fuchs: „Wir hätten natürlich vorne das eine oder andere Spiel vielleicht noch gewinnen können, ein Unentschieden wäre ja schon okay für uns gewesen, doch Bingen hat seine Chancen heute halt gut genutzt.“ Nun ist vieles offen, sogar die Play-off-Teilnahme des Pokalsiegers könnte bei ungünstigem Verlauf der kommenden Spieltage noch in Gefahr geraten. „Natürlich war es eine sehr bittere Niederlage, weil für uns jetzt unten wieder fast alles möglich ist“, erklärte Fuchs. „Wenn es schlecht läuft, könnten wir sogar noch Siebter werden. Es ist noch alles offen, von Platz fünf bis sieben ist alles möglich und unser letztes Spiel gegen Schwabhausen wird sicher auch nicht einfach. Das wird noch eine enge Kiste, man muss abwarten, wie die Saison weitergeht.“

ESV Weil – TSV Langstadt 5:5

Ungeschlagen und mit der Empfehlung des Sieges vom Vortag in Kolbermoor war der TSV Langstadt ins Dreiländereck gereist – selbstredend als klarer Favorit. Am Ende konnte man tief durchatmen, dass man die weiße Weste mit einer schwer erkämpften Punkteteilung bewahren konnte. Der Sportliche Leiter Manfred Kämmerer, der am Vorabend darauf hingewiesen hatte, dass eine Bewertung eigentlich erst nach dem Spiel in Weil erfolgen könne und man das Wochenende nicht vor dem Sonntag loben sollte, behielt mit seiner Vorsicht Recht.

Das Unentschieden der Weilerinnen, die phasenweise grandios aufspielten, war absolut verdient. Das erste Mal übrigens, dass der ESV in der 1. Bundesliga gegen Langstadt etwas Zählbares verbuchen konnte. Im Verlauf der feurigen 189 Minuten konnte der ESV immer wieder in Führung gehen und Langstadt jedesmal wieder zurückkommen. 2:1, 4:2 und 5:3 hieß es zwischenzeitlich zu Gunsten der Gastgeberinnen, doch den Sack zu einem doppelten Punktgewinn zumachen konnten sie am Ende nicht, da im letzten Durchgang hinten Tanja Krämer (3:2 gegen Hana Arapovic) und Franziska Schreiner (3:0 gegen Vivien Scholz) nochmals alles aus sich herausholten.

Zuvor hatten Polina Trifonova und Izabela Lupulesku durch 3:1-Siege über DTTB-Nationalspielerin Chantal Mantz für Highlights aus Sicht des Gastgebers gesorgt. Aber auch Hana Arapovic (3:2 gegen Schreiner) und Vivien Scholz (3:2 gegen Krämer) sowie das Doppel Trifonova/Arapovic (3:0 gegen Krämer/Schreiner).

Auf Langstädter Seite war einmal mehr Petrissa Solja, die ihre Einzelsiege Nummer 16 und 17 in der laufenden Saison feierte, nicht zu bezwingen. Die Weltranglisten-19. musste dabei gegen Lupulesku, die gegenüber dem Samstag kaum wiederzuerkennen war, über die volle Distanz gehen, während ihr Trifonova, bei der insgesamt aber eine klare Aufwärtstendenz zu erkennen ist, keinen Satz abluchsen konnte. Solja gewann zudem ihr neuntes von zehn Doppeln an der Seite von Chantal Mantz (3:0 gegen Lupulesku/Scholz). Hinzu gesellten sich die beiden Matchgewinne von Krämer und Schreiner am Ende der hochklassigen, spannenden Partie.  

Weils Bulgarin Polina Trifonova zeigt ansteigende Form: Am Samstag bezwang sie Cheng Hsien-Tzu, tags darauf Chantal Mantz (Bild: Dr. Stephan Roscher).

Der TSV hat mit seinem vierten Remis in dieser Saison einen Punkt seines Vorsprungs auf den TSV Schwabhausen eingebüßt, für den Platz zwei bei zwei Minuspunkten Abstand durchaus wieder in Sichtweite ist. Vielleicht wird sogar das direkte Duell am 19.03. in Schwabhausen darüber entscheiden, welches der beiden Teams direkt ins Play-off-Halbfinale einzieht, einfach einmal vorausgesetzt, dass auf der Spitzenposition keiner mehr die Kreise des Titelverteidigers ttc berlin eastside, der bislang erst einen Minuspunkt hinnehmen musste, zu stören vermag.

„Das war ein tolles Tischtennis Wochenende“, freute sich Doris Spiess. „Wir sind mit dem Unentschieden gegen Langstadt voll zufrieden, auch wenn nach dem 5:3 ein bisschen die Hoffnung auf einen Sieg aufkeimte. Aber die Langstädter haben sich noch einmal aus der Affäre gezogen, gekämpft bis zum Ende, um sich doch noch einen Punkt zu holen.“ Die Weiler Abteilungsleiterin fügte hinzu: „Super für uns, dass alle Spielerinnen gepunktet haben, es war wieder einmal ein toller Teamspirit bei uns. Und trotz großem Kampf blieb die Begegnung immer fair. Es war eine super Werbung für unseren Sport.“ Vivien Scholz machte – neben der Gesamtleistung ihrer Mannschaft – besonders das Match gegen Langstadts Nummer drei Freude: „Endlich mal wieder ein Spiel von mir, auf das ich stolz sein konnte. Mit viel Ballgefühl, mal schnell, mal langsam, mal mit Spin, mal mit Schupf oder mit einem Kurz-Kurz-Spiel, bezwang ich eine Tanja Krämer, vor der ich riesen Respekt habe.“

„Ein starkes Spiel von Weil“, erkannte Manfred Kämmerer an. „Wir mussten alles geben, um unsere Serie zu behalten. Zum Schluss aber ein verdientes Unentschieden. Jedes Team hatte Chancen zum Sieg.“ Kämmerer beschrieb auch das „Drumherum: “Das waren insgesamt 1.400 Kilometer und viele Stunden im Auto. Das war für die Mädels fast genauso anstrengend wie die Spiele. Insofern waren wir am Ende glücklich über den 6:4-Erfolg in Kolbermoor und das 5:5-Unentschieden in Weil am Rhein.“ TSV-Coach Thomas Hauke ergänzte: “Es war eine große Herausforderung, gegen die „Weiler Wand“ anzukämpfen und den Fokus immer wieder aufs eigene Spiel zu halten. Weil hat in der Mitte des Spiels gefühlt die besseren Entscheidungen getroffen und wir haben am Ende gerade noch die Wende zum Unentschieden geschafft.“ Haukes Fazit: „Ein tolles Spiel für die Zuschauer und mit etwas Abstand können wir uns auch mit dem Punkt anfreunden. Insgesamt war es ein kräftezehrender Doppelspieltag mit drei hart erkämpften Punkten.“

Beitragsfoto oben: Mie Skov präsentierte sich am Sonntag in Topform (Bild: Petra Steyer).

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