Annett Kaufmann in Topform: Böblingen setzt sich in Weil durch

Von Stephan Roscher|Oktober 19, 2020|bundesliga

Nach drei Stunden packendem Tischtennis musste Liganeuling ESV Weil der SV Böblingen zum knappen Sieg gratulieren. Leider konnten wegen der Corona-Auflagen nur 40 Fans die sehenswerte Heimpremiere des Aufsteigers live in der Turnhalle der Leopoldschule verfolgen. 5:3 hieß es am Ende für Gotsch und Co. im Baden-Württemberg-Derby. 17:14 Sätze und 295:286 Bälle zu Gunsten der SVB dokumentieren, dass das Team aus dem Dreiländereck nicht allzu weit von einem Remis entfernt war. Beim Sieger überragte – neben „Dauerbrennerin“ Qianhong Gotsch – die 14-jährige Annett Kaufmann (Archivfoto), die Sophia Klee klar im Griff hatte und später auch den Krimi gegen Izabela Lupulesku für sich entschied.

Zunächst gelang es dem Aufsteiger, der erneut in der Aufstellung des Langstadt-Spiels auflief und Vivien Scholz auf der Bank ließ, zweimal in Führung zu gehen. Die Ukrainerin Ievgenia Sozoniuk besiegte Mitsuki Yoshida in vier Sätzen, „Hongi“ Gotsch konnte erwartungsgemäß gegen die Bulgarin Polina Trifonova, diesmal nicht so stark wie in Langstadt, ausgleichen, doch die serbische Meisterin Izabela Lupulesku, von Alexandra Kaufmann kaum gefordert, brachte den ESV erneut in Front.

Es folgte der erste bärenstarke Auftritt von Alexandras Schwester Annett, die im Duell der DTTB-Toptalente der drei Jahre älteren Sophia Klee beim 11:5, 11:7, 11:4 keine Chance ließ. Die frischgebackene Siegerin des europäischen U15-Ranglistenturniers deutete an, dass sie es in absehbarer Zeit ganz weit nach oben bringen kann.

SVB-Ikone Qianhong Gotsch hatte anschließend gegen die clever spielende Ievgenia Sozoniuk schwer zu kämpfen. Die Weilerin, mit kurzen Noppen auf beiden Schlägerseiten, ging sogar mit 2:1-Sätzen in Führung, Gotsch egalisierte und ließ sich im Entscheidungsdurchgang (11:6) mit einer wohldosierten Mischung aus Abwehr und Angriff die Butter nicht mehr vom Brot nehmen. Ein vorentscheidendes Match, hätte sich Sozoniuk durchgesetzt, wäre die Partie vermutlich in eine ganz andere Richtung gelaufen.

Ievgeniia Sozoniuk zeigte eine starke Leistung. Weils Ukrainerin besiegte Mitsuki Yoshida und zwang Qianhong Gotsch in den Entscheidungsdurchgang.

Es folgte ein weiteres umkämpftes Duell, das die Weichen endgültig zu Gunsten Böblingens stellte. Mitsuki Yoshida brauchte zwei Sätze, um gegen Polina Trifonova ins Spiel zu finden. Im fünften lag sie schnell 0:3 hinten, berappelte sich aber nach einem Time-out und dominierte von da an. Durch das 11:6 für Böblingens Japanerin war die 4:2-Gästeführung perfekt, ein Unentschieden war den Schwäbinnen bereits sicher. Doch sie wollten mehr und bekamen mehr.

Annett Kaufmann bot auch gegen die international erfahrene Izabela Lupulesku eine Klasseleistung, doch dieses Match spielte sich, im Gegensatz zu ihrem ersten Einsatz, auf Augenhöhe ab, die Sätze eins bis drei gingen in die Verlängerung. Im vierten Satz ein schnelles 7:2 für Böblingens kleines Juwel. Die Serbin holte auf 9:9 auf, doch das Gäste-Nesthäkchen zeigte sich unbeeindruckt: 11:9 für Kaufmann am Ende, womit der erste Böblinger Saisonsieg im ersten Spiel feststand. Alexandra Kaufmanns 1:3-Niederlage gegen Sophia Klee war letztlich nur noch Ergebniskosmetik.

„Es war natürlich ein tolles Erlebnis, das erste Bundesligaspiel in Weil am Rhein. Auch wenn das Ergebnis vielleicht nicht ganz zufriedenstellend war, es gab tolle Spiele und großen Sport zu sehen“, so ESV-Abteilungsleiterin Doris Spiess. „Aus unserer Sicht wäre Ievgeniia Sozoniuk beinahe die Überraschung geglückt, den Superstar von Böblingen, Qianhong Gotsch zu schlagen. Vier Sätze lang war die Partie ausgeglichen, dann konnte Gotsch doch noch etwas zulegen sich den Sieg sichern.“ Hinten hatte man sich einen Tick mehr ausgerechnet: „Unsere Stärke sollte eigentlich das hintere Paarkreuz sein, doch eine überragend aufspielende Anett Kaufmann lies dies nicht zu.“ Doris Spiess zieht ein Fazit: „Die Erkenntnis aus dem Spiel: das Niveau in der 1. Bundesliga ist halt doch noch deutlich höher, aber auch, dass der Abstand des ESV zu den etablierten Mannschaften nicht wirklich groß ist. Mit etwas Glück wäre ein Punkt möglich gewesen.“

„Es war ein großer Kampf, ein Spiel auf Augenhöhe“, bilanzierte Böblingens Trainer Volker Ziegler. „Alle unsere fünf Siege waren umkämpft, es war kein leichter dabei. Annetts zwei Zähler sind schon eine Hausnummer.“ Vom „Drumherum“ war Ziegler trotz der Corona-Beschränkungen angetan: „Die Stimmung in der kleinen Halle war gut, Weil ist zweifellos eine Bereicherung für die Liga.“ 

Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher

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